„Die Taufe ist wie ein verborgener Schatz“

Neue Wege, an die Taufe zu erinnern: Durch die Gemeinden von Pfarrerin Britta Gerstenlauer wandern fünf „Taufschatzkästlein“

Eine Taufe – das ist ein ganz besonderer Moment, und ihre Bedeutung reicht weit über das Ereignis hinaus: Gott gibt die Zusage, einen Menschen ein Leben lang zu begleiten. Doch im Alltag ist das Bewusstsein dafür häufig verschüttet. Um das zu ändern, hat Pfarrerin Britta Gerstenlauer eine besondere Aktion gestartet: Sie hat fünf Schatzkästchen befüllt und an Gemeindemitglieder verteilt.

In dem 'Taufschatzkästlein' liegen Materialien für die Erinenrung an die Taufe
Eine kleine Schatztruhe als Symbol für das Geschenk der Taufe: Fünf solcher "Taufschatzkästlein" hat Pfarrerin Britta Gerstenlauer befüllt und auf eine Wanderung durch ihre Gemeinden geschickt. Bis zum Tauferinnerungsgottesdienst werden sie unterwegs sein.

„Ich wünsche dir offene Augen für das unverhoffte Gute“, steht auf dem Deckel der kleinen Truhe. Wer das Kästchen öffnet, findet folgende Einladung: „Du hast das Kästlein geöffnet und einen Blick riskiert. Sei neugierig und schaue weiter.“ Eine LED-Kerze und bunte Glassteine finden sich in der kleinen Truhe, Liedblätter, Malvorlagen, ein schlichtes Kreuz und Bibeltexte. Wer mag, kann diese Materialien nutzen und alleine oder mit seiner Familie eine kleine Feier zur Tauferinnerung halten. Kinder können ein Bild mit einem Taufstein nach ihren Vorstellungen gestalten. Persönliche Erinnerungen lassen sich auch im Gästebuch festhalten.

Seit Pfingsten wandern die „Taufschatzkästlein“ nun schon durch die beiden Gemeinden von Pfarrerin Britta Gerstenlauer. Wer eines der Schatzkästchen erhält, darf es drei Tage behalten, gerne etwas in das Gästebuch schreiben und es dann weitergeben. Bis Anfang Juli sollen die Kästchen zurückkehren. Denn dann ist festlicher Gottesdienst zur Tauferinnerung. Kurz vorher möchte Britta Gerstenlauer die Kästlein öffnen. Auf die persönlichen Einträge im Gästebuch wird sie spontan in der Predigt eingehen.

„Die Taufe ist ein Schatz, der viel zu oft verborgen bleibt.“

Pfarrerin Britta Gerstenlauer
Britta Gerstenlauer Gemeindepfarrerin in Sand und Eckartsweier

Von einigen Einträgen weiß sie jetzt schon aus Erzählungen von Gemeindemitgliedern. In einer Familie haben beispielsweise Opa und Oma den Enkelkindern von deren Taufe berichtet und geschildert, wie sie den Tag damals erlebt haben. Genau das wünscht sich die Pfarrerin: Dass die Taufe auf diese Weise wieder ins Gespräch kommt – generationen- und gemeindeübergreifend. Warum ist es ihr so wichtig, an die Taufe zu erinnern? „Das ist ein Schatz, der viel zu oft verborgen bleibt“, sagt Gerstenlauer. Ihn zu heben bedeute, sich bewusst zu machen: „Gott hat zu uns ja gesagt – lange bevor wir zu ihm ja sagen konnten.“

Seit zwölf Jahren ist Britta Gerstenlauer Gemeindepfarrerin in Eckartsweier und Sand, zwei kleinen Dörfern zwischen Offenburg und Straßburg, kurz vor der französischen Grenze. Sie selbst ist ebenfalls in einem Dorf aufgewachsen. Jeden Tag kam sie mehrmals an der Kirche vorbei, in der sie getauft worden war. Der Taufstein dort war ihr lieb und vertraut. Dieses Gefühl von Vertrautheit will sie auch den Kindern ihrer Gemeinde vermitteln. Im Religionsunterricht geht sie deshalb mit den Zehnjährigen in die Kirche und lässt sie die Figuren auf dem bronzenen Deckel der Taufschale berühren und ertasten. „Die müssen sie abmalen, da bin ich streng“, sagt sie und lacht.

