Stellungnahme des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland zu der vom Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. vorgelegten "Islamischen Charta"

Stellungnahme des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland zu der vom Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. vorgelegten "Islamischen Charta"

Januar 2003

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. hat im Februar 2002 der Öffentlichkeit eine "Islamische Charta" vorlegt, die sich als eine Grundsatzerklärung zur Beziehung der Muslime zu Staat und Gesellschaft in Deutschland versteht.

Es ist zu begrüßen, dass einer der muslimischen Dachverbände in Deutschland, auch wenn er nur eine begrenzte Zahl von Muslimen repräsentiert, sich der Aufgabe stellt, eine Auskunft über das Selbstverständnis von Muslimen im Hinblick auf ihren Glauben, zu Grundlagen des deutschen Rechtsstaates, zu Menschenrechten und zum gesellschaftlichen Zusammenleben zu geben. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 ist ein solcher Dialog und die damit verbundene Öffnung noch wichtiger geworden, da dieses Ereignis zu einer Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung geführt hat.

Der Zentralrat sieht eine seiner wichtigsten Aufgaben darin, durch Öffnung und Dialog Vorurteile abzubauen und eine Vertrauensbasis in der deutschen Öffentlichkeit zu schaffen (These 17). Dies wird auch ausdrücklich als Pflicht jedes Muslim betont, nämlich mit anderen gesellschaftlichen Gruppen in einen offenen Dialog über seinen Glauben, seine Überzeugungen und seine Lebenspraxis zu treten. Diese Absicht ist zu begrüßen und sollte eine breite Aufnahme und Unterstützung finden. Die hier vorliegende Stellungnahme zum Inhalt der Charta will die Bereitschaft zum Dialog aufgreifen und einen Gesprächsbeitrag leisten, indem sie zentrale Aussagen der Charta bewertet und kritische Rückfragen stellt.

Muslimische Identität in Europa

Der Zentralrat will mit der vorgelegten Charta Positionen entwickeln, die zur Herausbildung einer eigenständigen muslimischen Identität in Europa führen (These 15). Diese Absicht verdient Unterstützung, da die in Deutschland auf Dauer lebenden Muslime einen Weg der Integration und der positiven Mitgestaltung der deutschen Gesellschaft finden müssen. Denn die Abgrenzung von Teilen der muslimischen Bevölkerung in Rückzugsbereiche und Ghettos, die sich von der übrigen Gesellschaft isolieren, gefährden auf lange Sicht den sozialen Frieden und das Zusammenleben eines Gemeinwesens. Deutschland als Mittelpunkt zu verstehen, in dem und von dem aus sich eine muslimische Identität verstehen muss, wie es der Zentralrat in These 16 formuliert, ist nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig, um Abgrenzungstendenzen und Ghettobildung entgegen zu wirken.

Jedoch wird sich muslimische Identität nicht wie in These 19 ausgeführt, nur "bewahren" lassen. Sie wird sich, gerade wenn sie sich einem offenen Dialog stellt und gesellschaftliche Integration anstrebt, auch selbst im historischen Prozess einer Neuorientierung als Islam in Europa weiterentwickeln. Die Herausbildung einer solchen muslimischen Identität kann nur mit einem ausreichenden Maß an Offenheit gelingen. Es ist positiv zu werten, wenn dabei der Vernunft wie dem Erfahrungswissen eine zentrale Rolle bei einer zeitgemäßen Auslegung der religiösen Quellen des Islam zugewiesen werden (These 15).

