Grußwort von Bernd Sibler

Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus

Bernd Sibler,
5. Tagung der 12. Synode der EKD vom 11. bis 14. November 2018 in Würzburg

(unredigierte Fassung)

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präses, Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrter Herr Bischof, Frau Bundes­ministerin, liebe Barbara Stamm, liebe Kollegen aus den Parlamenten, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sie haben sich ja ein ausgesprochen interessantes Datum für Ihre heutige Synode ausge­sucht. Auf einen historischen Bezug haben Sie hingewiesen, den wichtigsten: 100 Jahre Ende Erster Weltkrieg. – Als studierter Historiker ist es ein Leidenschaftsthema, diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts näher auszuleuchten, mit allen Folgen, die damit verbunden sind.

Sie haben aber auch um 11:15 Uhr begonnen – 3 Minuten und 49 Sekunden nach dem offiziel­len Beginn des Faschings oder Karnevals, meine sehr geehrten Damen und Herren. Martin Luther wird ja kein sehr inniges Verhältnis zum Fasching nachgesagt, aber er hat ein sehr gutes Verhältnis zum Humor gehabt: "Verlacht den Feind und sucht Euch jemanden, mit dem Ihr plaudern könnt." – Das halte ich für ein sehr schönes Motto. Das halte ich für einen sehr schönen Einstieg; denn diese Gelassenheit, die wir beim Bearbeiten all unserer Probleme brauchen, die vermissen wir ab und zu in der tagespolitischen Auseinandersetzung und im Gespräch.

Es gibt aber noch ein drittes großes Ereignis: Heute ist Martinstag, der Tag, der Vorbild fürs Teilen geworden ist, mit dem Heiligen, der als Soldat seinen Mantel geteilt hat. Er hat auf sich und auf andere geschaut, einen guten Ausgleich gefunden und damit dazu beigetragen, dass man sensibler wird, dass man feinfühliger wird, dass man zugewandt ist gegenüber den Dingen, die rechts und links von einem liegen.

"Menschen, die sich für mehr als sich selbst interessieren", haben Sie gesagt, liebe Frau Giffey. Ein sehr schöner Satz, der mir gefällt, der zum Sankt Martinstag heute wunderbar passt.

Wir haben aber auch historisch – als gelernter Historiker darf ich darauf verweisen – inte­ressante Tage. Natürlich ist es ein großes Jahr für die Evangelische Kirche, lieber Herr Landesbischof, mit Erinnerung an 1517, an 500 Jahre Reformation, einem Tag, den man groß gefeiert hat.

Vor 400 Jahren ging der Dreißigjährige Krieg los – ein Ereignis, das gerade hier in Würzburg auch tiefe Wunden geschlagen hat, die Feste Marienberg ist nicht weit weg – mit heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen in dieser Region.

Gott sei Dank hat sich beim Thema Ökumene über die Jahrhunderte sehr viel in Deutschland getan. Das sage ich ausdrücklich als Sohn einer evangelischen Vertriebenen aus Schlesien, die einen katholischen Bauernbub aus Niederbayern geheiratet hat. Es war für meine Mutter nicht immer ganz einfach, im tief katholischen Niederbayern einen Weg zu finden. Heute ist alles sehr viel gelassener geworden.

Die Reformation ist insofern ganz spannend; denn es war auch eine Medienrevolution, die wir erfahren durften. Viele Flugblätter, viele Flugschriften, die Propagandakämpfe, die damals zwischen katholischen und evangelischen Bereichen stattgefunden haben, sind ein sehr span­nender Übergang zu einem Leitthema, das Sie sich heute auch gesucht haben, nämlich die Digitalisierung, den Umgang mit neuen Medien, den Umgang mit Fake News, den Umgang mit neuen Kanälen und all den Auseinandersetzungen, die da stattfinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Bayerische Staatsregierung und als Kultus­minister haben wir uns diesem Thema von mehreren Seiten her angenähert. Wir nehmen Geld in die Hand, um Klassenzimmer technisch auszustatten. 150 Millionen Euro sind es in nur einem Jahr, um Beamer, Laptops und all diese Dinge kaufen zu können. Wir haben in den Förderrichtlinien eines festgeschrieben, nämlich, dass wir nur halben Klassensätzen iPads zur Verfügung stellen.

Will die blöde Staatsregierung da schon wieder sparen? Sollen die Kommunen da wieder mehr Geld in die Hand nehmen? – Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Geld wäre nicht das Problem gewesen. Das hätten wir gehabt. Vielmehr steckt die Pädagogik dahinter. Denn jeder Mediendidaktiker, jeder Experte sagt uns zu dem Thema, dass, wenn zwei an einem Gerät zusammenarbeiten, der Lerneffekt höher ist. Es geht darum, dass man sich austauscht, dass man miteinander spricht und dass man gemeinsam Lösungsstrategien für Probleme entwickelt.

