Ansprache im Rahmen eines Gedenkaktes zu Ehren des verstorbenen Altpräsidenten von Hertha BSC Wolfgang Holst

Liebe Angehörige,
liebe Freunde von Wolfgang Holst,
liebe Herthanerinnen und Herthaner!

„Liebe Freunde! Ich war nicht immer der Beste und ich war nicht immer der Erfolgreichste!“ Mit diesem Satz hat Wolfgang Holst auf der letzten Mitgliederversammlung am 30. November fast so etwas wie eine Zusammenfassung, ein Resümee seines Lebens und Arbeitens für HERTHA BSC abgelegt.

Und dass sein Leben ein Leben und Arbeiten für diesen Verein war, das steht so fest wie das Amen in der Kirche.

Dieser Satz ist ein Resümee, das bescheiden und versöhnlich ist und das eben doch auch keinen Hehl daraus macht, dass er vielfach der Beste und Erfolgreichste war. Bescheidenheit und Selbstbewusstsein sind gleichsam die Doppelaussage dieses Satzes.

In den letzten Jahren war Wolfgang Holst vielleicht gerade in den Dingen erfolgreich und gut, die für einen Verein so wichtig sind, nämlich dass zwischen denen, die wichtig sind, und denen die wichtig tun gerade in Krisensituationen vermittelt und beruhigt wird, wo doch die Emotionen so schnell hoch fliegen.

Wenn ich aber von der Vereinsführung gebeten worden bin, heute als Evangelischer Pfarrer des Olympiastadions und vor allem als seelsorgerlicher Begleiter unserer HERTHA zu sprechen, dann kommt Gott zur Sprache, denn man kann über Leben und Tod kaum sinnvoll sprechen, wenn wir diese Dimension unseres Lebens nicht bedenken.

Wolfgang Holst ist aus unserer Mitte gerissen worden. Ja, es ist wahr, er hat mit 88 ein stattliches Alter erreicht, ein Alter, indem wir eher Gott dafür dankbar sind, wenn wir dieses erreichen dürfen. Aber, wenn man ihn bei Heimspielen am Samstag auf der Ehrentribüne in der dritten Reihe direkt am Mittelgang sitzen sah, dann dachte man an alles, aber nicht an seinen nahen Tod. Und somit trifft uns sein plötzlicher Tod doch sehr.

Der Tod zeigt uns unsere Begrenztheit und wir fühlen uns ohnmächtig und kraftlos. Und so denken wir bei dieser Gedenkfeier immer auch an andere Trennungen und Abschiede, die wir selbst erlebt haben oder die uns noch bevorstehen.

Und so treten wir alle angesichts des Todes von Wolfgang Holst hinter dem trügerischen Schutzwall aus Gesundheit, Erfolg und Beliebtheit hervor. Ein Schutzwall, der ja gerade im Profibusiness unüberwindbar scheint. Wir lassen damit die unliebsame Erkenntnis zu, dass am Ende ein jeder von uns scheinbar auf sich selbst zurück geworfen ist. Denn wir hören die Stimme, die in uns fragt: Was trägt mich eigentlich im Leben und im Sterben? Was hält mich, wenn der Boden unter meinen Füßen nachgibt? Was bleibt, wenn alles andere sich auflöst? Und: Was richtet mich wieder auf, wenn die Last auf meinen Schultern mich in die Knie zwingt?

Liebe Freunde, das ist der christliche Glaube. Es ist der Glaube an den Gott, der in Bethlehem Mensch wurde und sich damit direkt neben dich und mich stellte und uns mit diesen Fragen nicht allein lässt.

Es ist also ausgerechnet der Glaube an Gott, der uns im Leben und Sterben Halt gibt. Gerade dann, wenn wir die richtigen Antworten brauchen, bringt uns der Glaube weiter, obwohl wir Zeit unseres Lebens häufig nur im Wissen die ersehnte Sicherheit suchen.

Wie aber der Glaube das Leben von Menschen prägt und sie zu unglaublichen Dingen befähigt, das sehen wir immer wieder im Kleinen wie auch im Großen.

Sicherlich, Wolfgang Holst hatte gegenüber der Kirche eine durchaus zurückhaltende Haltung, doch diejenigen, die ihn genau kannten wissen in bunten Bildern zu erzählen, dass er einer war, und da übertreibe ich nicht, der Nächstenliebe in vielfacher Form geübt hat.

Er war eben nicht nur für seine Familie ein guter Vater und später ein sehr guter Großvater und Familienmensch, sondern er nahm sich auch derer an, die einfach in sein Leben traten. Er half, wo es der Hilfe bedurfte.

Eines Tages kam eine belgische Schulklasse in sein Lokal „Holst am Zoo“. Die Schülerinnen und Schüler waren fröhlich und guter Dinge. Berlin gefiel ihnen und sie wollten noch viel erleben. Doch ein Junge schaute sehr trübsinnig mit leeren Augen durch das Lokal. Holst sah das, ging auf den Jungen zu und fragte, was mit ihm sei. Er antwortete, dass man ihn gerade beklaut habe, und dass er jetzt keinen Pfennig Taschengeld mehr besäße. Darauf zückte Holst einen Hunderter und gab ihm dem Jungen.