Glauben und Lebensgestaltung

In den ersten Thesen der Charta werden die theologischen Grundlagen des Islam formuliert. Es werden die Verbindungen und Gemeinsamkeiten mit Christentum und auch Judentum angesprochen und unter anderem ausgeführt, dass die Muslime auch Moses und Jesus als Propheten verehren. Dennoch besteht der Anspruch des Islam, endgültig und abschließend die ursprüngliche göttliche Wahrheit wiederhergestellt zu haben. Dieser Anspruch lässt keinen Spielraum erkennen, wie ein Dialog auf gleicher Augenhöhe mit anderen Religionen möglich ist. Trotz dieses Anspruches muss ein Dialog auch vom Islam angestrebt werden, vor allem mit Christentum und Judentum. Ein Frieden förderndes Zusammenleben von Religionen und Weltanschauungen ist nur möglich, wenn dieses von Respekt des anderen und Achtung seines Glaubens und seiner Überzeugungen geleitet wird. Dazu sind nicht nur Toleranz und Offenheit, sondern auch die Anerkennung der Würde des Menschen unabdingbar. Wenn der Zentralrat seine Absichtsbekundung eines offenen Dialogs selbst einlösen will, muss er darüber Auskunft geben, wie das Gespräch mit dem Christentum als größter Religionsgemeinschaft in Deutschland geführt werden kann und soll. Es ist deshalb zu wünschen, dass der Zentralrat eine Position dazu erarbeitet, wie er im Rahmen einer muslimischen Identität in Europa sein Verhältnis zum Christentum bestimmen will.

Die Rolle der Frau im Islam wird oft mit einer besonderen Aufmerksamkeit wahrgenommen. Die in These 6 formulierte Aussage schafft jedoch nicht die von vielen erwartete Klarheit. Es wird die Gleichheit der Lebensaufgabe von Männern und Frauen im Islam betont, die der "Erlangung von Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Geschwisterlichkeit und Wohlstand" diene. Ob dies als Rechtfertigung der bestehenden Rollenverteilung der Geschlechter im Islam und damit auch der rechtlichen Benachteiligungen von Frauen zu verstehen ist oder als eine unausgesprochene Kritik, dass Gleichheit und Freiheit noch ausstehen und in gemeinsamer Anstrengung erkämpft werden müssen, bleibt bedauerlicherweise für den Leser der Charta offen. Es fehlt eine klare Aussage dazu, ob Frauen in allen gesellschaftlichen Belangen Männern gleichgestellt sind, wie es das Grundgesetz vorsieht. Gerade in dieser wichtigen Frage zur Rolle von Mann und Frau umgeht der Zentralrat leider eine im Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen dringende Klärung.

Während die in These 8 formulierte Verbindung von Glauben und Lebensgestaltung ähnliche Gedanken im Christentum finden kann, lässt die Äußerung, dass es dem Islam "nicht um Abschaffung des Reichtums, sondern um die Beseitigung von Armut" gehe (These 9), viele Fragen zurück, die sicherlich nicht nur in der Kürze der Formulierungen begründet sein dürften. Es entsteht der Eindruck, als würde Reichtum legitimiert, woraus er sich auch immer speist, und gleichzeitig nicht nach den Ursachen von Armut gefragt. Die Kirchen haben in den zurückliegenden Jahrzehnten eine intensive Diskussion über die ethischen Aspekte wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit, die Ursachen von Armut und Unterentwicklung sowie die Strukturen des Welthandels geführt. Sie haben ihrer Überzeugung in zahlreichen Projekten und in politischen Vorschlägen und Initiativen Ausdruck gegeben. Die islamische Theologie bietet Ansatzpunkte zu einer vertieften kritischen Reflexion des Umgangs mit finanziellen Ressourcen und der Solidarität mit Menschen in Armut.

