Chancen und Risiken der Mediengesellschaft

2. Medien im Spannungsfeld von Werten und Zielen

Weder Technik noch Ökonomie beantworten selbst die Frage, für welche Ziele sie eingesetzt werden sollen und wie ihre Wirkungen zu bewerten sind. Die Bewertung und die ethische Entscheidung bleiben immer eine Aufgabe des Menschen. Das Handeln und Urteilen ist dabei nie nur an einer Zielvorstellung ausgerichtet, sondern es spielen verschiedene Zielvorstellungen und Wertorientierungen eine Rolle, die gegeneinanderstehen können und bei denen eine Güterabwägung vorgenommen werden muß. Diese Wertorientierungen stehen in engem Zusammenhang mit dem Bild des Menschen und der menschlichen Gesellschaft. Sie sind teilweise rechtlich durch das Grundgesetz verbrieft (für den Bereich der Kommunikation insbesondere durch Art.5 GG mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, Informationsfreiheit, Presse- und Rundfunkfreiheit sowie mit dem Zensurverbot) und entstammen der christlichen Anthropologie und Ethik sowie anderen Quellen und Traditionen. Auch über die Medien selbst werden grundlegende individuelle und soziale Werte geprägt und verändert.

Zwischen verschiedenen Zielvorstellungen bestehen nicht selten Spannungen. Zudem kann die Verwirklichung von positiv zu bewertenden medienpolitischen Zielvorstellungen in Teilbereichen auch zu unerwünschten Folgen führen. Es ergeben sich daraus Zielkonflikte, die sich in der ethischen Entscheidungsfindung nicht einfach zugunsten einer Seite auflösen lassen, sondern Zielvorstellungen, Wertorientierungen und mögliche Folgen müssen gegeneinander abgewogen werden. Aus diesem komplexen Geflecht werden im folgenden einige Konflikte typisiert. Die Aufzählung ist weder erschöpfend, noch stellt die Reihenfolge eine Rangfolge dar.

2.1. Technische Machbarkeit und Sozialverträglichkeit

Ein grundlegender Konflikt bei der Beurteilung der Medienentwicklung besteht zwischen den Zielen der technischen Machbarkeit und der Sozialverträglichkeit. Nicht alles, was technisch und ökonomisch möglich ist, fördert das Zusammenleben der Menschen. Den Möglichkeiten des technisch Machbaren steht die Frage ihrer sozialen Wünschbarkeit und ihrer Sozialverträglichkeit gegenüber. Dieser Konflikt ist keineswegs auf den Bereich der Kommunikationsmedien beschränkt, sondern ist für hochtechnisierte, fortgeschrittene Industriegesellschaften typisch und läßt sich an einer Reihe anderer Sachverhalte ebenfalls darstellen.

Die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung ist hoch; dagegen entwickeln sich die Fähigkeiten und technischen Fertigkeiten vieler Menschen sowie die Lernprozesse in der Gesellschaft im Umgang mit neuen Techniken erst langsam. Die Frage lautet, ob es in Zukunft gelingt, einen Gleichklang zwischen technischer Entwicklung und menschlicher sowie gesellschaftlicher Entwicklung zu erreichen. Keinesfalls darf es dazu kommen, daß die technische Entwicklung im Eiltempo verläuft, der Mensch aber unter dem beschleunigten Anpassungsdruck nicht mehr Schritt halten kann und am Ende zum Verlierer eines von ihm selbst inszenierten Wettlaufs wird. Gesellschaftlich findet durch die neuen Kommunikationsmedien eine weitere soziale Differenzierung statt. Für einen Teil der Bevölkerung bringen die neuen Kommunikationsmedien einen Zugewinn an Möglichkeiten, andere werden durch das Tempo der Entwicklung abgehängt. So läßt sich zwar vorab nicht eindeutig festlegen, was sozialverträglich ist, es lassen sich aber ethische Orientierungen formulieren, an denen die Sozialverträglichkeit neuer Medientechniken zu prüfen ist.

Neben dem Kriterium der Sozialverträglichkeit sind zwei weitere Kriterien für die Beurteilung einer Technik notwendig: Humanverträglichkeit und Verträglichkeit in internationalen Zusammenhängen.
Durch die Humanverträglichkeit soll sichergestellt werden, daß der Mensch in seiner Würde und Freiheit geachtet wird, seine eigenen Schöpfungen sich nicht gegen ihn kehren und auch die Chancen zukünftiger Generationen berücksichtigt werden. Die Überprüfung auf "internationale Verträglichkeit" soll verhindern, daß den ärmeren und unterentwickelten Ländern weitere Nachteile entstehen, weil sie sich die neuen Technologien nicht leisten können und deshalb im Wettbewerb noch weiter zurückfallen.

