Mit Bluetooth zur Romanik

Ein einzigartiger Multimediaguide führt durch die Sigwardskirche nahe Hannover

Die alte Sigwardskirche in Idensen mag klein sein, aber sie beherbergt großartige Malereien aus dem 12. Jahrhundert, die in Deutschland beinahe einmalig sind. Eine für Kirchen einzigartige App hilft dabei, sie in allen Details zu entdecken.

Von Sven Kriszio

 

Gemälde in der Sigwardskirche in Idensen

Gemälde in der Sigwardskirche in Idensen

Idensen/Wunstorf. Tiefblau und sattgrün strahlen die prachtvollen Malereien in der Sigwardskirche in Idensen, eine halbe Autostunde nordwestlich von Hannover. Fachleute wüssten von der komplizierten Maltechnik und der aufwändigen Farbherstellung aus edlem Lapislazuli und Malachit zu erzählen. Aber Laien? „Wir dürfen hier nicht einmal Tafeln aufstellen und schon gar keine Erläuterungen an der Wand befestigen“, sagt Jörg Mecke, der sich für die Gemeinde einsetzt. Es würde den Anblick beeinträchtigen und sei deshalb vom Denkmalschutz verboten.

Was also unternehmen, um Besucherinnen und Besuchern diese großartigen, in Deutschland nahezu einzigartigen byzantinisch geprägten Bilderzyklen aus dem 12. Jahrhundert nahezubringen?

Die Sigwardskirche ist beim Einsatz von Bluetooth wegweisend

Natürlich gebe es einen ausführlichen analogen Kirchenführer, von dem 200 bis 300 Exemplare im Jahr verkauft werden, erzählt Mecke. Aber der Freundeskreis, der sich für den Erhalt des romanischen Gotteshauses einsetzt und in dem sich auch Mecke engagiert, hatte eine bessere Idee. „Wir sind die erste Kirche in Deutschland, die bei den Erläuterungen auf Bluetooth setzt“, schwärmt Mecke. Sonst gebe es diese Lösung bisher nur in Museen.

Dazu müsse man nur die App „Sigwardskirche“ auf sein Smartphone laden, so der Informatik- und Marketingexperte, der für einen großen Paketdienstleister arbeitet. Den Rest würden so genannte Beacons übernehmen – 40 runde Minisender aus weißem Plastik, kaum handtellergroß. Sie seien unauffällig innerhalb und außerhalb der Kirche verteilt, etwa unter den Bänken oder in kleinen Nischen, erklärt Mecke. „Die App weiß dadurch, an welchem Punkt die Besucher stehen, und bietet die passenden Informationen. Es ist eine ganz einfache Lösung.“

Guide zeigt Details, die Besucher nicht sehen können

Zu vielen künstlerischen Details der prächtigen Malereien biete die App Text-, Bild-, Video- oder Audio-Beiträge. „Wir haben uns an den Fragen orientiert, die auf Führungen gestellt werden“, so Mecke. Die Inhalte reichen von der Erklärung der Malereien über den Reisesegen für Pilger bis hin zur Frage, warum die Sigwardskirche nicht korrekt „geostet“, also gezielte nach Osten ausgerichtet,  ist wie andere Kirchen. Gezeigt würden bestimmte Perspektiven auf die Malereien, die Besucherinnen und Besucher bei ihrer Kirchenerkundung so nicht einnehmen könnten. „Wir haben uns richtig einen Kopf gemacht. Denn wir wollen natürlich Interesse wecken und diese tolle Kirche bekannter machen.“

Es war kniffelig, die richtigen Orte für die „Beacons“ zu finden

Jörg Mecke hat selbst insgesamt 73 Videos gedreht, die im Schnitt eine Minute lang sind. Die Erläuterungen, insgesamt 90 Minuten Text, hat Rolf Herrmann, der Vorsitzende des Freundeskreises, eingesprochen. Mecke hat den Ton optimiert. „Man muss ein Faible dafür haben. Denn der Aufwand ist enorm.“ So sei es zum Beispiel besonders kniffelig gewesen, geeignete Orte für die „Beacons“ zu finden. Schließlich müssten sie den Besucher richtig orten. Und so habe er immer wieder nachbessern und die Abstände ändern müssen, bis es passte, beschreibt Mecke die Herausforderung. „Jetzt bin ich sehr zufrieden. Man fühlt sich wie ein Pionier.“ Dass der aufwändige Guide samt Software am Ende nur rund 25.000 Euro gekostet hat, ist dieser hohen Eigenbeteiligung zuzuschreiben.

Jörg Mecke gibt seine Erfahrungen gerne an andere Gemeinden weiter

Grundlage für die App ist ein Programm, dass es für Museen schon gab. „Ein Dienstleister hat an unsere Bedürfnissen angepasst“, sagt Mecke. Es biete große Flexibilität und könne jederzeit um neue Inhalte erweitert werden. Auch eine Spendenfunktion umfasse es. Mecke hofft, dass andere Gemeinden auf die „Beacons“ aufmerksam werden. Das Programm gebe es zu kaufen. Und seine Erfahrungen werde er gerne teilen. „Es ist schön, wenn ich sehe, wie begeistert die Besucher sind.“

Weitere Informationen:
www.sigwardskirche.de

Hier geht es zur Vorstellung der App auf der Homepage der Gemeinde.

Das Projekt wurde mit 1.900 Euro vom Digitalinnovationsfonds gefördert.


Die Evangelische Kirche in Deutschland unterstützt innovative digitale Projekte und will damit den Wandel der Kirche hin zu mehr digitalen Angeboten fördern. Dazu gibt es den Digital-Innovationsfonds, der eine Million Euro umfasst. Weitere innovative Projekte, aber auch Informationen zur Antragsstellung finden Sie auf der EKD-Seite zum Fonds.