Das Risiko kennen - Vertrauen sichern

Vorwort

Die evangelischen Landeskirchen und ihre Diakonie haben Konzepte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt entwickelt und tragen diese in alle kirchlichen Einrichtungen und Institutionen hinein. Diese Broschüre ist erstellt worden, um ehrenamtliche Kirchenvorstände (beziehungsweise Presbyter, Gemeindekirchenräte) zu unterstützen, die für ihre Kirchengemeinde präventive Maßnahmen zur Vermeidung sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen umsetzen.

In den Kirchengemeinden versammeln sich Menschen, groß und klein, alt und jung. Die Gemeinschaft, die unter Gemeindemitglieder herrscht, ist mit persönlichen Bekanntschaften, Herzlichkeit und gegenseitigem Vertrauen verbunden. In Kirchengemeinden wird viel Zutrauen geschenkt. Das Mitei-nander in den Gottesdiensten, in den Kindertagesstätten, das Musizieren oder die geistliche Unterrichtung wird als positiv, menschlich zugewandt, gemeinschaftlich und fröhlich empfunden. Eltern überlassen ihre Kinder den Erzieherinnen und Erziehern der evangelischen Kindertagesstätten und Jugendliche vertrauen sich Pastorinnen und Pastoren an, wenn das Verhältnis zu Lehrerinnen und Lehrern oder zu den Eltern schwierig wird. Kinder singen im Gottesdienst, erhalten eine musikalische Ausbildung im Instrumentalkreis oder an der Orgel. Die Kirchengemeinden laden zu Freizeiten mit Kindern und Jugendlichen ein, die von Teamern begleitet werden und in denen Abenteuer und Abwechslung neben der gemeinsamen Arbeit zum Kennenlernen der christlichen Botschaft stehen.

In diesen nur beispielhaft genannten Wirkungsbereichen der Kirchengemeinden wird viel Beziehungsarbeit geleistet, die viele Beteiligte zusammenbringt. Dabei wird allgemein erwartet, dass die Kinder und Jugendlichen vor Verletzungen und Übergriffen geschützt werden. Es gehört zu den Aufgaben von Kirchenvorständen, die Risiken für die anvertrauten Kinder und Jugendlichen so weit wie möglich zu minimieren.

Bevor ein bestehendes Risiko minimiert werden kann, muss es zunächst erkannt und benannt werden. Erst dann können gezielt Präventionsmaßnahmen eingesetzt werden, die dem tatsächlich existierenden Risiko entgegenwirken sollen.

Mit Hilfe einer Risikoanalyse wird geprüft, ob Strukturen (zum Beispiel besondere Abläufe, Verantwortlichkeiten) oder arbeitsfeldspezifische Risiken (zum Beispiel bestimmte Zielgruppen, ein besonderes Vertrauensverhältnis, eine Wohnsituation) in der eigenen Kirchengemeinde bestehen, die sexualisierte Gewalt begünstigen oder ermöglichen. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann die Grundlage für die Entwicklung und Anpassung von Schutzkonzepten und für Veränderungen in der Organisation sein.

Diese Handreichung ist ein Wegweiser, wie eine solche Risikoanalyse Schritt für Schritt erfolgen kann. Sie ist für Ehrenamtliche geschrieben worden, die ihre begrenzten Zeitreserven in die Arbeit der Kirchenvorstände einbringen und die wir unterstützen möchten. Diese Broschüre soll für sie eine Hilfestellung bei der Durchführung einer Risikoanalyse sein. Sie soll dazu beitragen, die Arbeit möglichst einfach zu gestalten, um so die Vorbereitung präventiver Schritte vorzunehmen.

Wir würden uns freuen, wenn in jeder Kirchengemeinde das Instrument der Risikoanalyse Anwendung finden würde und die notwendigen präventiven Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Dadurch entsteht eine Kultur der Achtsamkeit, die unseren Kindern und Jugendlichen gilt und sie vor der Gefahr sexualisierter Gewalt schützt.

Gedankt sei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz für Prävention, Intervention und Hilfe bei Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung, die diese Handreichung für die Kirchengemeinden im Bereich der Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland erarbeitet haben.

Hannover, im August 2014

Dr. Hans Ulrich Anke
Präsident des Kirchenamtes der EKD

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