30. Sportschiffergottesdienst an der Heilandskirche Potsdam-Sacrow
Motto: Komm zur Wasserquelle des Lebens
Liebe Motorbootfahrer und Segler, liebe Paddler, Ruderer, Kanuten, liebe Schlauchbootkapitäne, kurz: liebe Freunde der Sportschifffahrt, liebe Gemeinde!
I. Wasser – lebensspendend und lebensgefährlich
Welches Verhältnis Sie zum Wasser haben, brauche ich Sie wohl nicht fragen. Ich nehme an, Sie alle würden mehr oder weniger kräftig von sich sagen, dass Wasser „Ihr Element“ ist. Auf diesem verbringen Sie ihre Freizeit, sitzen gemütlich an Bord und genießen das gleichmäßige Plätschern des Wassers gegen die Planken und die wärmende Sonne auf Ihrer Haut, oder Sie beobachten aufmerksam die Windrichtung und den Wellengang, um das Segelschiff bestmöglich an den Wind zu stellen, oder Sie kämpfen mit der Kraft Ihrer Muskeln im Kajak, Kanu oder Paddelboot gegen den Strom. Das Wasser ist Ihr Element. Und im Prinzip ist es ja das Element von uns allen, auch das der eingefleischtesten Landratten. Nicht nur, dass unsere Körper im Wesentlichen aus Wasser bestehen. Wir brauchen das Wasser schlichtweg, um leben zu können. Wir brauchen es, um unseren Durst zu stillen, wir brauchen es, um uns Essen kochen zu können, und wir brauchen es, um den Standard unserer Hygiene halten zu können. Dass Wasser lebensspendend und lebensnotwendig ist, spürt jeder spätestens dann, wenn er an einem heißen Tag – vielleicht nach einer anstrengenden Paddeltour – ein Schluck frisches, klares Wasser angenehm kühl durch die ausgetrocknete Kehle rinnen lässt. Das weckt die Lebensgeister wieder auf.
Aber auch die andere, gefährliche Seite des Wassers ist gerade Ihnen, den Sportschiffern, bekannt. Schnell kann ein ruhig dahin fließender Fluss zu einem reißenden Strom werden. Ein Sommer voller Regen sorgt dafür, dass es an manchen Tagen zu gefährlich wäre, die Schleusen zu öffnen, weswegen in diesem Sommer etliche Freizeitkapitäne mit ihren Booten schon mal festsaßen. Und nicht umsonst gehören Rettungswesten und Rettungsringe zur selbstverständlichen Ausstattung nicht nur von Kreuzfahrtschiffen und Öltankern, sondern auch von kleinen Segelyachten, Motor- und Ruderbooten. Trotz dieser Sicherungsmaßnahmen müssen wir auch in dieser Saison Tote beklagen, die beim Wassersport ums Leben kamen. Das Wasser kann uns eben zeigen, dass es tatsächlich eines der Naturelemente ist – wild und von Menschen unbeherrschbar.
II. Theologische Deutung der Taufe
Wasser ist lebensnotwendig, aber auch bedrohlich – diese beiden Seiten des Wassers nimmt die christliche Tradition in dem Sakrament der Taufe auf. Die Taufe geschieht nicht zufällig mit Wasser. Kein anderes Element könnte in der Taufe das Wasser ersetzen, und das Wasser könnte auch nicht einfach wegfallen. Denn das Wasser ist das kraftvolle Symbol, das deutlich macht, was die Taufe für uns Menschen bedeutet.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, ob der christlichen Tradition da nicht ein brachialer Fehler in der Verwendung des Symbols unterlaufen ist. Die Taufe, die doch das Heilszeichen im Leben eines jeden Christen ist, verbindet sich ausgerechnet mit Wasser, das so bedrohlich sein kann. Ist die Taufe denn etwa bedrohlich für die Menschen? Nein, sie ist wohl eine Gefahr, aber nicht für die Menschen, sondern für alles das, was uns Menschen von Gott trennt. Die Taufe ist bedrohlich für die Schuld, die Menschen auf sich laden, sie ist bedrohlich für den Hass, der sich in Menschen frisst, sie ist bedrohlich für den Neid, der gelb und fies in den Gedanken von Menschen stichelt, sie ist bedrohlich für die Gewalt, die Menschen in den Worten und den Händen juckt. Kurzum, die Taufe ist bedrohlich für alles, was wir mit Sünde bezeichnen, also für alles das, was die Beziehung zwischen uns Menschen und damit auch zwischen Gott und den Menschen zerstören will.
Das meinen wir damit, wenn es heißt, mit der Taufe stirbt der alte Mensch. Alles das Böse, Sündige, stirbt. Es hat vor Gott keinen Bestand mehr. Gott lässt nicht zu, dass es uns von ihm trennt. Das Wasser der Taufe wäscht diese dunkle Seite in uns ab und spült sie fort.