Diese Haltung spiegelt sich bereits in den Förderrichtlinien wider, weil wir einen Leitgedanken im Rahmen der Digitalisierung gerade im Unterricht verfolgen: Die Technik dient der Päda­gogik. Die Technik ist kein Selbstzweck, um irgendwo deutlich zu machen, dass wir jetzt modern sind und alle nur noch "wischen". Leider wird dieses Thema in vielen Debatten mit Sachaufwandsträgern, mit Elternbeiräten sehr schnell darauf reduziert: Wir müssen modern sein, wir brauchen das Zeug, weil es die jugendliche Lebenswelt ist. – Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir den jungen Menschen einen vernünftigen Umgang mit diesen Geräten mitgeben müssen.

Kennen Sie noch Peter Lustig? Kennen Sie noch "Löwenzahn"? Er konnte es sich in den 80er-Jahren noch leisten, am Ende seiner Sendung immer zu sagen: Und jetzt schaltet ihr die Kiste bitte ab!

Das wird eine ganze zentrale Aufgabe sein, die wir jungen Menschen mitgeben müssen: dass sie nicht ständig online sind, dass sie nicht ständig verfügbar sein müssen, dass sie nicht ständig sofort antworten müssen. Ich gebe zu, dass wir alle sicherlich die Erwartungshaltung haben, dass unsere eigene SMS oder E-Mail in zehn Minuten beantwortet wird. Deshalb ist es wichtig, dass wir jungen Menschen im Umgang mit diesen neuen Technologien eines mitge­ben: Wir beherrschen die Technik – und nicht die Technik uns.

Darin wird die Haltung des selbstbestimmten, freien Menschen – eine zutiefst religiös geprägte Haltung – deutlich, und diese fließt in die Förderrichtlinien mit ein, weil es genau darum geht, diesen selbstbestimmten, freien Umgang zu vermitteln.

Im Übrigen muss ich immer ein wenig in mich hineingrinsen, wenn ich Zulassungsarbeiten lese. Dort steht dann: Ich zitiere nach Wikipedia vom 25.11., 11:48 Uhr. – Die Uhrzeit muss man mit angeben, weil man sich nicht sicher sein kann, dass diese Angaben in ein paar Tagen noch Gültigkeit haben werden.

Wir müssen den jungen Menschen also auch den Umgang mit dieser Beschleunigung bei­bringen. Wir müssen ihn miteinander entwickeln. Denn auch wir als Erwachsene sind in dieser Maschinerie mit gefordert, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Und weil wir das eine tun, nämlich in der Schulpolitik des Freistaates Bayern intensiv auf diese Digitalisierung zu setzen, dürfen wir das andere nicht vernachlässigen. Deshalb müssen wir auch die Haltung dahinter schulen. Ich habe autoritär mit grünem Stift in den Lehrplänen verfügt, dass im Fach "Informatik" nicht nur Programmiersprachen und Algorithmen vermittelt werden, sondern auch Medienpädagogik und Medienwirkungsforschung.

Die Dinger machen ja etwas mit uns. Wer von Ihnen hat denn keines? – Macht nichts; ich habe zwei davon, keine Sorge! Das beschreibt den Durchschnitt, den wir hier haben. Es gehört zur Lebenswelt dazu, und gerade unseren jungen Menschen müssen wir vermitteln, dass wir uns nicht treiben lassen dürfen, sondern dass wir diese Geräte als Geräte, als Arbeitshilfe nutzen dürfen und müssen, aber nicht als Dinge, die uns bestimmen.

Weil wir das tun, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir auch noch ein paar andere Dinge auf den Weg gebracht. Etwas gegrinst hat der eine oder andere, als wir jetzt eine Direktinitiative auf den Weg gebracht haben. Auch das, liebe Frau Bundesministerin, schafft Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit, gerade vielleicht in ländlicheren Regionen, die wir auch mit denken müssen. Denn sehr viel wird natürlich von städtischen Perspektiven geprägt; wir müssen auch die ländlichen Strukturen beachten.

