Predigt bei der Vollversammlung des Arbeitskreises Kirche und Sport in Bad Boll

Liebe Gemeinde,

erinnern Sie sich noch an das Wintermärchen 2007?

Nachdem die deutsche Fußballnationalmannschaft 2006 im Halbfinale der Weltmeisterschaft knapp gescheitert war, fand Anfang 2007 erneut eine Weltmeisterschaft im eigenen Land statt: Es war Handballweltmeisterschaft in Deutschland und einige von uns waren zu dieser Zeit in Sils.

Wurden Mitte 2006 die schwarz-rot-goldenen Autofähnchen, Hüte, Mützen, Schals, Perücken und Flaggen zunächst enttäuscht in den Schrank gelegt, so konnten sie im Januar 2007 wieder voller Freude und Hoffnung herausgeholt werden. Deutschland wurde wieder in Schwarz-Rot-Gold getaucht, und man versammelte sich unter der Woche und an Wochenenden in großen Scharen vor den Fernsehern oder beim public viewing. Man traf sich, um die eigene Mannschaft anzufeuern und war somit zugleich Teil einer großen Fanbewegung.

Manch einer war begeistert von der ganzen Mannschaft, andere von einzelnen Spielern. Der eine schwärmte von den großartigen Paraden der Torhüter Henning Fritz oder Jogi Bitter. Andere hielten den Atem an, wenn Florian Kehrmann als Rechtsaußen in die Mitte des Kreises sprang und niemand wusste, ob er einen Heber oder einen Dreher machen wird oder den Ball mit voller Wucht ins lange Eck werfen würde.

Doch die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand hatte noch mehr Talente: Im linken Rückraum konnten sich die Zuschauer über „Pommes“ Pascal Hens freuen, der mit seinen 2,03m fast jeden Abwehrblock überspielen konnte. Auf der rechten Seite im Rückraum zeigte der Linkshänder Holger Glandorf mit verschiedenen Wurfvarianten sein Können. Die Mittelposition wurde von Mimi Kraus besetzt, der entweder selber den Abschluss suchte oder den Kreisläufer Christian Schwarzer in Szene setzte. Abgerundet wurde die erste Mannschaft der DHB-Auswahl von Torsten Jansen auf der Linksaußenposition. Mit einer Trefferquote von über 90 Prozent war er ein Garant für den Weltmeistertitel 2007.

Die Handballnationalmannschaft hat den Titel gewonnen. Sicher haben auch die Fans in den Hallen und auf den Straßen dafür gesorgt, dass die Spieler das Letzte aus sich herausholen konnten.

Doch vor allem das perfekte Zusammenspiel der unterschiedlichen Talente ebnete den Weg zum Erfolg. Wurde ein Ball im Angriff verworfen, liefen alle Spieler schnell zurück, um den Fehler, den einer von ihnen verursacht hatte, wieder auszubügeln. Abwehrfehler konnten meist durch eine hervorragende Torhüterleistung bereinigt werden. Alle Mannschaftsmitglieder hatten sich einem Ziel verschrieben: dem Sieg. 

Von Runde zu Runde wuchs die Mannschaft besser zusammen und wurde mehr und mehr zu einer Einheit. Obwohl die Spieler eine Einheit bildeten, konnte der Zuschauer feststellen, dass jeder in der Mannschaft seine eigene spezielle Rolle einnehmen musste, damit der Weltmeistertitel im Land bleiben konnte. Jeder brachte seine Gaben ein und wusste darum, dass diese wichtig sind. Es bedurfte keiner sportjournalistischen Ausbildung, um zu erkennen, dass die Mannschaft ohne dieses Zusammenwirken der unterschiedlichen Talente nicht einmal die Vorrunde hätte überstehen können.

Stellen sie sich vor, die Spieler hätten eigenwillig ihre Positionen getauscht. Oder noch schlimmer: der Trainer hätte die Spieler nicht gabenorientiert eingesetzt. Wenn der relativ kleine Rechtsaußen Torsten Jansen versucht hätte, die Position des 20 cm größeren Rückraumspielers einzunehmen, wäre wohl jeder Angriff gescheitert. Einen Kreisläufer ins Tor zu stellen, wo man doch den weltbesten Torhüter hat, macht ebenso keinen Sinn, wie den Torhüter auf die Linksaußenposition zu stellen. Das Motto: „Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn“ mag für viele Lebenssituationen passen, als grundlegende Taktik für einen Mannschaftssport ist es verständlicherweise nicht zu empfehlen.