Ein Geschenk für jedes Kind

Wenn sie Taufgottesdienste hält, bezieht sie alle anwesenden Kinder mit ein und überträgt ihnen kleine Aufgaben – sei es, das Tuch zum Abtrocknen zu bringen oder die Wasserkanne zu tragen. Eine echte Herausforderung ist das Anheben des schweren Taufdeckels, der immerhin 20 Kilogramm wiegt. Auch wenn Kinder sich in der Regel nicht an die eigene Taufe erinnern können, gewinnen sie so eine lebendige Vorstellung davon, wie es gewesen sein könnte.

„Die Taufe ist wertvoll, etwas ganz Wichtiges“, sagt Britta Gerstenlauer. In der Bibel gebe es viele Bilder dafür – „der alte Adam wird ersäuft“, ein „neues Kleid wird angezogen“. Die Taufe neu zu entdecken und sich darüber auszutauschen, könne Hoffnung geben und Kraft verleihen. Davon ist sie überzeugt. Schon seit mehreren Jahren erhält deshalb jedes getaufte Kind ihrer Gemeinden zum Tauftag einen persönlich adressierten Brief mit einem kleinen Geschenk.

„Herzlichen Glückwunsch zu deinem Tauftag“, steht zum Beispiel darin. „Ebenso wie Dein Geburtstag ist der Tauftag ein wichtiger Tag in Deinem Leben. An diesem Tag wurde Dein Name in der Kirche genannt und Deine Eltern haben für Dich gesagt, dass du zu Gott gehören sollst.“ Dieses Jahr enthielten die Einladungen auch Malvorlagen - Fische und Wolken, auf denen die Kinder ihre persönlichen Assoziationen zum Thema Taufe zu Papier bringen können.

Weit über hundert Päckchen müssen jedes Jahr besorgt und verpackt werden, die Briefe rechtzeitig ausgedruckt und verteilt. Wer bekommt die Socken, wer einen Sonnenschutz oder besser ein Malbuch? Eine „Riesenlogistik“ sei das, erzählt sie. Text und Geschenk sollen schließlich altersgerecht sein. Wichtig sei auch, die „Zuzügler nicht zu vergessen“.

Ursprünglich waren die Geschenke nur für Kinder bis zu zehn Jahren gedacht, aber dann hatten Eltern nachgefragt, warum ihr Kind keinen Brief bekommen habe. Also hat Pfarrerin Gerstenlauer den Empfängerkreis ausgeweitet: Bis zur Konfirmation bekommt jetzt jedes getaufte Kind in Sand und Eckartsweier ein Päckchen zur Tauferinnerung.

Kirche zeigt sich, lautet das Motto

„Mir sind halt anders“, sagt sie in ihrem badischen Dialekt: „Mir sind etwas verrückt“. Viele ihrer ungewöhnlichen Projekte stehen unter dem Motto „Kirche zeigt sich“. Eines wurde dieses Jahr mit dem ersten Preis der „Bergmoser + Höller Stiftung“ ausgezeichnet: 2020, während der Corona-Pandemie hatte Gerstenlauer angefangen, so genannte Straßengottesdienste zu feiern – und seitdem hat sie nie wieder damit aufgehört.

Manchmal montags, manchmal sonntags hält sie kurze Gottesdienste an verschiedenen Plätzen und Straßeneinmündungen. An jedem Standort ist die Pfarrerin 15 Minuten. Bis zu sechs Gottesdienste hintereinander schafft sie an einem Tag, an einzelnen Standorten wird auch Abendmahl gefeiert. 900 solcher Straßengottesdienste gab es bereits. Als „mutiges, kreatives und modernes Glaubenszeugnis an der Basis der Gesellschaft“ bezeichnete die Stiftung das Format. „Wenn die Menschen nicht in die Kirche kommen, kommt die Kirche halt zu ihnen“, begründet Britta Gerstenlauer ihren Einsatz.

Jetzt freut sie sich auf die Tauferinnerungsgottesdienste im Juli: Dann wird die Kirche voll sein. So war es jedenfalls in den vergangenen Jahren. Die Blätter mit den Fischen und Wolken werden hoffentlich viele Kinderzeichnungen und Texte enthalten, die sie in der Kirche aufhängen will. Und wenn dann die Schatzkästlein geöffnet werden und auch nur ein Eintrag im Gästebuch steht, dann habe sich der Aufwand schon gelohnt, sagt sie.

Andrea Teupke