Zugleich – und das symbolisiert die lebensspendende Kraft des Taufwassers – leitet die Taufe unser Lebensschiff in eine neue Fahrrinne. Auf dem weiten Ozean des Lebens gibt sie unserem Leben eine neue Ausrichtung und ein sicheres Ziel. Das ist der neue Mensch, der mit der Taufe geboren wird. Wenn wir in dieser neuen Fahrrinne zurückschauen, weil wir uns fragen, woher wir eigentlich kommen, dann sehen wir am Anfang Gott. Gott, der unser Leben erschaffen hat und es uns jeden Tag aufs Neue schenkt. Und wenn wir in die Ferne vor uns blicken, dann sehen wir dort als den sicheren Zielhafen auch Gott. Gott, der auf uns wartet, der uns in sein ewiges Reich aufnehmen wird und uns ein ganz anderes, für uns noch unvorstellbares, ewiges Leben geben wird. Das ist das Ziel, auf das unser Lebensschiff nach der Taufe zusteuert. Und wie sieht es unterwegs aus, auf der Fahrt? Da gibt es alles: Strahlend blauen Himmel und ruhige See, wenn alles gut läuft, wir mit unserem Leben zufrieden und glücklich sind und wir eine gute Fahrt machen. Es gibt die Zeiten der Flaute, wenn wir das Gefühl haben, wir kommen mit unserem Leben nicht voran und wir können unsere Wünsche und Pläne nicht erfüllen. Es kommt wohl auch immer wieder ein Sturm auf, der unser Lebensschiff in schwerem Wasser fahren lässt und der uns viel abverlangt. Die Taufe ist schließlich keine Versicherung gegen Unglück, Schmerz und Leid. Aber eines gibt es in der Fahrrinne, in die uns die Taufe lenkt, sicher nicht: Dass unser Lebensschiff in einer Untiefe auf Grund läuft und nicht mehr vorankommt. In der Fahrrinne Gottes haben wir immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel. Unser Leben ist und bleibt getragen von Gott. Und unser Ziel, die Ewigkeit Gottes, werden wir erreichen. Mit dieser Gewissheit eröffnet sich ein neuer Blick auf unser Leben, und wir setzen als Segel die Hoffnung und die Zuversicht.
Noch etwas bewirkt die Taufe: Wir fahren in dieser Rinne nicht allein, sondern wir sind unterwegs mit vielen Anderen. Wir werden hineingetauft in die Gemeinschaft der Christinnen und Christen. Und zwar nicht nur der Angehörigen unserer Konfession, sondern tatsächlich mit allen christlichen Konfessionen. Die Taufe ist wahrhaft ökumenisch. Mit der Taufe gewinnen wir eine neue Familie, eine Familie, die uns überall auf der Welt eine Heimat bietet. Ob wir evangelischen, katholischen, orthodoxen, methodistischen, baptistischen oder Angehörigen einer anderen christlichen Konfession begegnen, wir treffen mit ihnen Geschwister. Menschen, von denen wir wissen, dass sie vom gleichen Ursprung herkommen und vor allem auf das gleiche Ziel zusteuern und in ihrem Leben getragen werden von der gleichen Hoffnung wie wir. Wenn wir also in Brasilien, Namibia, Papua-Neuguinea oder in einem anderen Land der Welt eine Kirche betreten und darin einen Taufstein sehen, dann begrüßt uns dieser zu Hause und sagt uns, dass wir auch in diesem Teil der Welt eine Familie haben.
III. Jahr der Taufe
2011 feiert die Evangelische Kirche in Deutschland das Jahr der Taufe. Aus diesem Anlass gibt es in vielen Kirchengemeinden große Tauffeste, bei denen sich viele Kinder und Erwachsene taufen lassen. Bei diesen Festen wird auf ganz besondere Weise spürbar, dass wir in die Gemeinschaft der Christinnen und Christen hineingetauft werden, denn die Gemeinschaft wird richtiggehend sichtbar, wenn 50 und mehr Täuflinge zusammenkommen und mit ihren Angehörigen gemeinsam feiern. Ein solches Tauffest ist ein schönes und beeindruckendes Fest, ganz besonders wohl für die, die keine klassische Familienfeier abhalten können, weil sie ihre Träume von Familie nicht leben können und allein mit ihrem Kind zur Taufe kommen.
Diese Tauffeste werden gerne draußen in der Natur gefeiert, die Taufen finden dann statt in einem Fluss oder einem See. Denn dort wird die symbolische Kraft des Taufwassers besonders erfahrbar: Es wäscht die Sünde ab und spendet uns neues Leben.
Es wäre doch eine schöne Idee, wenn wir im kommenden Jahr zum nächsten Sportschiffergottesdienst wieder hier an der Heilandskirche in Sacrow zusammenkommen würden und dann hier nicht nur auf und am Wasser der Havel Gottesdienst feiern würden, sondern auch im und mit dem Wasser der Havel Taufen feiern könnten – Taufen von Kindern wie von Erwachsenen.
Amen.