2.2 Selbstentfaltung und Entfremdung

2.2.1 Vielfalt und Desorientierung

Vielfalt ist ein zentraler Wert der demokratischen kommunikationspolitischen Ordnung. Ein vielfältiges Medienangebot dient der Integration des einzelnen Menschen in die Gesellschaft, es eröffnet ihm die Chance, am öffentlichen Leben teilzunehmen und vermittelt ihm soziale Normen. Ein vielfältiges Medienangebot entspricht der demokratischen Gesellschaft, weil die unterschiedlichen Meinungen zur Geltung kommen und die Vielfalt der Meinungen sich auch in den Medien widerspiegelt. Durch diesen Pluralismus soll der Mißbrauch von Macht verhindert werden. Damit sind die Medien Voraussetzung und Mittel der Partizipation. Sie schaffen zudem einen Vorrat von Themen, die alle Bürgerinnen und Bürger mehr oder minder gemeinsam betreffen, und prägen damit auch die Primärkommunikation.

Im letzten Jahrzehnt hat sich das Medienangebot in Deutschland explosionsartig vermehrt. Dieser Prozeß wird sich weiter fortsetzen. Damit ist die Chance einer größeren Angebotsvielfalt gewachsen. Umstritten ist, ob und in welchem Maße durch die Vermehrung der Angebote eine größere Vielfalt tatsächlich bereits eingetreten und auch weiterhin zu erwarten ist. Es lassen sich einerseits Anzeichen für einen Trend zur Standardisierung gewisser (Fernseh-)Programme nicht übersehen. Andererseits gibt es einen Zusammenhang zwischen der Vielzahl der Angebote und den Wahlmöglichkeiten für das Publikum. Ebenso umstritten bleibt die Frage, wie Vielfalt definiert werden soll. Wird sie auf Medien und Mediengattungen, auf Darstellungsformen, (Programm-) Inhalte und Themen oder auf Informationen und Meinungen bezogen? Zudem kann selbst hinter einer offensichtlichen Angebotsvielfalt ein Anbietermonopol stehen. Die Menge der Medienangebote allein schließt also eine mögliche Manipulierbarkeit der Mediennutzerinnen und -nutzer durch die Medien nicht aus.

Die Steigerung der Vielzahl und der Vielfalt der Angebote bringt die Gefahr mit sich, daß die Orientierung des einzelnen in seiner Lebenswelt erheblich erschwert wird und er im Überfluß des Medienangebots die Orientierung verlieren kann. Durch Desorientierung erhöht sich wiederum die mögliche Manipulierbarkeit durch die Medien. Gerade die Medien sollen den Menschen jedoch Hilfen zur Orientierung in der Welt bieten. Es ist möglich, daß für die Mediennutzenden in Zukunft eine gezielte Auswahl aus der Vielfalt schwieriger sein wird oder daß die Vielfalt für einen besseren Überblick wieder künstlich reduziert werden muß. Auch dadurch können eine umfassende Realitätswahrnehmung beeinträchtigt und damit zugleich Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Die Expansion der Massenmedien fördert seit langem die gesellschaftliche Differenzierung, in deren Folge es wiederum zu einer stärkeren Spezialisierung der Medien kam. In der Vergangenheit sind zunehmend Publikationen und Programme entstanden, die ganz bestimmte Themen behandeln und sich damit nur an Teilsegmente der Gesellschaft wenden. Dies gilt insbesondere für die Fachpresse, aber auch für Periodika, die man heute als "special interest"-Blätter bezeichnet. In den sich neuerdings etablierenden Spartenkanälen zeigt sich etwas Ähnliches auch im Fernsehen. Das Internet wird man als ein großes Netzwerk von Spezialangeboten für jedes nur mögliche Interesse bezeichnen können.