Diese Erkenntnis könnte ich für viele weitere Sportarten durchbuchstabieren, und sie gilt natürlich auch für zahlreiche andere Lebensbereiche.

Jedes Mannschaftsmitglied muss um seine eigenen Gaben wissen. Der Rat eines Mannschaftskameraden, einer Mannschaftskameradin oder der Rat des Trainers kann dabei eine gute Hilfe sein.
 
Das Thema Begabung war bereits für den Apostel Paulus wichtig. Paulus sieht in der Gemeinde in Korinth, dass es dort viele verschiedene Menschen gibt, die der Herr verschiedenen begabt hat. Paulus geht es allerdings nicht darum, wer am besten im Mittelfeld oder als Stürmer spielen soll, sondern Paulus spricht über die „Gaben des Geistes“. Er schreibt davon im ersten Brief an die Korinther im 12. Kapitel.

1Über die Gaben des Geistes, aber will ich euch, liebe Brüder, nicht in Unwissenheit lassen.
2Ihr wisst: Als ihr Heiden wart, zog es euch mit Macht zu den stummen Götzen.
3Darum tue ich euch kund, dass niemand Jesus verflucht, der durch den Geist Gottes redet; und niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den Heiligen Geist.
4Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist.
5Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr.
6Und es sind verschiede Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.
7In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller;
8dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden; dem anderen wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist;
9einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe gesund zu machen, in dem einen Geist;
10einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen.
11Dies alles aber wirkt derselbe Geist und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will.

Paulus war also eine Art Trainer. Er erkannte, dass in der Gemeinde viele verschiedene Begabungen vorhanden waren, die den Christenmenschen gegeben wurden: Der eine konnte von der Weisheit reden, ein anderer konnte Menschen gesund machen, und wieder einem anderen war die prophetische Rede gegeben. Paulus geht es dabei nicht um Wertigkeiten. Keine Gabe ist wichtiger als eine andere, es gibt kein besser und kein schlechter. Genau wie bei der Handballmannschaft haben alle ein Ziel.

In diesem Falle ist das Ziel aber natürlich ein anderes.

Wir finden diese Beschreibung in Vers 7: “In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller“.

Der gemeinsame Nutzen der Talente steht im Vordergrund. In welcher Art und Weise der gemeinsame Nutzen unterstützt wird, ist individuell, aber die Gabe des Einzelnen bringt die Gemeinde voran. Wunder zu tun, prophetisch zu reden und von der Erkenntnis zu sprechen sind wichtige Eigenschaften für die Gemeinde in Korinth. Die Menschen, die diese Begabung haben, sind vor Ort, sie leben in Korinth.
 
Auch in diesem Fall ist es wichtig, dass jeder einzelne die eigene Gabe erkennt und richtig einsetzt. Was würde passieren, wenn derjenige, der von der Weisheit reden kann, nun versucht Wunder zu wirken oder prophetisch zu reden? Es würde nicht zur Erbauung der Gemeinde dienen sondern zum Chaos und vielleicht sogar zum Untergang.

Vor Gott sind folglich alle Menschen gleich. Nicht, weil sie gleichbegabt wären oder alle dasselbe könnten. Vielmehr sind sie deswegen gleich, weil Gott sie mit Talenten ausgestattet hat, und sie ihre Gaben für ihre Schwestern und Brüder im Herrn einsetzen sollen. Die Menschen werden gleichermaßen gebraucht in dieser Welt -- so wie in einer Mannschaft, die dasselbe Ziel verfolgt.

