Grußwort von Armin Laschet

Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen

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(Unredigierte Fassung)

Es gilt das gesprochene Wort

Hohe Synode, liebes Präsidium der Synode, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Bedford-Strohm, sehr geehrter Herr Kardinal, sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren!

Ich danke ganz herzlich für die Einladung zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und heiße Sie zugleich ganz herzlich in Nordrhein-Westfalen willkommen. Ich freue mich, dass Sie Bonn als Tagungsort der Synode ausgewählt haben, weil die Stadt vielleicht auch mit dem zu tun hat, was die evangelische Kirche in ihrer Wirkung in die Welt hinein ausstrahlt. Bonn ist das Nord-Süd-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland. Bonn ist der einzige Standort der Vereinten Nationen in Deutschland. Es weiß in Köln schon niemand mehr, dass hier nachgedacht wird über das, wie man die Welt zusammenhält.

Ich komme in diesen Minuten gerade von dem Gipfel der Regionen und lokalen Institutionen in der Welt, die über Klimafragen nachdenken. Vor zehn Minuten ist ein leidenschaftliches Plädoyer des Gouverneurs von Kalifornien zu Ende gegangen, der gesagt hat: Wir und 14 andere Staaten stehen zu diesem Klimaschutz. Wir sind Amerika, nicht der Präsident, der derzeit regiert.

Wenn man so etwas hört, dann merkt man plötzlich, dass man von unten eine ganze Menge bewegen kann.

Deshalb sind wir in Nordrhein-Westfalen froh, dass Bonn da ist, dass das Wirken der Kirchen da ist und dass viele Institutionen mit Sitz in Bonn – wie etwa die Deutsche Welthungerhilfe oder die Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste, zu denen ja auch Brot für die Welt gehört – mit zum Profil dieser Stadt beitragen.

Ich hoffe, Sie haben trotz des Hochbetriebs um die COP 23 einen angenehmen Aufenthalt in Bonn. Der gemeinsame Empfang, zu dem die Landesregierung und die drei nordrhein-westfälischen Landeskirchen anlässlich der Synode eingeladen hatten, musste ja gestern aus Platzmangel auf ein Schiff ausweichen. Ich hoffe, es war ein gelungener Abend.

Die Kirchen sind auch wichtige Akteure in der globalen Klimapolitik. Die EKD-Synode hat auf ihrer letzten Tagung im November 2016 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, nun am stärksten von seinen Auswirkungen betroffen sind und dass dies überdies die ärmsten Länder der Erde sind, also eine dreifache Ungerechtigkeit.

Politik ist da auf den Rat der Kirchen angewiesen, auf den moralischen Impetus, den man gibt, auch auf den konkreten, den man für politisches Handeln gibt. Aber wir merken in diesen Tagen, in denen wir versuchen, eine neue Bundesregierung zu kreieren, wie schwierig natürlich auch da die Abwägung ist. Ja, es ist richtig, dass wir die Klimaziele erreichen müssen. Ja, es ist richtig, dass wir Stück für Stück aus der Karbonisierung, auch aus der Kohle aussteigen werden.

Aber gleichzeitig hat Politik – ebenso wie die Kirchen – die Menschen im Blick zu haben, die Arbeit brauchen. Hier in Nordrhein-Westfalen haben sie das alles. Sie haben die Stahl­industrie. Die Arbeiter stehen gerade auf der Straße, weil sie sagen: Wir haben Sorge vor der Fusion von Thyssenkrupp mit einem indischen Unternehmen. Was ist mit unseren Arbeitsplätzen? Was ist mit unseren Familien? Wie können wir Stahl auf Dauer im Land halten? Wie können wir Aluminium im Land halten? Wie können wir die chemische Industrie im Land halten? – Denn wenn Stahl in irgendein anderes Land der Erde geht, dann ist damit dem Klimaschutz nicht unbedingt gedient. Insofern muss Politik das, was auch Kirchen vortragen, die Möglichkeiten und vor allem das, was man da beschließt, im Blick haben. Das ist die Schwierigkeit, vor der wir im Moment stehen.

