Bedford-Strohm: Hetze darf nicht wieder salonfähig werden

Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus endet mit Gedenken an NSU-Opfer

EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm

Morde aus Menschenverachtung dürften nie wieder geschehen, sagte der Vorsitzende des Rates der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, zum Ende der Jahreskonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAGKR).

Nürnberg (epd). Im Widerstand gegen rassistische, antisemitische und Menschengruppen abwertende Bewegungen müssen Christen nach Worten des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, „in der ersten Reihe stehen“. Morde aus Menschenverachtung dürften nie wieder geschehen, sagte er zum Ende der Jahreskonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAGKR) am 13. Oktober in Nürnberg in einer Gedenkfeier für die Opfer des NSU-Terrors.

Wer aus Unzufriedenheit rechtspopulistische Parteien wähle, gebe diesen Deckung und legitimiere diejenigen, die wieder alte rechtsextreme Positionen vertreten „und Hetze wieder salonfähig machen“, sagte der bayerische evangelische Landesbischof Bedford-Strohm. Der Nebenklagevertreter im NSU-Prozess, Rechtsanwalt Mehmet Gürcan Daimagüler, kritisierte offen die AfD. Die Partei erinnere ihn „an einen Salafistenverein, der Hass predigt und jeden, der nicht seiner Meinung ist, für ungläubig erklärt“, sagte er.

„Wir müssen uns mit dieser Melange aus Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und den Meinungen aus der Mitte auseinandersetzen“

Der Boden für rechtsextremes Denken werde in der Mitte der Gesellschaft bereitet, hatten bei der Jahreskonferenz zum Thema „Menschenrechte verteidigen – Nächstenliebe leben“ Referenten und Teilnehmer festgestellt. Dieser Tendenz müsse besser begegnet werden, hieß es. „Wir müssen uns mit dieser Melange aus Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und den Meinungen aus der Mitte auseinandersetzen“, fasste Mitveranstalter Martin Becher vom Bayerischen Bündnis für Toleranz das Forum zusammen.

Mit dem Forum solle ein Zeichen gegen aktuelle rechtspopulistische Tendenzen und Erfolge in Deutschland gesetzt werden, erklärte die Bundesarbeitsgemeinschaft. Rassismus, Hass, Hetze und jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hätten in Deutschland und Europa keinen Platz, erklärte das Sprecherteam der BAGKR.

Der Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland, Klaus Holz, erklärte, Neonazi-Angriffe wie vor kurzem in Chemnitz, entstünden nicht aus dem Nichts. Er sehe einen systematischen Zusammenhang zum Satz des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) von der „Mutter aller Probleme“, sagte der Soziologe. Der Innenminister legitimiere Gewalt unter anderem, indem er sich hinter Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen stelle, der wiederum rechte Gewalt relativiere. „Nur wegen dieser ideologischen Zusammenhänge haben wir große Probleme mit Rechtspopulisten und Neonazis“, sagte Holz.

Erinnerungskultur auf den Prüfstand stellen

So belegten Studien, dass rassistisches oder antiislamisches Denken konstant bei 40 bis 70 Prozent der Bevölkerung vorhanden sei. Am deutlichsten sichtbar sei der Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und Denkmustern der bürgerlichen Bevölkerung aber beim Antifeminismus, erklärte Holz. Der Feminismus werde dabei als radikale Ideologie verschrien, während alte Geschlechterbilder wieder hervorgeholt würden. Diese könne man in Schulbüchern oder in der Wochenzeitung „Zeit“ finden, in zugespitzter Form bei der Identitären Bewegung, die den „Schutz der Töchter“ propagiere.

Die Präsidentin der bayerischen evangelischen Landessynode, Annekathrin Preidel, rief in ihrem Grußwort dazu auf, Erinnerungskultur auf den Prüfstand zu stellen. Man müsse sich fragen, ob Institutionen und Rituale staatlicher und kirchlicher Erinnerung stark genug seien, „um die Feinde der offenen Gesellschaft und die Opfer der totalitären Gesellschaft wirklich zu erreichen“, sagte Preidel laut Redemanuskript. Sie warnte vor einer Blauäugigkeit, die den Sieg der Demokratie für selbstverständlich halte.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick versicherte, ein Forum gegen Rechtsextremismus sei den Bischöfen der Freisinger Bischofskonferenz wichtig. Um sich gegen Rechtsextremismus zu behaupten, sei ein Bildungssystem nötig, in dem es nicht um „Verwertungswissen“, sondern zum Wertewissen gehe, erklärte Schick.

Mehr Schutz der Menschenrechte von Migranten

Einer der BAGKR-Sprecher, der Theologe Christian Staffa, erklärte, im Kampf gegen rechtspopulistische und rechtsextreme Tendenzen auch in der Kirche sei man innerhalb von Kirche und Theologie derzeit „nicht gut genug aufgestellt“. „Mit ein bisschen sozialdemokratischer Theologie und fröhlich-lächelndem Protestantismus kommen wir hier nicht weiter“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Rande der Tagung mit etwa 80 Teilnehmern aus ganz Deutschland.

Die Tagungsteilnehmer beschäftigten sich unter anderem mit dem Zusammenhang von Rechtspopulismus und Polemik gegen Genderismus, aber auch mit der Haltung christlicher Gruppen zu Israel oder Methoden gegen Hass in den sozialen Medien. Petra Brendel, Politikprofessorin an der Universität Erlangen, forderte mehr Aufmerksamkeit für den Schutz der Menschenrechte von Migranten. Diesen Menschenrechten wehe „ein starker Wind entgegen“, sagte Brendel. Das Recht auf individuelles Asyl oder das Recht auf Nichtzurückweisung würden gerade an den Außengrenzen der EU oft nicht beachtet.