Grußwort von Präsident Prof. Dr. Thomas Sternberg

Zentralkomitee der deutschen Katholiken

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(Unredigierte Fassung)

Es gilt das gesprochene Wort

Präsident Prof. Dr. Sternberg (mit Beifall begrüßt): Sehr verehrte und liebe Frau Präses Schwaetzer, Herr Ratsvorsitzender Bedford-Strohm, hohe Synode, Schwestern und Brüder im Glauben! Zunächst einmal einen sehr herzlichen Dank für diese Einladung. Ich bin mir dieser Ehre sehr bewusst. Ich freue mich sehr darüber, dass ich hier eingeladen bin, und das auch noch in diesem Jahr. Denn das ist ja nun ein ganz besonderes Jahr.

Ich habe noch vor ein paar Jahren gedacht: 2017, 500 Jahre Thesenanschlag – das wird ein so überragend evangelisches Ereignis, dass wir als Katholiken am besten mal ein wenig unter Deck gehen und erst 2018 wieder auftauchen. Das ist nichts für Katholiken – zumal wir noch nicht einmal wussten, ob wir das nun „Jubiläum“ oder „Gedenken“ nennen sollten oder einen Bußakt daraus machen sollten. Das war ja alles nicht ganz klar. Und dann kam diese große Überraschung des vergangenen Jahres. Ich muss sagen: Ich bin außerordentlich dankbar – da spreche ich nicht nur für mich, sondern auch für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken – für das, was wir in diesem Jahr erlebt haben.

Reformationsjubiläen waren immer Identitätsbeschreibungen des Protestantischen: 1617, 1717, 1817 mit der Übereinkunft zwischen Lutheranern und Reformierten, 1917 war problematisch mit dem „Mann aus Erz“, Martin Luther. Dann war die Frage: Wie macht man das denn mit 500 Jahren?

Dann ging es mit Paukenschlägen am 31.10. vorigen Jahres los: Die Martin-Luther-Medaille wird an Karl Kardinal Lehmann, den langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, verliehen, und am gleichen Tag umarmt der Papst in Lund eine lutherische Bischöfin im Friedensgruß. Meine Damen und Herren, da hat sich unendlich viel getan. Ich glaube, das, was in diesem Jahr passiert ist, ist in seiner säkularen Bedeutung in der Ökumene überhaupt nicht zu unterschätzen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, die letzten 500 Jahre waren ja wesentlich mitbestimmt durch Streitigkeiten, Abgrenzungen, Kriege, gegenseitige Verwünschungen, die aber auch bis in extreme Unterscheidungen in Mentalitäten und Gewohnheiten reichten. Die großen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts – Kulturkampf, Kontroverstheologie –, wie weit liegt das alles hinter uns!

Dann feierten wir im März in Hildesheim einen sehr bemerkenswerten Gottesdienst, der in vielen Orten in diesem Land wieder gefeiert worden ist, unter dem Motto: Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen. Was in diesem Gottesdienst an gegenseitigem Schuldbekenntnis, an Feststellungen von Gemeinsamkeiten und Absichten geäußert wurde, hat schon durch den liturgischen Charakter, in dem es gesagt worden ist, eine solche Bedeutung, dass man dahinter nicht mehr zurückfallen kann. Ich glaube, damit ist ein Status markiert, der schon einmal einen wichtigen Fortschritt und Weiterschritt bedeutet.

Es sind natürlich weitere wichtige Ereignisse gewesen. Ich erinnere nur daran: Am 16. September hatten wir in Bochum ein gemeinsames Fest. Vieles andere wäre noch zu nennen.

Was hat sich alles geändert? – Es hat sich auch bei uns einiges geändert. Wir haben einen Papst, von dem nicht nur wir Katholiken begeistert sind. Wenn man das einmal vergleicht: 1541 erschien zum ersten Mal das alte Lied „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“. Das war einmal in katholischen Gegenden verboten und wurde zum Teil in Parodie weitergegeben, nämlich weil die zweite Zeile nicht so heißt, wie sie heute im Gesangbuch steht. Die zweite Zeile hieß damals: „Und steure des Papstes und der Türken Mord, die Jesum Christum deinen Sohn stürzen wollen von seinem Thron.“

(Heiterkeit)

Als das Lied damals erschien, hieß es: „Ein Kinderlied, zu singen wider die zween Ertzfeinde Christi und seiner heiligen Kirchen, den Bapst und Türcken.“

(Heiterkeit)

So waren die Zeiten einmal. Wie viel hat sich da geändert! Man muss nicht gleich vor einem Papst-Hype warnen. Aber der neue Ton in den Konfessionsbeziehungen ist schon ganz offensichtlich.

Mit einem Papst hat das ja auch für uns Katholiken zu tun, meine Damen und Herren; denn vielleicht wäre es 1522/1523 dem leider nur kurzfristig regierenden Papst Hadrian VI. gelungen, die Reformimpulse Martin Luthers zu integrieren. Aber: Dieser Papst Adrian galt in Rom als jemand von außen, der die römischen Verhältnisse nicht kennt, der viel zu viel Privilegien beschnitt, der zu viel Reformen macht und der schlichtweg nicht verstanden wurde. Leider ist er schon nach nur 13 Monaten Amtszeit gestorben.

