1520 als „Point of no return“ in Martin Luthers Biographie

Seit der Bannandrohungsbulle am 15. Juni war der Bruch mit dem Papsttum unvermeidbar

Denkmal Martin Luthers vor der Frauenkirche in Dresden, geschaffen vom Bldhauer Adolf von Donndorf


Am 15. Juni vor 500 Jahren drohte der damalige Papst Leo X. Luther den Ausschluss aus der katholischen Kirche an: ein entscheidender Wendepunkt in der Reformationsgeschichte. Das Foto zeigt die Luther-Statue des Bildhauers Adolf von Donndorf, die vor der Dresdner Frauenkirche steht.

Fribourg/Frankfurt a.M. (epd). Der Historiker Volker Reinhardt sieht in der päpstlichen Bannandrohungsbulle von 1520 einen entscheidenden Katalysator für die Biografie des Reformators Martin Luther (1483-1546). „Der 15. Juni 1520 ist ein erinnerungswürdiger Tag in der persönlichen Lebensgeschichte Luthers und in der Geschichte der beginnenden Reformation“, sagte Reinhardt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Am 15. Juni vor 500 Jahren hatte der damalige Papst Leo X. Luther den Ausschluss aus der katholischen Kirche angedroht, wenn er seine 95 Thesen nicht widerrufe. Luther hatte 1517 in Wittenberg seine Thesen zur Reform der Kirche veröffentlicht, in denen er den damals verbreiteten Ablasshandel kritisierte und die Macht des Papstamts infrage stellte.

Nach 1520 war Verständigung zwischen Luther und dem Papst nicht mehr möglich

Die Bannandrohungsbulle sei ein „Point of no Return“ gewesen. Von da an sei eine Verständigung zwischen dem Vatikan und Luther nicht mehr möglich gewesen. „Die endgültige Bannbulle vom 3. Januar 1521 ist dann eigentlich nur noch das Siegel unter diese Bulle“, sagte Reinhardt. Nach Luthers Exkommunikation folgt sein Auftritt auf dem Reichstag in Worms, wo er nach eigener Darstellung den zum Mythos gewordenen Satz „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ aussprach. Luther taucht infolgedessen auf der Wartburg unter und übersetzt das Neue Testament ins Deutsche.

Reinhardt ist überzeugt, dass der Konflikt zwischen dem Papst und Luther so ausgetragen werden musste. Dahinter stünden zwei unvereinbare Auffassungen vom Papstamt. Die 95 Thesen hätten sehr radikale Forderungen aufgestellt. „Der Papst selbst war davon überzeugt, dass er Zugriff auf das Jenseits hat, dass er arme Seelen aus dem Fegefeuer erlösen kann. Er sieht sich als Verkörperung der Kirche und beansprucht das theologische Deutungsmonopol und die Auslegung der Bibel. All das wird ihm von Luther strittig gemacht“, erläuterte der Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg in der Schweiz.

Dass Luther mit dem Ausschluss aus der Kirche bedroht wurde, sei für ihn der Beweis dafür gewesen, dass die Kirche gegen das Papsttum neu aufgebaut werden muss. „Dass der Papst der Anti-Christ ist, wird zur tragenden Säule seines Selbstverständnisses. Er sieht sich von Gott als Kämpfer gegen diesen Anti-Christen aufgerufen“, erklärte Reinhardt.

1520 denkt Luther die Kirche neu

Das Jahr 1520 sei für Luther ein „Wunderjahr“ gewesen, was seine Produktivität angeht. Er habe sich in einem Neufindungsprozess befunden. „Er denkt die Kirche neu, er denkt die Gerechtwerdung des Menschen vor Gott neu. Es war eine Bestätigung und ein Anstoß, jetzt endgültig die Kirche neu zu ordnen“, sagte Reinhardt. Luther hatte im Jahr 1520 drei Hauptwerke verfasst, darunter auch eines seiner theologisch bedeutsamsten „Von der Freiheit eines Christenmenschen“.

epd-Gespräch: Franziska Hein