Aus dieser Entwicklung wird die Gefahr einer gesellschaftlichen Desintegration abgeleitet. Sie kann sich durch die neuen Techniken verstärken, und zwar durch Individualisierung des Medienkonsums, durch eine Fragmentierung und Polarisierung des Publikums bis hin zur Vereinsamung des Mediennutzers. Erschwert wird dadurch eine gesellschaftliche Konsensbildung, so daß Verfahren zur Stärkung der gesellschaftlichen Integration und zur Beteiligung vieler an den politischen Prozessen gefunden werden müssen.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Medien auch bisher schon desintegrierende Wirkungen hatten (z.B. durch die Betonung von Konflikten und die Darstellung von Normverletzungen). Mit der Betonung des Wertes der gesellschaftlichen Integration durch Medien wird zuweilen lediglich der Status quo oder sogar der frühere Zustand des bundesdeutschen Mediensystems verteidigt. Ein Ergebnis der gesellschaftlichen Desintegration ist freilich auch die Autonomie von Einzelnen und von Gruppen. Es ist daher schwer auszumachen, von welchem Punkt an zunehmende Individualisierung und Differenzierung tatsächlich zu einer den einzelnen und das Gesellschaftssystem bedrohenden Desintegration führen.

2.2.2 Identität und Entfremdung

Voraussetzung für die Herausbildung der eigenen Persönlichkeit eines Menschen ist die Erfahrung von Realität innerhalb der eigenen unmittelbaren Lebenssphäre wie auch in Hinsicht auf seine weitere Umwelt. Dazu können die Medien einen entscheidenden Beitrag leisten, indem sie über die eigene Lebenswelt und die größeren Zusammenhänge, wie auch über andere Kulturen und Wertsysteme informieren. Es droht aber eine Entfremdung von der eigenen Lebenswelt, wenn der einzelne laufend durch internationale Medienangebote mit fremden Wertsystemen und Wirklichkeiten konfrontiert wird. Realitätsverlust droht, wenn die Mediennutzung nicht in einen sinnvollen Zusammenhang mit primären sozialen Erfahrungen gebracht werden kann oder wenn (Unterhaltungs- ) Medien zur Flucht aus der Wirklichkeit genutzt werden, um über Defizite und Frustrationen der sozialen Umgebung hinwegzukommen. Neue Möglichkeiten für solchen Eskapismus scheint künftig die virtuelle Realität zu bieten. So unzweifelhaft sich hierin den Menschen neue Erlebniswelten eröffnen, die neue Kreativität und Phantasie ermöglichen, so kontrovers bleibt die Einschätzung ihrer psychischen und sozialen Folgen.

Die Frage nach der Identität stellt sich auch in der Forderung nach Bewahrung nationaler oder kultureller Identität, wie sie vor allem von Vertreterinnen und Vertretern der Dritten Welt in der Debatte um eine neue Weltinformationsordnung und um den westlichen "Kulturimperialismus" erhoben wurde. In der Dominanz westlicher Nachrichtenangebote und vor allem US-amerikanischer Film- und Fernsehprogramme wird die Gefahr der Selbstentfremdung, eines Verlusts eigener kultureller Werte und Traditionen gesehen. Ganz ähnlich ist in jüngerer Zeit auch auf europäischer Seite argumentiert worden, um die Übernahme amerikanischer Produktionen auf dem eigenen Markt einzudämmen. Dies steht im Widerspruch zu einem anderen Grundwert liberal-demokratischer Kommunikationsordnungen, zum Prinzip des freien Informationsflusses. Dieses Prinzip soll die freie Meinungsbildung und die freie Mediennutzung in allen Ländern sichern helfen und ist damit ein Fundament einer demokratischen Gesellschaft. Der freie Informationsfluß, der Austausch von Informationen und Medienangeboten findet allerdings aus unterschiedlichen Gründen derzeit nur sehr einseitig statt; nach wie vor werden Medienangebote und der Informationsfluß von den reichen Industrienationen dominiert.

2.3 Freiheit und Verantwortung

2.3.1 Freiheit und gesellschaftliche Kontrolle

Freiheit ist nach Verfassung und Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland und nach den Prinzipien einer liberalen Demokratie ein grundlegender Wert unserer Kommunikationsordnung. Es ist das Ziel, die freie Entfaltung des einzelnen in der Herstellung, Verbreitung und Nutzung von Medienangeboten zu sichern. Eine Grenze findet die Freiheit dann, wenn grundlegende Rechte anderer berührt oder beeinträchtigt werden.

In den Medien sind Zensur und staatliche Kontrolle aufgrund des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nicht zulässig. Dennoch sind Formen einer gesellschaftlichen Kontrolle notwendig. Sie ist in der Form der bestehenden Rundfunkräte die Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und - vermittelt durch die Medienanstalt des jeweiligen Bundeslandes - auch für den privaten Rundfunk. Im Rundfunk bieten solche Formen gesellschaftlicher Kontrolle am ehesten die Gewähr, daß er nicht Einzelinteressen ausgeliefert wird, sondern der gesamten Gesellschaft und dem Gemeinwohl verpflichtet bleibt.