Inzwischen wissen wir, dass Gemeinsamkeiten deutlicher sind. Wir wissen auch Gemeinsamkeiten im Blick auf Martin Luther: die Verankerung in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit und der spätmittelalterlichen Geschichte.

Ich finde, eine wichtige Grundfrage wird uns als Protestanten und Katholiken nicht loslassen, nämlich: „Wie finde ich den gnädigen Gott?“, und das in einer Zeit von Selbstoptimierung, von Happy-Kultur und von dem Bewusstsein einer zumindest persönlichen völligen Schuldlosigkeit. Wie geht man eigentlich mit solchen Grundfragen um? Das sind Fragen, die eignen sich nicht für den großen Auftritt. Aber sie werden wichtig und bemerkt bleiben. Sie werden bei uns im katholischen Bereich genauso diskutiert werden müssen wie im evangelischen Bereich.

Aber das, was hier in diesem Land passiert ist und was passiert, ist ja auch eine Frage des gegenseitigen Kennenlernens. Im Kennenlernen stellt man fest, dass Mentalitätsunterschiede vielleicht doch nicht so groß sind, wie man geglaubt hat, dass sie wären. Diese Mentalitätsveränderung können wir feststellen, nicht zuletzt – das darf ich mit etwas Stolz sagen – auch durch die ökumenischen Kirchentage. 2003 – das war noch ein vorsichtiges Beriechen von Evangelischen und Katholischen. 2010 – die Wahrnehmung, wie groß unsere christliche Gemeinschaft ist, zusammen mit den orthodoxen Kirchen und mit den Gliedkirchen der ACK. Und jetzt die Frage in der Vorbereitung für 2021: Was machen wir 2021?

Ich glaube, wir haben einen großen Auftrag. Wir sollten uns davor hüten, Gemeinsamkeiten nicht alleine in der Frage des Abendmahls zu sehen. Die ist wichtig; ganz ohne Frage. Aber man sollte nicht die ökumenische Frage fixieren und sie auf diese eine Frage reduzieren. Wir haben eine Menge weiterer Fragen, die wir gemeinsam angehen müssen.

Wir werden in einer Gesellschaft, die zunehmend säkularisiert und pluralisiert, schlechterdings nicht mehr als differenzierte Christen wahrgenommen. Wir sind einfach die Christen. Aber wie haben wir uns als Christen in diesem Land dann zu verhalten? Wie stellen wir uns auf?

Die Gemeinsamkeit unserer Positionen wird wichtig. Wie können wir ein überzeugendes Zeugnis für unseren Glauben geben, für eine Menschlichkeit, die eigentlich Christlichkeit ist? Wie können wir gemeinsam auftreten, auch mit anderen Religionen in diesem Land?

Meine Damen und Herren, ich habe im Moment ein große Sorge, nämlich dass hier in diesem Land ein unterschwelliger Antiislamismus entsteht, der Parallelen finden könnte zum Antisemitismus der 20er-Jahre. Wenn wir nicht aufpassen und wenn wir nicht als Christen, als diejenigen, die wissen, was Religion und was Glaube ist, gemeinsam mit frommen Muslimen gegen die Pervertierung von Religion ankämpfen, wenn wir das nicht gemeinsam tun, dann haben wir ein wichtiges Gegenwartsthema verpasst.

Es war schon vom Klimawandel die Rede. Zu reden wäre auch über die großen Themen des Lebensschutzes, die anstehen. Ich nenne die Fragen der internationalen Gerechtigkeit, die auf den ersten Platz der Tagesordnung kommen, spätestens mit dem Blick auf weltweite Migrationsbewegungen. Wie ist es um Europa bestellt? Und vieles andere mehr.

Schwestern und Brüder im Glauben, es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Nein, ich glaube, wir sollten auch Wert darauf legen: Es ist nicht offenbar. Es muss nicht so sein, dass wir unsere Kirchen, unsere evangelische und katholische Kirche in Deutschland nur im Modus des Noch begreifen. Es gibt auch den Modus des Schon – da, wo wir schon wirksam sind, da, wo wir Neues aufgreifen und Neues anpacken.

Auch wir bei uns in unserer Kirche haben ein Thema – übrigens: kirchenintern –, das ich hier in der Synode bei Ihnen zumindest vorgeprägt sehe. Wir haben zwar seit 1976 in der Würzburger Synode eine gewisse synodale Struktur in unserer Kirche, aber nicht auf allen Ebenen und auch nicht ganz durchgeführt. Unser Papst fordert uns auf: Er will eine „chiesa sinodale“, eine synodale Kirche, auch in Deutschland. Wie macht man das? Daran arbeiten wir zurzeit. Darüber denken wir nach. Auch da müssen wir sagen: Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.

(Heiterkeit)

Unser Eintreten für eine Menschlichkeit, die den Menschen unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit sieht, ist für uns auch immer die Frage nach dem gnädigen Gott, aus der wir leben und die wir in die Gesellschaft tragen wollen. Das ist die Frage nach dem, woraus wir als Christen leben, die Frage, was uns trägt, was unser Beistand ist, der uns sprechen lässt, unsere Hoffnung, und der uns dazu bringt, auch weiterhin Jesus Christus zu bezeugen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall)

Grußwort von Präsident Prof. Dr. Thomas Sternberg

Zentralkomitee der deutschen Katholiken