Religion und staatliche Ordnung

Die Thesen 10 bis 12 formulieren das Verhältnis von Muslimen in Deutschland zu Gesellschaft und Staat. These 10 ist eine an Muslime gerichtete Aufforderung, die durch die Zugangs- und Aufenthaltserlaubnisse sowie durch Einbürgerung übernommenen rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. Diese Klarstellung ist im Grundsatz sehr zu begrüßen. Dass das Wort "grundsätzlich" eingefügt ist, gibt jedoch Anlass zu misstrauischen Rückfragen, ob hier eine Hintertür offen gehalten werden soll, sich in bestimmten Fällen mit der Berufung auf den Islam gegen die Rechtsordnung des Aufenthaltslandes zu stellen. Die Betonung der Rechtstreue der Muslime soll wohl Befürchtungen in der deutschen Gesellschaft zerstreuen. Dies verfehlt aber seine Wirkung, wenn gleichzeitig nicht definierte Ausnahmen und Vorbehalte eingefügt werden. In These 12 heißt es, dass der Zentralrat "nicht auf die Herstellung eines klerikalen 'Gottesstaates'" abziele, vielmehr "das System der Bundsrepublik Deutschland" begrüße. Ist dies so zu verstehen, dass zwar ein "klerikaler Gottesstaat" abgelehnt wird, jedoch eine andere Form islamischer Rechts- und Staatsordnung ein anzustrebendes Ziel bleibt?

Die in These 11 ausgesprochene Zustimmung zur demokratischen Grundordnung Deutschlands ist eine sehr willkommene Klarstellung. Die Erwähnung des aktiven und passiven Wahlrechts der Frau kann man so deuten, dass der Zentralrat berufliche und politisch-öffentliche Funktionen auch von muslimischen Frauen gutheißt. Besonders hervorzuheben ist die Feststellung, dass ein "Recht, die Religion zu wechseln, eine andere oder gar keine Religion zu haben", bestehe. Diese Überzeugung, die unmissverständlich auch einen Wechsel aus dem Islam in eine andere oder keine Religion einschließt, ist keineswegs eine überall im Islam geteilte Rechtsauffassung. Umso mehr ist diese Position zu unterstützen und zu hoffen, dass der Zentralrat diese im innerislamischen Gespräch erfolgreich vertreten wird. Der Zentralrat sollte auch bei Äußerungen zu anderen Gelegenheiten diese Auffassung unterstreichen, da anders lautende Formulierungen Zweifel aufkommen lassen. Auch in mehrheitlich muslimischen Ländern sollte diese Rechtsposition übernommen werden, die Bestandteil des internationalen Völkerrechts ist (siehe Art. 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und Art. 9 der Europäische Menschenrechtskonvention von 1950).

Der Zentralrat sucht in These 13 eine weitgehende Übereinstimmung zwischen islamischer Lehre und dem Kernbestand der Menschenrechte zu formulieren. Es ist positiv hervorzuheben, dass man eine Übereinstimmung im Kernbestand, insbesondere dem Schutz des Individuums vor dem Missbrauch staatlicher Gewalt, sieht und dabei erneut auf die Notwendigkeit der Anerkennung der "lokalen Rechtsordnung" hinweist. Doch gleichzeitig bedeutet die Formulierung "Kernbestand", dass bestimmte Bereiche der internationalen Menschenrechtserklärungen nicht als verpflichtend angesehen werden. Der Zentralrat scheint in seiner Auffassung der Position islamischer Menschenrechtserklärungen (von 1981 und 1990) zu folgen, in denen Menschenrechte als Geschenk und Gnade Gottes verstanden und an die Erfüllung religiöser Pflichten gebunden werden. Angesichts der Befürchtungen, die sich nicht nur bei Nicht-Muslimen, sondern auch in großen Teilen der muslimischen Bevölkerung mit einer konservativen Interpretation der Scharia verbinden, trägt diese These nicht zur Vertrauensbildung bei, sondern bestätigt vorhandene Befürchtungen. Es ist dringend erforderlich von muslimischer Seite klarzustellen, dass Verstöße gegen grundlegende Prinzipien der Allgemeinen Menschenrechte nicht religiös gerechtfertigt und legitimiert werden dürfen. Dass der Zentralrat erfreulicherweise wiederum in These 18 "Menschenrechtsverletzungen überall in der Welt" verurteilt, lässt Fragen offen, welche Tatbestände er unter "Menschenrechten" gefasst wissen möchte. Zu der in These 13 der Charta verwendeten Formulierung "westliche Menschenrechtserklärung" muss angemerkt werden, dass die Erklärung der Menschenrechte zwar ihren historischen Ursprung in westlichen Ländern hat, dass jedoch in diese auch Aspekte anderer Kulturen aufgenommen wurden und dass die Erklärung bis auf wenige Länder der muslimischen Welt allgemeine und weltweite Anerkennung gefunden hat.