Auch für den privaten Rundfunk sind Kontrollmechanismen unverzichtbar. Selbst wenn die Übertragungswege (ob Frequenzen, Kabel oder Satellit) eine beliebige, unkoordinierte Nutzung zuließen, müßte eine Form von Kontrolle über die Zulassungsbedingungen gewährleistet sein. Darüber hinaus sind von den privaten Rundfunkanbietern inhaltliche Vorgaben ("Grundstandard") einzuhalten. Diese sind von den Landesmedienanstalten ebenso zu kontrollieren wie bestimmte markt- und unternehmensspezifische Vorkehrungen. Ob die Kontrolleinrichtungen für den privaten Rundfunk ihre Befugnisse hinreichend wahrnehmen und ob die Maßgaben dafür zweckmäßig und hinreichend sind, ist umstritten.

Mit der Einrichtung von Formen der freiwilligen Selbstkontrolle [wie z.B. dem Deutschen Presserat, der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)] versuchen private Anbieter einer möglichen Fremdkontrolle zuvorzukommen. Im Interesse einer freiheitlichen Medienordnung sind Instrumente der Selbstkontrolle zu begrüßen, ihre Wirksamkeit darf aber nicht überbewertet werden. Ihnen fehlen in der Regel die Einflußmöglichkeiten auf die Programme oder die Sanktionskraft, wie sie gesetzlichen Regelungen eigen ist, die allerdings ihrerseits leicht mit dem Zensurverbot der Verfassung in Widerstreit geraten können.

Eine weitere Möglichkeit der gesellschaftlichen Kontrolle sind Formen, bei denen die Öffentlichkeit selbst für gewisse Kontrollaufgaben eingesetzt wird: z.B. indem durch gesetzliche Vorschriften die Transparenz von Medienunternehmen gesichert wird, oder durch die Einrichtung eines auch von den Kirchen vorgeschlagenen unabhängigen Medienrates beim Bundespräsidenten.

Jede Form der Kontrolle, die dazu dient, Freiheitsrechte zu sichern, kann aber selbst zur Einschränkung von Freiheitsrechten führen. Auch bei grundsätzlicher Akzeptanz der Form gesellschaftlicher Kontrolle durch Gremien von Vertreterinnen und Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen, müssen doch die Kontrollmechanismen immer wieder auf ihre Zweckmäßigkeit hin befragt werden, also ob durch sie tatsächlich eine Kontrolle durch die Gesellschaft ermöglicht wird.

Die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Kontrolle wird besonders bei der Darstellung von Gewalt und Sexualität in den Medien gesehen. Wird die in der Kommunikationsordnung gesicherte Freiheit als grenzenlos ausgelegt, gerät sie in Konflikt mit ethischen Grundsätzen, die einem christlichen Menschenbild eigen sind. Die Einhaltung sittlicher Grundmaximen ist aber unerläßlich für die Wahrung der Würde der menschlichen Person und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Gerade bei der Darstellung von Sexualität und Gewalt scheint es kaum mehr möglich zu sein, in der pluralistischen Gesellschaft verbindliche Normen vorzugeben. Grundsätzliche Einigkeit besteht allenfalls noch in den Fragen des Jugendschutzes. Eines allerdings ist sicher: Die Gesellschaft kann sich die wahrnehmbare Aushöhlung sittlicher Werte der individuellen und sozialen Existenz nicht leisten. Insofern verdienen auch Glaube und Religion Schutz vor öffentlicher Verächtlichmachung.

Der Stellenwert einer journalistischen Berufsethik ist mit der Expansion der Medien höher geworden, gleich ob man sie als Individualethik oder Organisationsethik begreift. Dabei geht es sowohl um die Methoden der Recherche und der journalistischen Aufmachung als auch darum, wie Journalistinnen und Journalisten mit den Akteuren in ihrer Berichterstattung umgehen, wie sie ihre Rolle gegenüber dem Publikum auffassen und wie sie die Folgen ihres Tuns verantworten.

2.3.2 Autonomie und Fremdbestimmung

Die Freiheit des Menschen verwirklicht sich in einer möglichst weitgehenden Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Der Konflikt zwischen Autonomieinteressen und Fremdbestimmung taucht im Medienbereich in verschiedenen Varianten auf.

Einerseits gibt es die Abhängigkeit des Publikums von Journalistinnen und Journalisten sowie anderen Medienschaffenden. Nur das, was ihre Auswahl überwindet und in das Medienangebot eingeht, kann auch vom Publikum wahrgenommen werden. Andererseits gibt es eine "Souveränität" des Publikums, frei nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen aus diesem Angebot auszuwählen. Zudem existiert der Druck der Einschaltquoten, der als "Jagd nach dem Massengeschmack" beklagt oder als Mittel, das Angebot an die Nachfrage rückzubinden und den Einfluß der Konsumenten zu stärken, betrachtet werden kann. Offen bleibt die Frage, wie es dann um die Einflußmöglichkeiten kleinerer Zuschauergruppen bestellt ist.

Nicht neu ist das Problem der Abhängigkeit der Journalisten und Programmacher von den Eigentümern der Medien, das vor allem die Diskussion um die innere Pressefreiheit beherrscht hat. Abhängigkeiten gibt es auch im Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern. Einerseits sind Journalisten auf Politiker nicht nur als Informanten angewiesen; denn mitunter haben sie - besonders im öffentlich-rechtlichen Rundfunk - ihre Position ihrer Parteizugehörigkeit zu verdanken. Andererseits sind Politiker von Journalisten abhängig, weil die politische Tagesordnung nicht selten durch die Medienthemen bestimmt wird. Dies bedeutet einen Autonomieverlust des politischen Systems und einen Machtzuwachs der Massenmedien. Eine Folge davon ist die Vermehrung "symbolischer", bloß auf Medienwirksamkeit zielender Politik. Ähnliche Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten bestehen in der Wirtschaftspublizistik zwischen Journalisten und Managern.

Allgemein besteht die Gefahr einer zunehmenden Abhängigkeit der Journalisten von Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations (PR). Wer die Rolle der Medien im Sinne eines reinen Informationstransfers versteht, wird dies nicht beklagen und PR eher als unentbehrliche Ressource ansehen. Wer aber die Aufgabe der Medien auf dem Hintergrund eines journalistischen Selbstverständnisses als Faktor der öffentlichen Kontrolle sieht, dem erscheint eine solche Abhängigkeit als Beeinträchtigung dieser Aufgabe.

2.4 Gewinn und Gemeinwohl

Eine freie Wirtschaftsordnung fußt auf der förderlichen Kraft des Eigennutzes und sieht in ihm eine nicht nur legitime, sondern notwendige Triebfeder des allgemeinen Wohlstands. Schädlichen Nebenwirkungen und Auswüchsen soll durch eine soziale Ausrichtung der Marktwirtschaft entgegengewirkt werden. Aus ethischer Perspektive hat der Eigennutz solange seine Berechtigung, solange er eine größere Leistung für die Gesellschaft erbringt.

Besonders im Bereich der Medien und der Kommunikation kann das Prinzip des Eigennutzes wegen ihrer individuellen und sozialen Bedeutung nicht uneingeschränkt gelten. Um ihres Zusammenhalts willen kann die Gesellschaft auf die Orientierung am Gemeinwohl und an der Würde des Menschen keineswegs verzichten, und sie darf diese Orientierung auch nicht aufgeben.

Dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen, war stets Bestandteil der liberalen Theorie der Pressefreiheit, der zufolge es dem allgemeinen Besten dient, wenn sich alle Stimmen ungehindert öffentlich äußern können. In der Medienlandschaft der Bundesrepublik Deutschland haben vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Aufgabe, dem Gemeinwohl und der gesamten Gesellschaft zu dienen. Dieser Auftrag konkretisiert sich in einigen grundlegenden und gesetzlich verankerten Prinzipien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie Staatsfreiheit, Pluralismusgebot, Ausgewogenheits-Verpflichtung und in den einschlägigen Kontrollmechanismen, die ihm vorgegeben sind. Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Formel vom "Grundversorgungsauftrag" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dessen Verpflichtung zum Gemeinwohl nachdrücklich unterstrichen. Wegen der besonderen Wertigkeit und Eigenart der elektronischen Medien kann dieser Grundversorgungsauftrag nicht von privaten Veranstaltern übernommen werden. Die Wahrnehmung der Grundversorgung in allen wichtigen Programmbereichen durch die öffentlich-rechtlichen Veranstalter bietet auch die Voraussetzung für eine größere programmliche Bewegungsfreiheit privater Rundfunkveranstalter. Dennoch gewährleistet die Grundidee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht von sich aus schon das Gemeinwohl, sondern es bedarf einer steten Erinnerung an diese Grundaufgabe und der Überprüfung, ob die Organisationsform ihr auch entspricht.

