Dialogratgeber zur Förderung der Begegnung zwischen Christen und Muslimen in Deutschland

Herausgegeben von der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Koordinationsrat der Muslime

Grundlegendes

Was ist Dialog?

Dialog ist getragen von einer Haltung, die ein Zusammenleben in gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe anstrebt. Begegnungen und Schritte des gemeinsamen Handelns in der Nachbarschaft, im Stadtteil oder am Arbeitsplatz stehen dabei im Vordergrund. Darüber hinaus sind auch theologische Gespräche für das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen wichtig.

Zentral sind die Fähigkeiten, zuzuhören und sich auf Fragen anderer einzulassen. Zur Offenheit für andere gehört aber auch, das Eigene einbringen und vertreten zu können. Das im Gespräch Gesagte und Gehörte zu reflektieren, ist ebenfalls Teil eines Dialogs.

Als Motivation für den Dialog dient der Wunsch nach religiösem Verstehen ebenso wie die Bewältigung lebenspraktischer Fragen, wie etwa der nach einem friedlichen Zusammenleben, nach sozialer Gerechtigkeit oder nach dem Schutz von Klima und Umwelt.

Vertrauen wachsen lassen

Vertrauen lässt sich nicht verordnen, es muss wachsen. Dazu bedarf es mitunter eines längeren Prozesses. Ungeduld und Eile sind hier keine guten Ratgeber. Durch kontinuierliche Begegnungen und Austausch, aber auch durch Erfahrungen im gemeinsamen Handeln kann der Dialog gelingen. Mögliche Irritationen oder Enttäuschungen müssen nicht zum Vertrauensverlust führen, sondern können die Beziehungen vertiefen. Dafür müssen die Dialogpartner in Kontakt bleiben und gemeinsam nach Lösungen suchen.

Andere wertschätzen

Jeder Mensch empfängt seine Würde von Gott. Begegnen sich zwei Menschen im Dialog, sind beide gehalten, den anderen wertzuschätzen und sich ihm oder ihr gegenüber respektvoll zu benehmen. Dieser Respekt gilt nicht nur für die physische Existenz des anderen, sondern auch für dessen religiöse Praxis. Die Freiheit eines jeden, entscheiden zu können, ob er eine bzw. welche Religion er wählt, muss als Menschenrecht geachtet werden. Das bedeutet auch, behutsam mit Befürchtungen umzugehen, der Dialog wolle die eigene religiöse Identität verändern oder den anderen für die eigenen Interessen vereinnahmen. Wertschätzender Dialog hebt die Vielfalt gerade nicht auf, sondern würdigt sie.

Augenhöhe wahren

Zu einem gelingenden Dialog gehört die Bereitschaft, den Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin als gleichberechtigt und ebenbürtig zu akzeptieren. Es sollte deshalb das Interesse und Bemühen aller Beteiligten sein, eine solche Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen bzw. immer wieder herzustellen. Ungleichgewichte in struktureller oder personeller Hinsicht dürfen den Anspruch einer gleichberechtigten Begegnung nicht aus dem Blick geraten lassen. Die Beachtung der formalen Rahmenbedingungen, der vorhandenen Mehrheits- oder Minderheitsverhältnisse, gehört in jedem Fall zur dialogischen Kompetenz hinzu.

Sprachen achten und übersetzen

Mit Sprache verbinden sich vielfältige Emotionen. Sie ist nicht nur Kommunikationsmittel, sie kann auch Ausdruck einer Kultur oder einer Heimat sein. Zudem gibt es nicht nur die gesprochene Sprache, sondern auch die Körpersprache, deren Bedeutung in verschiedenen Kontexten sehr unterschiedlich ausfallen kann. So kann zum Beispiel eine Kopfbewegung nach rechts und links in einer Kultur »ja« und wiederum in einer anderen »nein« bedeuten. Übersetzung, Erfahrung und Wissen sind deshalb in jedem Fall erforderlich, um eine größtmögliche Verständigung zu erzielen. Da nur wenige Menschen zwei oder mehrere Sprachen in gleicher Weise fließend sprechen, braucht es für die Kommunikation zwischen einem Muttersprachler und einem Sprachanfänger Geduld, Einfühlungsvermögen und das Bewusstsein, dass keine Sprache mehr wert ist als eine andere. Jede Sprache ist für sich genommen ein Schatz, der von Generation zu Generation weitergegeben werden sollte.

Friedliches Miteinander fördern

Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg und Gewalt. Zum Frieden gehört es, Gutes voneinander zu erwarten und Gutes über den Nächsten zu sprechen. Dazu braucht es ein Miteinander, das vom friedlichen Umgang geprägt ist und dies in Worten und Taten zum Ausdruck bringt. Die gemeinsame Arbeit an einer gerechten Gesellschaft ist dabei ebenso erforderlich wie die Fähigkeit, sich nicht entmutigen zu lassen. Gemeinsame interreligiöse Friedensbemühungen werden nicht überall mit Applaus bedacht, sondern bisweilen als unrealistisch, blauäugig oder gar gefährlich abgelehnt. Diese Kritik übersieht, dass ohne einen Dialog zwischen Religionsgemeinschaften das friedliche Miteinander dauerhaft keine Gestalt annehmen kann.

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