Wo Glaube wächst und Leben sich entfaltet

15. Zusammenfassung und Ausblick:

Zukunftsperspektiven der Kindertagesstätten in evangelischer Trägerschaft im Raum der EKD

(1) Bildung ist nach christlichem Verständnis ein umfassendes Geschehen der Persönlichkeitsentwicklung. Der christliche Glaube weiß um die Bestimmung jedes einzelnen Menschen zum Ebenbild Gottes. Daran haben sich alle Bemühungen um Bildung auszurichten. Im lebenslangen Prozess der Persönlichkeitsbildung ist die Phase der Elementarbildung von grundlegender Bedeutung.

(2) Stand in den evangelischen Kindertagesstätten bis vor einigen Jahren vor allem das diakonische und sozialpädagogische Profil im Vordergrund, so ist heute zunehmend deutlich geworden, dass evangelische Kindertagesstätten wesentlich Bildungseinrichtungen mit einem eigenen Bildungsauftrag sind. Dazu gehört vor allem das Bemühen um eine frühe Förderung aller Kinder in allen Dimensionen einer kindgemäßen Bildung.

(3) Religiöse Erziehung hat darin einen selbstverständlichen Platz. Evangelische Kindertagesstätten müssen auch, ja, vor allem, Orte religiöser Bildung sein. Daraus ergibt sich, dass ein wesentliches Kennzeichen evangelischer Kindertagesstätten ihre religionspädagogische Arbeit mit Kindern ist. Sie eröffnet den Kindern, unabhängig von dem religiösen Hintergrund, den sie mitbringen, eine spezifische christliche Daseins- und Handlungsorientierung und lädt sie zu einer konstruktiven und eigenständigen Beschäftigung mit dem christlichen Glauben ein.

(4) Die Qualität der religionspädagogischen Arbeit mit Kindern beruht auf der religionspädagogischen Ausbildung ihrer Erzieher/ innen sowie auf der Bereitschaft der Träger und der Elternschaft, in Prozesse der Qualifizierung und Steigerung der eigenen Erziehungs- und Bildungskompetenz einzutreten.

(5) Zur Bildungsverantwortung der evangelischen Kirche gehört es angesichts der größer gewordenen Schere zwischen Kindern in begünstigten und benachteiligten Lebenslagen auch, in den eigenen Einrichtungen soziale Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit zu fördern. Angebote zur Unterstützung der elterlichen Erziehungsleistung, die über die Betreuung der Kinder hinausgehen, müssen ausgebaut werden. Zum evangelischen Selbstverständnis gehört es ferner, Kinder mit Behinderungen in den Alltag der Kindertagesstätte zu integrieren.

(6) Eine umfassende und nachhaltige Reform der Aus- und Fortbildung der Fachkräfte ist nötig. Anzustreben ist, im Rahmen der gegebenen finanziellen Rahmenbedingungen, die Erreichung des Fachhochschulniveaus zumindest für das Leitungspersonal der Einrichtungen. Professionalisierungsmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Effizienz zu evaluieren.

(7) Auf Gemeindeebene sollten Kindertagesstätten in ein gemeindepädagogisches Bildungskonzept eingebunden werden, das auch den Zusammenhang mit dem Kindergottesdienst, der gemeindlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie der Grundschule verdeutlicht.

(8) Insgesamt sollte sich die evangelische Kirche als Trägerin von Kindertagesstätten noch mehr als bisher für die Stärkung der Leistungsfähigkeit dieser Einrichtungen in ihrer Bildungsfunktion engagieren.

(9) Zugleich erinnert die evangelische Kirche den Staat an die Wahrnehmung seines Bildungsauftrages, der sich mit dem spezifischen Bildungsauftrag der Kirche überschneidet, ohne mit ihm identisch zu sein. Sie wirkt darauf hin, dass er die dem Rechtsanspruch unterliegenden Kindertagesstättenplätze zunehmend staatlich voll finanziert und, sofern dies von den finanziellen Rahmenbedingungen her möglich ist, Beitragsfreiheit gewährleistet.

(10) Ein doppelter Paradigmenwechsel in Kirche und Gesellschaft ist nötig: zugunsten der Kinder und zugunsten von Bildung. Beides ist miteinander zu verbinden in einer umfassenden, theologisch fundierten Bildungstheorie sowie in einer spezifischen Konzeption von christlicher Elementarbildung.

(11) Die Zukunft von Kirche und Gesellschaft und die Zukunft der evangelischen Kindertagesstätten sind eng miteinander verknüpft. »Die Zukunft lernt im Kindergarten.«(17)

Fußnote:

17. Donata Elschenbroich, a.a.O., 49.


Mitglieder der Kommission des Rates der EKD

Doris Beneke, Stuttgart
Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis, München
OLKR’in Dr. Kerstin Gäfgen-Track, Hannover
Direktor Prof. Dr. Hans-Martin Lübking, Villigst
Prof. Dr. Richard Münchmeier, Berlin
Dr. Johann Daniel Noltenius (Vorsitz), Bremen
OLKR Dr. Eberhard Stock, Kassel
Ilse Wehrmann, Bremen
OKR Dr. Eberhard Pausch (Geschäftsführung), Hannover