2.4.1 Qualität und Rentabilität

Besonders vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird ein qualitativ hochwertiges Programmangebot in allen Bereichen von der Unterhaltung über bildende Angebote bis hin zur Hintergrundinformation erwartet. Dadurch findet der öffentlich-rechtliche Rundfunk und sein am Prinzip der Solidargemeinschaft ausgerichtetes Finanzierungssystem seine besondere Legitimation. Programmqualität muß aber auch von den privaten Medienunternehmen erwartet werden. Es wird zwar häufig eine Unvereinbarkeit oder Schwerverträglichkeit zwischen den Regeln der Ökonomie und normativen Ansprüchen, zwischen Geld und Geist, Ware und öffentlicher Dienstleistung (Public Service), Kommerz und Kultur unterstellt. In privatwirtschaftlichen Verhältnissen - so das Argument - könne im Grunde nur das produziert werden, was auf eine breite Nachfrage stößt und dem "Massengeschmack" entspreche.

Es fragt sich jedoch, ob die Annahme gerechtfertigt ist, daß privatwirtschaftliche Medienorganisation zwangsläufig nur zu Angeboten führt, die an Massenabsatz und Verkäuflichkeit ausgerichtet sind. Konkurrenz von Programmen und Wettbewerb um die Zuschauer können und müßten - auch wenn dies bislang nur selten zu beobachten ist - neue Spielräume für Qualität eröffnen. Veränderte Ansprüche werden auch veränderte Angebote notwendig machen. Auch wenn sich Qualität in einem freiheitlichen Mediensystem nicht verordnen läßt, wird man gleichwohl Bedingungen und Strukturen schaffen können, die ein Qualitätsangebot fördern und ermöglichen. Man muß sich keineswegs auf die Ansicht zurückziehen, Qualität zu definieren sei eine gänzlich subjektive Angelegenheit. Es ist durchaus möglich, dafür Indikatoren (wie z.B. technischer Standard, handwerkliches Vermögen, schauspielerische Leistung, Stringenz der Handlung, ethische Dimension der Erzählung etc.) zu benennen und diese auch zu beschreiben.

Der Wettbewerb unterschiedlicher Medienunternehmen ist eine fördernde Kraft für publizistische Vielfalt und Pluralismus im Mediensystem. Im Wettbewerb manifestiert sich die ökonomische Seite der Pressefreiheit. Doch nicht jede Form des Wettbewerbs ist erwünscht. Vor allem im Wettbewerb von Rundfunkprogrammen um Zuschauergunst und Werbung sieht man eine Aufforderung einerseits zur Angleichung der Angebote (Konvergenz), andererseits zur wechselseitigen Übertrumpfung (insbesondere z.B. bei der Ausschlachtung von Katastrophen, Mißständen oder Skandalen). Es wird befürchtet, daß sich in solchen Zusammenhängen das Gewinninteresse privater Unternehmen auf Kosten der inhaltlichen Qualität der Programme durchsetzt. Dies hat dann zur Folge, daß regulierende Auflagen zur Orientierung des Wettbewerbs an bestimmten auch inhaltlichen Kriterien verlangt werden. Die Betreiber sollen nicht nur die attraktiven und lukrativen Angebote und Dienstleistungen erbringen, sondern auch eine Versorgung nach sozialen und ethischen Gesichtspunkten sicherstellen.

Gerade im Medienbereich ist in den vergangenen Jahren ein immer schärferer Wettbewerb festzustellen, der zu einer deutlichen Konzentration der publizistischen Macht auf immer weniger große Medienunternehmen geführt hat. Die Ursachen der Konzentration im Mediensystem liegen dabei auch in den Bedingungen einer hochindustrialisierten, kapitalintensiven Wirtschaftsstruktur. Fernseh-Vollprogramme und Breitbanddienste lassen sich heute kaum mehr in Form mittelständischer Unternehmen organisieren und finanzieren, insbesondere in einem zunehmend internationalen Wettbewerb mit großen, weltweit operierenden Medienunternehmen. Diese Entwicklung führt zu einer Verringerung der Vielfalt, äußerstenfalls sogar zum Meinungsmonopol. Eine solche Entwicklung ist letztlich aber mit einem demokratischen System, das auf konkurrierende Meinungsbildung angewiesen ist, unvereinbar. Insofern ist die Stärkung von Wettbewerb publizistisch und politisch erwünscht und muß gefördert werden.

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