Die Taufe

Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis der Taufe in der evangelischen Kirche. Vorgelegt vom Rat der EKD, 2008, hg. vom Kirchenamt der EKD. ISBN 978-3-579-05904-4

6. Schluss

Im Frühjahr 2007 hat der Kirchenkreis Stolzenau-Loccum der hannoverschen Landeskirche evangelische Eltern, die Kinder im Alter von 1 bis 12 Jahren noch nicht hatten taufen lassen, zu einem Tauffest im Kloster Loccum eingeladen. 438 Familien im Kirchenkreis wurden angeschrieben. 47 Familien haben geantwortet. 62 Kinder aus diesen Familien wurden zur Taufe angemeldet. Das Tauffest fand am Sonnabend, dem 16. Juni 2007, statt. Acht Pastorinnen und Pastoren aus dem Kirchenkreis vollzogen die Taufe an 60 Kindern. An dem Fest nahmen knapp 800 Menschen teil.

Diese Idee steht für eine Fülle von neuen Formen und Initiativen, die Bedeutung der Taufe für das individuelle christliche Leben, eine große kirchliche Region und die ganze Kirche stärker erfahrbar und damit besser verstehbar zu machen. Da die Taufe der entscheidende Zugang zur christlichen Kirche und die prägende Signatur des christlichen Lebens ist, gehört es zu den zentralen Aufgaben jeder christlichen Gemeinde, nicht nur mit allem Nachdruck zur Taufe einzuladen, sondern die Taufe auch im Leben der Getauften und der ganzen Gemeinde präsent zu halten. Am besten wird die Taufe im Bewusstsein gehalten, wenn durch ihre Feier und die Erinnerung daran die mit der Taufe verbundene Gnadengabe nicht nur einfach in traditioneller Sprache als Befreiung von der Macht der Sünde, als Teilhabe an Christi Kreuz und Auferstehung, als Begabung mit dem Heiligen Geist und als Aufnahme in die Gemeinschaft der Glaubenden proklamiert, sondern für die Gegenwart verständlich gemacht wird. Die evangelische Kirche ist angesichts dieser Aufgabe in dreifacher Hinsicht herausgefordert:

  1. Eine erste Herausforderung ist die Notwendigkeit, eine umfassende Taufkatechese als zentrales Element einer "Einübung ins Christentum" zu entwickeln, und zwar sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Nachbereitung, der lebenslangen Erinnerung und Deutung der eigenen Taufe. Dazu gibt es schon deswegen keine Alternative, da der lebenswendende Charakter der Taufe inhaltlich nicht verkürzt werden kann und die Tiefe des Gnadengeschenks auch nicht verflacht dargestellt werden darf. Hinzu kommt, dass trotz der hohen Taufbereitschaft viele Unklarheiten und Fragen, selbst bei kirchlich eng gebundenen Gemeindegliedern, bestehen. Gerade weil die Erwartungen von Kirchenmitgliedern, Eltern und Paten an eine solche Vor- und Nachbereitung eher diffus sind und sich offensichtlich nicht so sehr auf spezielle Gemeindeangebote richten, spricht vieles für Tauf- und Taufelternseminare. Ein zentrales Feld neuer Formen der Taufkatechese sind weiter die Kindergärten und Kindertagesstätten, aber auch die Kirchenpädagogik und besondere Gottesdienste, beispielsweise anlässlich von Kasualien, Festen des Kirchenjahres oder auf Kirchentagen.
  2. Eine zweite Herausforderung ist die starke Zunahme der Erwachsenentaufen. In den östlichen Gliedkirchen der EKD gibt es schon viele Erfahrungen und Ansätze, Erwachsenentaufen liturgisch und katechetisch besser zu gestalten; Vergleichbares entwickelt sich auch in den westlichen Gliedkirchen. Auf dieser Basis muss weiter nach geeigneten Formen gesucht werden, um die Taufe Erwachsener als eigenständige liturgische Handlung von der Kindertaufe abzuheben. Wichtig sind aber auch Gelegenheiten, solche Taufen im Leben einer christlichen Gemeinde als anerkannte Taufform im Bewusstsein zu halten. Besonders interessant sind dabei Ansätze, welche die Erfahrungsdimension der Taufe stärker berücksichtigen (beispielsweise durch Taufen in der Osternacht).
  3. Eine dritte Herausforderung besteht darin, die Bedeutung der Taufe stärker im Leben evangelischer Gemeinden wie im Lebensvollzug einzelner Christenmenschen sichtbar zu machen und entsprechend das Taufgedächtnis in der Kirche zu verstärken. Auch an dieser Stelle ist neben theologischer Urteilskraft liturgische Kompetenz gefordert: An die Taufe kann beispielsweise sehr schlicht in der Einleitungsformel des allsonntäglichen Glaubensbekenntnisses erinnert werden ("... das bei unserer Taufe gesprochen wurde ..."), aber auch durch einfache Gestaltungselemente im Kirchenraum (wie beispielsweise Photographien von getauften Gemeindegliedern). Eine Taufe im Hauptgottesdienst kann als Tauferinnerungsgottesdienst für die ganze Gemeinde gefeiert werden, bestimmte Sonntage (neben der Osternacht etwa auch die Pfingstfeiertage) können dafür regelmäßig vorgesehen werden.

Für das Leben einer christlichen Gemeinde ist es von zentraler Bedeutung, sich diesen besonderen Herausforderungen zu stellen. Die grundlegende Aufgabe besteht darin, die Taufe als das unverbrüchliche Zeichen der Annahme des Menschen durch Gott zu entfalten und die Getauften dadurch zu befähigen, ein fröhliches und getröstetes Leben zu führen. Denn mit der Taufe ist zugleich das ganze Leben der Christen vor Gott im Blick. Deswegen kann auch die Verbindung von Taufe und Abendmahl wieder ernster genommen werden, nicht zuletzt im Blick auf die Zulassung zum Altarsakrament: Für die Teilnahme von getauften Kindern und Jugendlichen am Abendmahl schon vor der Konfirmation gibt es gute Argumente, die in der Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche von 2003 (S. 54f.) dargelegt sind. Taufe wie Abendmahl vermitteln die Erfahrung, dass das öffentlich ausgesprochene Wort Gottes Glauben weckt, im Glauben hält und ein Leben aus Glauben trägt. So wird auch heute bekräftigt, was der auferstandene Christus durch die Taufe zu allen Zeiten und an allen Orten Menschen zugesagt hat: "Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende" (Matthäus 28,20).

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