Innenpolitische Ziele

Die Charta formuliert (in These 20) eine Reihe innenpolitischer Ziele, die eine "würdige muslimische Lebensweise" in Deutschland sichern sollen.

Die Einführung eines deutschsprachigen islamischen Religionsunterrichtes und die Einrichtung von Lehrstühlen zur akademischen Ausbildung islamischer Religionslehrer und -lehrerinnen sowie Vorbeter (Imame) werden im Grundsatz auch von den Kirchen unterstützt. Die EKD hat in ihrer Stellungnahme „Religionsunterricht für muslimische Schülerinnen und Schüler“ (Hannover 1999) auf die integrationspolitische Bedeutung der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts nach Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes hingewiesen und die erforderlichen Bedingungen zu einer Umsetzung formuliert. Es ist die Aufgabe der muslimischen Organisationen, ihren entsprechenden Beitrag zur Umsetzung dieses Zieles zu leisten.

Die Genehmigung des Baues von innerstädtischen Moscheen muss neben den Regelungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechtes auch den örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen und möglichst im Konsens mit der Nachbarschaft geschehen. Der durch Lautsprecher verstärkte Gebetsruf enthält eine regelmäßige, öffentliche, verbale Verkündigung konkreter Glaubenssätze und kann nicht mit dem Glockengeläut der christlichen Kirchen verglichen werden. Insofern kollidiert ein solcher Gebetsruf mit der Religionsfreiheit anderer und findet deshalb nicht unsere Zustimmung. Wo dennoch ein durch Lautsprecher verstärkter Gebetsruf für zulässig erklärt wird, sind die Kriterien der Sozialverträglichkeit und der Größe der betreffenden Religionsgemeinschaft sowie die entsprechenden Regelungen des Immissionsschutzgesetzes zu beachten.

Die Respektierung islamischer Bekleidungsvorschriften in Schulen und Behörden ist an der Neutralitätspflicht des Staates zu messen. Auf dieser Grundlage sind zu Lasten kopftuchtragender Lehrerinnen eine Reihe entsprechender Entscheidungen ergangen. Zuletzt hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 4.7.2002 das Tragen eines Kopftuches untersagt. Gegen diese Entscheidung ist mittlerweile Verfassungsbeschwerde eingelegt worden.

Eine Beteiligung von Muslimen an den Aufsichtsgremien der Medien muss neben dem Grundsatz der Parität auch der Rechtsstruktur der jeweiligen Religionsgemeinschaften Rechnung tragen und dürfte deshalb gegenwärtig nicht möglich sein.

Der Schutz von Feiertagen ist Sache der Bundesländer. Traditionelle christliche Feiertage sind aufgrund ihres Charakters als Teil des religiösen und kulturellen Erbes als gesetzliche Feiertage geschützt, ebenso die Festlegung des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe. Anderen Religionen ist vor diesem Hintergrund in besonderer Weise die Ruhe ihrer Feiertage zu gestatten und zu erleichtern. Die Arbeitsbefreiung zu Gottesdiensten, vorwiegend etwa zum Freitagsgebet, ist zu gewähren, soweit nicht betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen. In entsprechender Weise ist die Zeit des Ramadan zu beachten.

Es sollte mit besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden, dass sich der Zentralrat (in These 18) als Gesprächs- und Aktionspartner in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen anbietet. Genannt werden Aktivitäten zur Förderung von Toleranz und Ethik, zum Umweltschutz, zum Tierschutz, zur weltweiten Verteidigung der Menschenrechte, im Kampf gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus und Gewalt. Die langjährige Mitwirkung von Vertretern des Zentralrates in der Vorbereitung und Durchführung der Woche der ausländischen Mitbürger/Interkulturelle Woche, in die in der Regel auch der Tag der offenen Moschee fällt, sowie die Zusammenarbeit des Zentralrates mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirche in Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland im Rahmen des Arbeitsvorhabens zur Überwindung von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Gewalt als auch die Zusammenarbeit und Kontakte mit zahlreichen anderen kirchlichen Partnern lassen erkennen, dass diese Absichtsbekundung an bestehende Kooperationen anknüpfen und diese weiterführen kann.

Klärungsprozess fortführen

Die Charta ist ein Dokument der Bemühung um Bewahrung der muslimischen Identität bei der gleichzeitigen Absicht, die Integration in die deutsche Gesellschaft zu fördern und eine eigenständige Kontur eines europäischen Islam zu entwickeln (These 19). Dieses ist ein mutiger Schritt, der Respekt, Anerkennung und kritisch sachliche Antworten verdient, der aber auch zahlreiche Unklarheiten und Widersprüche zurücklässt und wichtige Themen nicht anspricht.

Zu den Fragen, die einer dringenden Klarstellung bedürfen, zählt unter anderem die Beurteilung von Gewaltanwendung und die Rolle von Körperstrafen im islamischen Recht. Wenn es gelänge, nicht nur ausstehende Antworten zu formulieren und in der Charta beschriebene Positionen weiterzuentwickeln, sondern diese auch dem kritischen Dialog mit anderen gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland auszusetzen, wäre eine neue Qualität im Verhältnis von Muslimen und nicht-muslimischer Bevölkerung in Deutschland erreicht.

Die Charta ist vornehmlich eine Erklärung gegenüber der nicht-muslimischen Bevölkerung in Deutschland. Gleichzeitig verfolgt die Charta auch das Ziel, Selbstverpflichtungen für Muslime zu formulieren und Positionen für einen innermuslimischen Klärungsprozess zu beziehen. Es liegt in der Hand anderer muslimischer Verbände, sich zu den vom Zentralrat bezogenen Positionen zu verhalten und damit einen unter Muslimen in Deutschland angestoßenen Dialog aufzugreifen und weiterzuführen. Angesichts der Tatsache, dass es islamistische und nationalistische Gruppen gibt, die einer Integration skeptisch gegenüber stehen bzw. diese explizit nicht wollen, bildet die Charta eine Herausforderung und einen wichtigen Anstoß zu einem Selbstklärungsprozess.

Die Bemühungen um Identitätsfindung, Anerkennung und Integration von Muslimen in Deutschland und um die Gestaltung und Vertiefung des Dialoges zwischen Christen und Muslimen können nicht getrennt gesehen werden von der Situation von Christen und Kirchen in muslimischen Ländern. Die faktische Situation der direkten oder indirekten Beschränkung der Freiheit zur Ausübung der Religion in zahlreichen muslimischen Ländern - oder sogar die gänzliche Versagung jeglicher Betätigung nicht-muslimischer Religionsausübung in Saudi-Arabien - widerspricht den aus den internationalen Konventionen resultierenden Verpflichtungen wie auch den in etlichen dieser Ländern bestehenden Verfassungsgarantien. "Die Evangelische Kirche in Deutschland erwartet von den Regierungen islamisch geprägter Staaten für ihre christlichen Glaubensgeschwister, die in islamischen Mehrheitsgesellschaften leben, dass sie ihnen die Freiheit zur Ausübung ihres Glaubens gewährleisten." (Handreichung der EKD "Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland", 2002, S. 8)

Hannover, Januar 2003