Darüber hinaus müssen wir sagen: Deutschland ist nun besonders anspruchsvoll. Wir steigen – ich sage einmal: eben – aus der Kernenergie aus. Bei dem Klimagipfel, wenige Meter entfernt, treffe ich dann auf Franzosen und Briten, die sagen: Wir haben tolle Klimaziele. – Aber sie bauen gleichzeitig die Kernenergie weiter aus. Deutschland macht im Moment beides: Aussteigen aus der Kernenergie und bis 2022 ein Kraftwerk nach dem anderen abschalten. Gleichzeitig hat es noch das Ziel, in absehbarer Zeit aus der Kohle auszusteigen. Dies miteinander zu verbinden – aber nicht in der Form, dass wir aussteigen und dann am Ende den französischen Atomstrom oder den polnischen Kohlestrom nutzen –, ist das Kunststück, das man bei diesem Thema vollbringen muss.

Das zweite wichtige Thema – dies ist auch mir persönlich ein wichtiges Thema, für das auch die Kirchen immer eintreten – ist die Frage der Migration. Ich sage noch immer: Wir schaffen das. – Ich sage: Ohne die Kirchen und die vielen vor Ort hätten wir 2015 das, was in der europäischen Flüchtlingskrise geleistet worden ist, nicht leisten können. Ich sage Dank besonders an die katholische und die evangelische Kirche in Nordrhein-Westfalen. Ohne das klare Engagement vor Ort wäre das Jahr 2015 nicht zu leisten gewesen.

Man muss auch dazusagen: Das ist für die Politik eine besondere Herausforderung. Aber eines muss klar sein – egal, was bei den Koalitionsverhandlungen herauskommt –: Ein Grundrecht für politisch Verfolgte hat keine Obergrenze. Das ist unabdingbar, weil dies ein Grundrecht ist.

Auch in den Kirchen weiß doch jeder, dass man nicht jedes Jahr eine Million Menschen aufnehmen kann. Dazu braucht man keine Parteiparolen und keine Wahlkämpfe, die man mit diesem Thema betreibt. Das ist jedem klar.

Deshalb ist das Kunststück, das jetzt gelingen muss, das Grundrecht zu erhalten, Schutzbedürftigen Hilfe zu geben, auch denen mit subsidiärem Schutz Hilfe zu geben, dazu ein Einwanderungsgesetz, das legale Wege der Zuwanderung ermöglicht, und gleichzeitig in den Herkunftsländern zu helfen, damit die Zahl derer reduziert wird, die den riskanten Weg auf das Mittelmeer und über andere Regionen gehen. Das muss deutsche Politik sein.

Wir haben 2015 sehr viel über Willkommenskultur gesprochen. Wir haben danach zwei Jahre erlebt, in denen das Wort fast diskreditiert wurde. Wir müssen jetzt wieder ein Stück zu dieser Humanität zurückkehren, klarmachen, wie wir Fluchtursachen bekämpfen können, und trotzdem denen, die bei uns ankommen, helfen, ihren Weg in unsere Gesellschaft zu gehen. Wir müssen dabei, wie ich finde, auch über Spurwechsel nachdenken. Wer hier ist, die Sprache gelernt hat und sich integriert, der muss auch eine Chance haben, auf Dauer hier zu bleiben. Das ist es, was jetzt vor uns liegt.

Ein dritter Gedanke: Wir haben das Reformationsjubiläum sehr intensiv begangen. Ich habe den 31. Oktober bei drei Veranstaltungen verbracht: bei einer beeindruckenden in der Wiesenkirche in Soest, danach im Altenberger Dom mit Kardinal Woelki und Präses Rekowski gemeinsam – die Kirche war bis an den Rand gefüllt –, auf der die beiden Kirchen deutlich gemacht haben, was sie verbindet, wie sehr die Taufe beide Kirchen miteinander verbindet. Das ist im Altenberger Dom noch etwas leichter, weil es eine sogenannte Simultankirche ist, die dem Land gehört. Da kann man noch leichter zusammenfinden. Nach dieser ökumenischen Vesper gab es eine wunderbare Reformationsgala hier in Bonn mit 4000 Menschen, die diesen Reformationstag auf ganz andere Weise gefeiert haben.