Sehr viel wichtiger ist mir noch das Thema der Werteinitiative, die wir in diesem Jahr auf den Weg gebracht haben. Das ist nicht die erste, die ich als Kultusminister auf den Weg gebracht habe, und es wird nicht die letzte sein, die in den nächsten Jahren über die Bühne geht. Aber es ist eine, die zum ersten Mal bei uns in Bayern Schülerinnen und Schüler aus der 8. und 9. Klasse zu Wertebotschaftern ausbildet, die Betroffene zu Beteiligten macht, Peer-Group-Learning, genau diese Dinge, die da auch weitergebracht werden müssen, bei der wir zum ersten Mal diesen Akzent ganz besonders setzen, gerade in der 8./9. Klasse. Ich habe einen Achtklässler zu Hause – Höchstphase der Pubertät. Da müssen Sie schon jeden Tag arbeiten, dass Werte wirklich nicht nur theoretisch vorgegeben, sondern auch praktisch gelebt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das große Thema, das wir auf den Weg gebracht haben, sind Sportgrundschulen. Wir haben bei vielen Wettbewerben und Initiativen in den letzten Jahren festgestellt, dass sich die Grund­schulen nur sehr zurückhaltend beteiligen. Wir haben in Bayern etwa 2.200 Grundschulen, und wir haben sonst immer 30, 40, 50 Schulen, die sich beteiligen. Hier haben sich 200 gemel­det. Das beschreibt ein tiefes, tiefes Verlangen, das gerade an den Grundschulen mit gegeben ist, eben nicht nur dazusitzen, nicht nur vor dem Computer zu sitzen, nicht nur im Sinne von Shut-up-Toys diese Dinge zu verwenden.

Stichwort Shut-up-Toy: Wenn Sie mal in einem großen Hotel in einer Ferienanlage sind, dann haben Sie bestimmt schon viele Eltern erlebt, die ihre Kinder ruhigstellen, indem die Kinder in die iPads reinschauen und wischen können. Ich habe auch schon Kinder gesehen, die ver­zweifelt versucht haben, die Bilder weiterzuwischen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen an diesen Stellen die Herausforderungen, aber Sie sehen auch, dass wir Maß und Mitte treffen müssen, als eine der vier Kardinal­tugenden, dass wir auch Leseförderung auf den Weg bringen müssen, mit Büchern – durch­halten, lange Texte lesen können, nicht nur die 30-Sekunden-Slots, die wir bei der digitalen Nutzung typischerweise haben. Das haben wir in den letzten sieben Monaten versucht, in denen ich jetzt hier im Freistaat Bayern für das Thema Verantwortung tragen durfte.

Einen letzten Punkt darf ich ansprechen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war vor einem Jahr zutiefst erschüttert, als ich eine neue Hitparade der Beliebtheit der Schulfächer gefunden habe. Dass Physik auf dem letzten Platz gelandet ist, hat mich nicht überrascht. Aber dass der Religionsunterricht auf dem zweitletzten Platz gelandet ist, das hat mich tief erschüttert, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das muss uns etwas sagen.

Ich bin froh, Frau Schwaetzer, dass Sie sich des Themas annehmen. Denn natürlich ist Religionsunterricht ein ganz zentrales Mittel, um junge Menschen in der Erziehung des Glaubens zu erreichen. Wenn dieses Fach auf dem vorletzten Platz landet, dann haben wir hier dringenden Handlungsbedarf, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich bin froh und dankbar, dass Sie sich dieser Frage stellen, genauso wie sich gestern die katholischen Kolleginnen und Kollegen im Religionslehrerverband hier in Bayern im Schwäbischen getrof­fen haben, um genau dieser Frage nachzugehen: Wie können wir Religionsunterricht so gestalten, dass er junge Menschen in ihrer Lebenswelt erreicht? Das ist etwas, das mich als gläubigen Katholiken, als gläubigen Christen wirklich bewegt, weil wir ein unglaublich tolles Instrument hätten, um mit jungen Menschen arbeiten zu können. Es scheint nicht anzukom­men, so wie es geleistet wird, vielleicht auch mit den Themen, die dort geleistet werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da haben Sie zwei ganz große Themen auf Ihre Fahne geschrieben, mit der Digitalisierung und mit jungen Menschen.

Vor 20 Jahren, als ich in den Landtag eingezogen bin, war ich relativ rasch jugendpolitischer Sprecher. Ich habe die Grundprinzipien der Jugendarbeit, Selbsttätigkeit und Selbstwirksam­keit, verinnerlicht. Das sind die Dinge, mit denen wir ansetzen müssen und die nächsten Wege gehen müssen.

Ich freue mich, dass Sie sich diesen Themen widmen, dass Sie sich viele Tage Zeit nehmen, um die Dinge auch zu durchdringen und nicht nur oberflächlich darüber hinwegzugehen. Ich freue mich, dass Sie mehr tun, als nur auf sich selber zu schauen. Deshalb ist es schön, dass Sie hier beieinander sind. Ich darf Ihnen ganz tolle Gespräche und sehr, sehr gute Ergebnisse wünschen. Alles Gute!

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