Die Taufe

Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis der Taufe in der evangelischen Kirche. Vorgelegt vom Rat der EKD, 2008, hg. vom Kirchenamt der EKD. ISBN 978-3-579-05904-4

Vorwort

"Wenn man die Taufe als die Eintrittstür in die christliche Gemeinschaft bezeichnet, dann ist das Abendmahl der Heimathafen jeden Glaubens."
Mit diesem Satz kennzeichnete der frühere Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, vor fünf Jahren das Verhältnis von Taufe und Abendmahl. Damals, im Jahr 2003, legte der Rat der EKD eine Schrift mit dem Titel vor: "Das Abendmahl. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche". Wurde seinerzeit der "Heimathafen jeden Glaubens" beschrieben, so folgt nun eine Beschreibung jener Eintrittstür in evangelischer Perspektive. Dabei ist die Taufe zugleich ein Kernstück der ökumenischen Zusammengehörigkeit der Christenheit; zu Recht wird sie von vielen Kirchen als das "Sakrament der Einheit" der Christen bezeichnet. Es ist Ausdruck dieser ökumenischen Gemeinsamkeit in Deutschland, dass erst jüngst elf Kirchen im Magdeburger Dom feierlich eine gemeinsame Erklärung zur wechselseitigen Anerkennung der Taufe unterzeichnet haben. In dieser Erklärung heißt es:

"Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser
vollzogene Taufe an und freuen uns über jeden Menschen, der getauft wird. Diese wechselseitige Anerkennung der Taufe ist Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4 ­ 6). Die so vollzogene Taufe ist einmalig und unwiederholbar."

Man kann nicht dankbar genug sein für diese faktisch schon seit längerer Zeit vollzogene und bereits in einer Reihe regionaler Vereinbarungen dokumentierte, nun aber zusammenfassend erklärte Gemeinsamkeit; die in Magdeburg 2007 unterzeichnete Vereinbarung bleibt auch für diejenigen christlichen Kirchen offen, die jetzt noch nicht unterzeichnet haben, weil sie sich durch ihr Taufverständnis daran gehindert sahen.

Klärungen im Taufverständnis sind für jede Kirche angezeigt, damit die "Eintrittstür in die christliche Gemeinschaft" für alle deutlich zu erkennen ist. Damit ist die Aufgabe dieser Orientierungshilfe beschrieben. Auf dem Hintergrund der tragenden Gemeinsamkeiten im Taufverständnis, in denen die großen christlichen Konfessionen sich verbunden wissen, werden hier diejenigen Überlegungen und Einsichten hervorgehoben, die eine Orientierung zu Verständnis und Praxis der Taufe in evangelischer Perspektive eröffnen. Darin liegt keine konfessionelle Verengung; vielmehr dient es der ökumenischen Gesprächsfähigkeit, wenn Gemeinsamkeiten gestärkt, aber auch Unterschiede verständlich gemacht werden. In diesem Fall finden drei zentrale Dimensionen eine besondere Berücksichtigung:

  1. Eine evangelische Orientierung im Verständnis der Taufe geht von der biblischen Überlieferung aus. Auch diejenigen biblisch geprägten Bilder und Ausdrücke werden aufgenommen und neu erschlossen, die in einem zeitgenössischen Verstehenshorizont zunächst fremd, ja befremdlich wirken. Denn sie enthalten einen Bedeutungsüberschuss, den man auch dann nicht leichtfertig aus der Hand geben sollte, wenn er sich heute gängigen Verstehensmustern nicht sofort fügt. Gerade in der Fremdheit kann nämlich eine religiöse Tiefendimension, ja eine Glaubenswahrheit zum Ausdruck kommen, die sich vielleicht erst in intensiver Beschäftigung erschließt, dann aber als umso wertvoller erweist.
  2. Eine evangelische Orientierung im Verständnis der Taufe würdigt die Verwurzelung des reformatorischen Denkens in den Schätzen und Traditionen der Alten Kirche. Der evangelische Glaube hat gemeinsam mit allen christlichen Glaubensweisen Anteil an den in den ersten christlichen Jahrhunderten erreichten Einsichten und Klärungen. Die Geschichte der reformatorischen Kirchen beginnt keineswegs erst im 16. Jahrhundert. Die Rückbesinnung auf die Grundentscheidungen der frühen Christenheit ist gerade für das Nachdenken über die Taufe von außerordentlicher Bedeutung.
  3. Eine evangelische Orientierung im Verständnis der Taufe kann sich für die Gestaltung der Taufpraxis an die Einsicht der Reformation halten, dass es "zur wahren Einheit der Kirche ... nicht nötig (sei), dass die menschlichen Überlieferungen oder von Menschen eingesetzten Riten oder Zeremonien überall gleich sind" (Artikel VII des Augsburgischen Bekenntnisses von 1530). Allerdings ist dem ausdrücklich vorangestellt, dass es zur wahren Einheit der Kirche notwendig sei, "übereinzustimmen in Bezug auf die Lehre des Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente". Deshalb ist es erforderlich, Klarheit darüber zu schaffen, was für den Vollzug des Sakraments der Taufe unerlässlich ist und in welchen Bereichen es sich um Gestaltungselemente handelt, die im Rahmen des liturgischen Rechts der Gemeinde variieren können. Nun ist die gegenwärtige Taufpraxis in den evangelischen Kirchen durch eine Vielfalt von Taufgottesdiensten und Tauferinnerungsfeiern, von Tauforten und Taufzeiten, von Taufvorbereitungsformen und Glaubenskursen geprägt. Diese Vielfalt kann dann ein Segen sein, wenn die Erkennbarkeit der Taufe und ihre Gültigkeit durch die klare Präsenz der Grundelemente einer evangelischen Taufpraxis gewahrt werden. Diese Grundelemente werden deshalb hier beschrieben. Das geschieht in dem Bewusstsein, dass in der Gestaltung der Taufe sowohl ihr Charakter als "Sakrament der Einheit" als auch der hohe Wert einer Wiedererkennbarkeit des evangelischen Gottesdienstes unabhängig von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und Traditionen zu beachten sind.

Der Kommission, die die vorliegende Orientierungshilfe vorbereitet hat, und besonders ihrem Vorsitzenden, Herrn Präsidenten Professor Dr. Christoph Markschies, danke ich herzlich für die Mühe, die sie auf die Vorbereitung dieses Textes verwandt haben. Vollständigkeit in den angesprochenen Aspekten war nicht beabsichtigt. Es kam vielmehr darauf an, eine Handreichung zu erstellen, die für Pfarrer und Pfarrerinnen ebenso geeignet sein soll wie für Kirchenvorstände, Gesprächsgruppen oder Einzelne, die sich mit dem Verständnis der Taufe beschäftigen wollen. Die Aufnahme dieses Textes durch all diese Leserinnen und Leser und die Weitergabe der dabei gewonnenen Einsichten wird die evangelische Gestalt des christlichen Glaubens und die ökumenische Bedeutung der Taufe zugleich deutlicher erkennbar machen und in unserer Kirche tiefer verankern. Auf diesem Weg will der hier vorgelegte Text vor allem Mut machen: Mut zu einer Erneuerung der Taufpraxis in den Gemeinden, Mut zur Einladung von Erwachsenen zur Taufe, Mut zur angemessenen Gestaltung der Taufe für alle Lebensalter, Mut auch zu einer verstärkten Tauferinnerungskultur. Diese Handreichung will dazu beitragen, dass in Gottesdiensten das feiernde Element gestärkt wird, das zur Taufe gehört, und in Glaubensgesprächen das unterweisende Element, das ebenso mit ihr verbunden ist.

Die Taufe ist auch darin ein "Band der Einheit", dass sie die christliche Kirche unlöslich mit den Menschen verbindet, die die Taufe empfangen haben. Das gilt auch für diejenigen, die als Kinder getauft wurden, sich aber im Laufe ihres Lebens von dieser Quelle entfernt haben. Es gilt ebenso für diejenigen, die noch nicht getauft wurden, aber nach Gott als der Quelle ihres Lebens fragen. In diesem weiten Horizont will die Orientierungshilfe dazu helfen, die Taufe als Tor zum Leben und als Tür zur Wahrheit zu stärken.

Pfingsten 2008

Bischof Dr. Wolfgang Huber

Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

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