Als ich am Abend nach Hause kam, dachte ich: Das reicht jetzt auch für die nächsten 500 Jahre. – Aber Sie sehen, ich bin heute schon wieder hier, und ich finde die Botschaft – das müssen wir, denke ich, oft selbstbewusster sagen –, die die christlichen Kirchen dieser Welt anzubieten haben, ist das Beste, was man der Welt bieten kann – bei allem interkulturellen Dialog, der wichtig ist.

Wir haben jetzt eine Grundsatzentscheidung des nordrheinwestfälischen Verfassungsgerichts zur islamischen Religionsgemeinschaft. Wir haben gesagt: Ja, wir wollen den islamischen Religionsunterricht. Aber man muss die Kriterien, die rechtlich vorgegeben sind, schon erfüllen. – Durch das Urteil ist nun entschieden, dass diese beiden Religionsverbände nicht Religionsgemeinschaft sind. Trotzdem muss der Dialog weitergehen. Wir wollen, dass auch der Islam seine Rolle in unserer Gesellschaft findet. Er ist Teil unserer Gesellschaft, und insofern muss er dabei sein. Aber wenn man selbst bewertet, was unsere Gesellschaft prägt, was unsere Gesellschaft voranbringt, dann stellt man fest, dass es bis heute, zeitaktuell, immer noch die christlichen Werte sind, die die Gesellschaft so gestalten können, dass sie eine menschenwürdige Gesellschaft ist.

Ich muss Ihnen sagen, ich habe gestern – das sage ich jetzt als katholischer Christ – auch einmal getwittert. Gestern war Sankt Martin. Diese Botschaft des heiligen Martin: „Wenn du teilst, verlierst du nicht, sondern gewinnst du“ – das ist die Botschaft von Sankt Martin –, ist mir immer noch lieber als die drohende Forderung: Süßes, sonst gibt’s Saures!

Es sind die christlichen Werte, die uns geprägt haben. Das Teilen ist etwas anderes als das, was als neue Kultur heute manchmal aus Amerika herüberschwappt. Die Kinder mögen auch Halloween feiern, das alles ist in Ordnung. Aber die Botschaft, die dahintersteht ist vom Christlichen her die, die menschengerechter und uns Menschen angemessener ist.

Deshalb wollen wir als Landesregierung den Beitrag der Kirchen stärken: in den Kindertagesstätten, in den Schulen, in der Krankenhausseelsorge, in der Militärseelsorge. Überall, wo Kirche mit ihrem diakonischen Werk aktiv ist, da wird Gesellschaft lebendig, da wird Gesellschaft menschengerecht. Deshalb wünsche ich Ihrer Synode, dass sie ihren Beitrag in die Welt hinein leistet, dass sie aber auch über das Spirituelle spricht, das für eine Gesellschaft wichtig ist. Wenn man beides verbindet, den Glauben, die eigene Spiritualität und die Wirkung in die Welt hinein, dann ist das, denke ich, gut – sowohl für die katholische als auch für die evangelische Kirche. Wenn wir das in Zukunft noch stärker gemeinsam tun, wenn wir den Ton treffen, den Papst Franziskus zum Reformationsjubiläum getroffen hat, indem er gesagt hat: „Wir sind nicht mehr Rivalen, sondern wir sind Gestalter aus gemeinsamem Geist“, dann kann das unserer Gesellschaft guttun. Dafür wünsche ich Ihnen gute Beratung hier in Bonn bei Ihrer Synode.

Alles Gute und Gottes Segen!

Grußwort von Armin Laschet

Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen