Schön, dass Sie (wieder) da sind!

Eintritt und Wiedereintritt in die evangelische Kirche, EKD-Texte 107, 2009

Fussnoten

Treten Sie ein! Diese Einladung, (wieder) zur Kirche zu gehören, haben in den letzten Jahren viele Menschen angenommen. Die Zahl der Aufnahmen durch Taufen und auch die Zahl der Wiedereintritte in die evangelische Kirche bewegt sich seit Jahren auf dem bemerkenswerten Niveau von mehr als 60.000 jährlich. Auch wenn festzustellen ist, dass Ereignisse der Tagespolitik oder Äußerungen kirchlicher Leitungspersonen phasenweise Einfluss auf das Ein- oder Austrittsverhalten haben können: (Wieder-)Eintrittsstellen, die mit der Änderung des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes ermöglicht wurden, haben einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung – selbst wenn nach wie vor eine erhebliche Zahl der (Wieder-)Eintritte in den Ortsgemeinden erfolgt. Aber wo eine (Wieder-)Eintrittsstelle eingerichtet wurde, stieg die Zahl der (Wieder-)Eintritte signifikant an. Mittlerweile gibt es 140 (Wieder-)Eintrittsstellen in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dabei herrscht eine große Formenvielfalt. Neben die (Wieder-)Eintrittsstellen, die ihren Ort in einer offenen Kirche haben, sind solche in Kirchenläden, Buchhandlungen, in Dekanaten, Superintendenturen oder in Gebäuden von regionalen Kirchenverwaltungen getreten. In einigen Landeskirchen gibt es darüber hinaus auch mobile Eintrittsstellen, die Menschen dort ansprechen, wo sie sich zu besonderen Ereignissen wie Hochzeitsmessen oder regionalen Events wie Stadt- oder Landesfesten zusammenfinden. Zudem spielt das Internet als Informationsmedium auch in diesem Zusammenhang eine immer größer werdende Rolle.

Im November 2006 hat die EKD gemeinsam mit der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelische Kirche von Westfalen zu einem Symposium eingeladen, das vier Intentionen verfolgte: die bisher gemachten Erfahrungen in den (Wieder-) Eintrittsstellen auszuwerten und zu bündeln, die Motive und Anlässe für einen (Wieder-)Eintritt genauer zu erheben, seine ekklesiologischen und praktischen Fragen zu erörtern und Impulse für eine an notwendigen Standards orientierte Praxis im Raum der EKD zu geben [1].

Das beschreibt auch die Intention des vorliegenden Textes: Wie kann der (Wieder-)Eintritt in die evangelische Kirche gefördert werden?

Damit wird zugleich ein Grundanliegen des kirchlichen Reformprozesses „Kirche der Freiheit“ aufgenommen und weitergeführt. „Außenorientierung statt Selbstgenügsamkeit“ [2] gründet in dem biblisch begründeten Auftrag der Kirche. Eine missionarische Neuausrichtung der Kirche ist daher zu befördern und wird als Aufgabe der ganzen Kirche anerkannt, die in allen Handlungsfeldern zur Geltung kommen muss [3]. Es wird geschätzt, dass sich die Zahl der in unserer Gesellschaft lebenden evangelisch getauften Nichtkirchenmitglieder bzw. Konfessionslosen zwischen 3,5 und 5 Millionen bewegt. Das ist ein großes Potential für ein besonderes missionarisches Engagement gegenüber Ausgetretenen wie auch gegenüber denen, die seit einer oder mehreren Generationen keinen Kontakt mehr mit einer christlichen Kirche haben [4].

Die Frage nach dem (Wieder-)Eintritt in die evangelische Kirche kann aber nicht zielorientiert beantwortet werden, ohne zu erhellen, welche Motive und Anlässe Menschen dazu bewegen, einzutreten oder sich taufen zu lassen, und wer diese Personen sind. Es gibt daher ein hohes Interesse an der Empirie des Kircheneintritts. Die bisherige Basis der empirischen Befunde ist beschränkt, deren Datenmaterial schon älter. Daher wurde die Erarbeitung dieses Textes begleitet von einer eigenen qualitativen Studie, um zu untersuchen, inwieweit die bisherigen empirischen Befunde exemplarisch weitergeführt werden können und wo sich neue Erkenntnisse auftun. Die Studie ist diesem Text als Anhang angefügt.

Eine Erkenntnis bei der Beschäftigung mit dem Thema ist eindrücklich: Bei aller Unterschiedlichkeit, die sich im Blick auf die jeweiligen Situationen in den westlichen und östlichen Gliedkirchen der EKD wahrnehmen lässt, spielt das Phänomen Kirchenbindung eine zentrale Rolle. Für ekklesiologische und praktisch-theologische Überlegungen ist es eine Schlüsselgröße.

Ein handlungsleitender Text zu Grundfragen des (Wieder-)Eintritts muss notwendigerweise den derzeitigen rechtlichen Stand des Kircheneintritts erheben und darlegen, Wege des (Wieder-)Eintritts – einst und jetzt – beschreiben und über seine Gestaltung in einer Kultur des Willkommens reflektieren. Zudem bleibt eine zentrale Aufgabe für eine Kirche, die missionarisch wirken und sich einladend präsentieren will, die Öffentlichkeitsarbeit. (Wieder-)Erkennbarkeit durch ein einheitliches Erscheinungsbild ist geboten, wenn sie dazu auffordern und einladen will, dass ein Augsburger, der auf den friesischen Inseln Urlaub macht, oder eine Görlitzerin, die Saarbrücken besucht, (wieder) in „seine“, in „ihre“ evangelische Kirche eintreten kann.

Handlungsimpulse, die die empirischen und theologischen Einsichten und Ergebnisse aufnehmen, machen als Empfehlungen deutlich, an welche Zielgruppe sich der Text vor allem wendet: an Personen, die Verantwortung für die Initiierung, Einrichtung und Ausstattung von (Wieder-)Eintrittsmöglichkeiten in der EKD tragen, und an Menschen, die sich schon jetzt oder prospektiv der Aufgabe in Praxis annehmen, die Einladung zu überbringen und zu gestalten: Treten Sie ein! … Schön, dass Sie (wieder) da sind!

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