EKD-Ratsvorsitzender Ehrengast beim Primas der Anglikaner

Rowan Williams: Wolfgang Huber ist eine der wichtigsten christlichen Stimmen in Europa

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat sich für einen Perspektivenwechsel in der Ökumene ausgesprochen. „Die Einheit der Kirchen muss nicht neu erfunden werden. Die Einheit der Kirchen ist der Grund, auf dem wir stehen. Dieser Perspektivenwechsel ist der entscheidende Schritt der ökumenischen Neuorientierung, die wir nach meiner Überzeugung heute brauchen“, sagte Huber in einem Vortrag, den er als Ehrengast auf Einladung des Erzbischofs von Canterbury, Rowan Williams, am Donnerstag, 10. September, in London gehalten hat. Das Oberhaupt von rund 80 Millionen Anglikanern sagte, er sei „hoch erfreut, Bischof Huber in Lambeth Palace begrüßen zu dürfen.“ Wolfgang Huber sei nicht nur ein „wertgeschätzter Freund und Kollege“, sondern mit seinen hervorragenden Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Fragen „eine der wichtigsten christlichen Stimmen in Europa.“

Der Ratsvorsitzende verwies in seinem Vortrag zu den „Ökumenischen Aufgaben am Beginn des 21. Jahrhunderts“ auf das „Hohe Lied der Einheit“ im Epheserbrief (Kap. 4,4-6). Dort werde eine „Ökumene des Indikativs“ entworfen. Der Text „sagt zuerst, was wir ökumenisch sind, bevor er fordert, was wir ökumenisch werden sollen.“ Eine solche Ökumene gebe der Verschiedenheit Raum, vertraue dabei aber auf die Kraft der Einheit im gemeinsamen Christusbekenntnis. „Das ist ein dynamisches Verständnis von Einheit, zu dem wir in der jüngeren europäischen Geschichte sogar politische Entsprechungen erlebt haben“, so Bischof Huber. „Zwanzig Jahre nach der friedlichen Wende in Europa bekennen wir dankbar, dass uns eine Einheit in Verschiedenheit geschenkt wurde, auf die wir lange Zeit kaum zu hoffen wagten. Ihr Gestalt zu geben, ist die große politische Aufgabe, vor der wir in Europa stehen. Als Kirchen wollen wir dazu unseren Beitrag leisten.“

Zu den „belastenden ökumenischen Faktoren“ in den vergangenen Jahren zählte Huber die mangelnde Übereinstimmung im Amtsverständnis, die die wechselseitige Wahrnehmung als Kirche deutlich erschwere. „Meine Hoffnung ist, dass im zweiten Jahrzehnt, das vor uns liegt, sich ein veränderter Umgang mit dieser Frage abzeichnet. Denn ich bin davon überzeugt: Ökumenische Fortschritte kann es nur geben, wenn die ökumenischen Partner sich in ihrem Kirchesein wechselseitig respektieren.“

Huber würdigte die Beziehungen zwischen der EKD und der Kirche von England, die „das Stadium allein theologischer Gespräche“ längst verlassen haben. Ausgehend von der Gemeinsamen Erklärung von Meissen, in der beide Kirchen unter anderem Abendmahlsgemeinschaft vereinbart haben, haben sich „vielfältige lebendige Begegnungen“ zwischen Gemeinden und Landeskirchen aus Deutschland und Diözesen in England entwickelt. „Es bleibt von großer Bedeutung, dass diese ökumenische Verbundenheit ihren Beitrag zu dem Versöhnungsprozess leistet, der zwischen unseren Völkern aus der Schuld und der Last unserer Geschichte von Feindschaft zu neuer Gemeinschaft in Frieden und gemeinsamer Verantwortung geführt hat.“ Heute verbinde sich Trauer und Scham angesichts der unzählbaren Zahl von Opfern des Zweiten Weltkrieges „mit dem staunenden Dank dafür, dass aus den Trümmern jenes Krieges die Bereitschaft zur Versöhnung wuchs.“

Hannover, 10. September 2009

Pressestelle der EKD
Silke Römhild

Der Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden im Wortlaut