Er war freigebig, dabei aber nicht leichtfertig. Einige aus der älteren HERTHA Riege können davon berichten wie sehr er in Sachen HERTHA immer nach einer „Spende“ für HERTHA unterwegs war. Und wir wissen, da ging es um andere Summen als die, die selbst am Heiligen Abend im Klingelbeutel landen.
   
Es erforderte Holst`s Kraft, sich den mühsamen Aufgaben immer wieder neu zu stellen, die der Verein erforderte. HERTHA BSC kostet auch heute viel Kraft. Die Umsetzung von Visionen, deren dauerhafte Realisierung fordert von den Verantwortlichen, ja von uns allen ganzen Einsatz.

So eine Kraft kommt nicht aus uns selbst heraus, sie kommt von außen zu uns und schenkt uns jeden Tag aufs Neue den Tatendrang, den wir jeden Tag neu brauchen, um erfolgreich zu sein. Und unser christlicher Glaube, der doch so etwas wie die Seele ist, die uns an großes glauben lässt, ist hierfür unerlässlich.

 Das gilt auch für den größten Glauben, den man haben kann. Ich meine hier nicht, dass HERTHA aufsteigt, dazu braucht man nicht den allergrößten Glauben, sondern vor allem eine Elf, die den Aufstieg meistern kann – und die haben wir!

Nein, ich meine den Glauben, der weiß, dass nach diesem Leben nicht alles vorbei ist, sondern, dass unser Leben im Hier und Jetzt und in der Ewigkeit vor Gott einen Sinn hat.

Der Glaube an Jesus Christus kann uns davor bewahren, dass wir uns im Sterben selbst verlieren. Denn im Sterben sind alle Irrlichter, die im Leben noch täuschen können, entlarvt und wirkungslos. Hier kann es nur der Glaube an den Dreieinigen Gott sein, der uns der Trauer und des Schmerzes in der Situation des vergehenden Lebens enthebt.

Im Glauben, so ist es Gottes Versprechen, nimmt er uns an die Hand und begleitet uns aus unserem alten Leben in das neue, das ewige Leben in seinem Reich. Der Glaube bildet die Brücke, die uns tragfähig zur Verfügung steht, wenn wir durch das Tal der Tränen hindurch gehen müssen.

Jesus Christus ist es selbst, der uns an die Hand nimmt, wenn wir über die Brücke müssen. Er hält uns, wenn uns vor diesem Weg schwindelig wird, egal wann wir vor ihn gestellt werden. Er hält uns die Hand, wenn sonst keiner mehr bei uns ist, wenn keiner mit uns betet, wenn keiner für uns Lieder der Hoffnung anstimmt. Ja, Jesus Christus ist allein der, der sagt: „Ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Denn so wahr wie das Lied von HERTHA BSC ist, das davon singt, dass man nach einem wunderbaren Sieg nicht nach Hause will, weil man den Moment des schönen Sieges in die Ewigkeit ausgedehnt wissen möchte, so wahr ist auch, dass wir wissen, dass unser Leben auf dieser Welt nicht ewig dauert und dass wir den Weg eines nahen oder fernen Tages nach Hause antreten müssen, ja vielleicht sogar dürfen. Nach Hause gehen zu dürfen zu dem, der auf uns wartet und der uns nicht fallen lässt, sollten wir noch so viele Niederlagen in unserem Leben eingesteckt haben.

Wolfgang Holst ist nach Hause gegangen, wir aber, die wir leben, wir bleiben noch hier, weil Gott es so will.

Und weil wir dies wissen, können wir auch nach einer Zeit der Trauer wieder in unser normales Leben zurückkehren. Und vielleicht kommen wir im Glauben an Gott wieder anders in unsere Alltäglichkeit zurück. Denn in diesem Moment, da wir den Tod so nah vor Augen gestellt bekommen haben, überkommt uns intensiver als sonst in unserem Leben die Gewissheit, dass allein Gott Grund und Ursache unseres Lebens ist.

Es ist nicht der Weg des Wissens, des Verstehens oder des für wahr Haltens, der einem Gott näher bringt. Im Gegenteil: Es ist das bewusste Loslassen all der menschlichen Sehnsucht zu Begreifen und zu Erfassen und Festzuhalten, was nicht haltbar ist.

Vielmehr müssen wir unseren Geist frei geben, damit der Glaube uns erfassen kann. Nur wie ein Kind mit unverstelltem Glauben kommen wir mit Gott in Kontakt.

Wolfgang Holst hat sein Leben intensiv bis in die letzten Tage gelebt. Er war auf der Ehrentribüne selbst mit 88 noch so etwas wie ein vitaler Teil der Ostkurve mit lauten Rufen und klarer schnarrender Stimme und unüberhörbarem rollenden “ R“.

Nun hat Gott ihn aufgenommen. Er ist zu Hause angekommen. Dort wird es Schauen, woran er sicherlich gezweifelt hat oder woran er im Verborgenen doch geglaubt hat. Nämlich die Herrlichkeit Gottes.

Möge die Kraft, die ihm von Gott gegeben wurde und der Blick für den Nächsten auch uns immer wieder im täglichen Leben, sei es bei HERTHA BSC oder in unserem privaten Leben, gegeben sein.

Amen