Der Blick auf den Sport kann uns tagtäglich vor Augen führen, dass wir nur als Leib Christi – als ganze Mannschaft – erfolgreich funktionieren können. Ich finde, dass uns diese Erkenntnis sehr entlastet und für ein harmonisches Leben in einer Gemeinde sorgen kann. Denn es schützt uns davor, uns für besser und wichtiger zu halten als unseren Nachbarn. Und außerdem schützt es manchen von uns davor, sich für alles verantwortlich zu fühlen. Weil wir wissen, dass wir gar nicht alles allein bewerkstelligen können, da uns nicht alle notwendigen Begabungen gegeben sind. Der begnadete Redner muss nicht zugleich Gitarre spielen, der Hausmeister nicht die Briefe der Sekretärin schreiben können. Der Pfarrer muss weder Organist noch Architekt sein. Wir dürfen wissen, dass Gott einen Menschen in unserem Umfeld begabt für die Dinge, die für eine Gemeinde nützlich sind. Es sind immer viele Menschen und ihre Talente, die eine Gemeinde bauen.

Gott sieht alle Menschen gleich an, egal welches Talent sie haben. Diese Erkenntnis verhindert, wenn sie verinnerlicht ist, jedes Aufkommen von Neid. Der Torwart, der die Tore verhindern soll, ist für den Erfolg der Mannschaft genauso wichtig wie der Rückraumwerfer, der die Tore erzielt. Wer in einer Gemeinde Kuchen backt, ist genauso wichtig wie der Pastor, der die theologischen Impulse setzt. Die Kindergärtnerin ist genauso wichtig wie der Küster, der an Heilig Abend die Kerzen am Weihnachtsbaum anzündet. 

4Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist.
5Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr.

Ja, es sind verschiedene Ämter, die eine Gemeinde lebendig machen. Und viele davon werden nicht einmal hauptamtlich ausgeübt. Für das große ehrenamtliche Engagement in unseren Gemeinden können wir nicht dankbar genug sein. Denn auch ein Ehrenamt ist tatsächlich ein Amt. Die moderneren Begriffe der „Freiwilligentätigkeit“ oder des „bürgerschaftlichen Engagements“, die inzwischen häufig statt des Wortes „Ehrenamt“ verwendet werden, können diese Dimension niemals so gut zum Ausdruck bringen, wie der auf den ersten Blick etwas antiquiertere Begriff des Ehrenamtes. Natürlich sind die neueren Begriffe nicht falsch. Sie betonen andere Aspekte des ehrenamtlichen Dienstes: Der Begriff der „Freiwilligentätigkeit“, macht deutlich, dass niemand einen Menschen zwingt, sich in seiner Freizeit unentgeltlich für andere einzusetzen. Und im Ausdruck „bürgerschaftliches Engagement“ wird deutlich, dass Ehrenamtliche ihren Dienst versehen für unsere Gesellschaft, als deren Teil sie sich verstehen.

Doch im Wort Ehrenamt steckt etwas, das für diesen Dienst meiner Meinung nach noch wichtiger ist, nämlich: Die übernommene Aufgabe ist nicht nur eine Laune, sie ist eine Verpflichtung. Die dem Ehrenamtlichen anvertrauten Menschen können sich darauf verlassen, dass er oder sie tut, was er oder sie zugesagt hat. Die Ehrenamtlichen stellen Ihre Tätigkeit nicht einfach sang- und klanglos ein. Denn ihr Dienst hängt eben nicht nur an ihrem Engagement, sondern sie füllen tatsächlich ein Amt aus, das meist in feste Strukturen eingebunden ist, und das diese Verlässlichkeit schlichtweg braucht.

Aber noch etwas wird durch das Ehrenamt bewirkt: Es kanalisiert unsere Gaben. Sie werden sinnvoll eingeteilt und nicht verschwendet. Wer sich einbringt, ist ein guter Haushalter. Weiß Gott, eine Eigenschaft, die in unserem Land und in der Europäischen Union nicht immer überrepräsentiert ist. Die Währung des Ehrenamtes ist stabil. Sie als diejenigen, die sich einbringen, Sie alle sind der Rettungsschirm für viele andere. Ein Rettungsschirm, übrigens, der hält und der genau das hält, was er verspricht.

Das wir weiter unsere Aufgabe darin sehen, dazu verleihe uns Gott weiterhin die Kraft

Amen