Campus Galli: Am mittelalterlichen Klosterdorf wird weitergebaut

Akteure freuen sich auf das zehnjährige Bestehen des Projekts

Ohne Strom, Motoren, moderne Gerüste: Das Mittelalter-Experiment Campus Galli startete vor zehn Jahren. Mit frischem Schwung geht der Bau des Klosterdorfes in die neue Saison.

Klosterscheunenbau auf dem Campus Galli

Was auf dem rund 25 Hektar großen Gelände nahe Messkirch am Rand der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg entsteht, ist einzigartig. (Foto vom 28.04.2021: Klosterscheunen-Bau mit den Zimmermännern Aurel von Schroeder (li.) und Julian Margarinos auf einer Fichtenholzbohle) Seit knapp zehn Jahren wird auf dem Campus Galli, so der Name, an einem Kloster gebaut - unter Bedingungen des frühen Mittelalters. Hintergrund ist der St. Galler Klosterplan. Er ist der einzig erhaltene Klosterplan aus dem frühen Mittelalter. Um das Jahr 800 skizzierten dessen Urheber die Idealform eines Klosters - für Gozbert, den Abt in St. Gallen.

Sigmaringen (epd). Wenn eine Baustelle nach zehn Jahren noch nicht fertig ist, verheißt das normalerweise wenig Gutes. Es bedeutet, dass nichts vorangeht. Beim Campus Galli ist es anders - dort freuen sich die Akteure auf das zehnjährige Bestehen des Projekts. Auf einer Waldlichtung im Kreis Sigmaringen bauen Fachleute und Freiwillige nach und nach ein Klosterdorf im Stil der Karolinger nach.

Dabei kommt die Langsamkeit nicht aus Not oder Unlust, vielmehr bildet sie das konstruktive Prinzip. Auf der Baustelle wird nämlich mit den Methoden des 9. Jahrhunderts gearbeitet - ohne Strom, Motoren, moderne Gerüste. Am 1. April startete das Experiment in die neue Saison.

Im Juni 2013 war das Gelände nahe der Stadt Meßkirch erstmals vermessen und gerodet worden, erste Wege waren schnell angelegt. Seitdem hat sich viel getan - gemessen an den Möglichkeiten des Mittelalters. Die Zimmerleute richteten eine Kapelle mit hohem Dach auf, die den Vorreiter für die später vorgesehene Kirche bildet. Beete wurden abgesteckt und eingesät, Weiden eingegrenzt für die Ochsen, die vor die Wagen gespannt werden.

In der Schreinerei des „Campus Galli“ bearbeitet Schreiner Nikolai Feldbusch ein Stück Holz
In einem mittelalterlichen Gewand bearbeitet Schreiner Nikolai Feldbusch am 18.08.2015 ein Stueck Holz in der Schreinerei des "Campus Galli" bei Messkirch. Nahe der schwäbischen Kleinstadt Meßkirch entsteht der "Campus Galli" - eine Stadt nach Original-Bauplänen aus dem neunten Jahrhundert. Rund 40 Menschen drechseln, schmieden und flechten seit 2013 jeden Tag in einem Waldstueck bei Messkirch - und zwar in etwa so, wie es die Menschen vor 1.200 Jahren gemacht haben. Rund 80 Jahre soll das so gehen, vielleicht auch ein bisschen mehr oder weniger - am Ende soll der "Campus Galli" stehen, eine Stadt, erbaut nach den Vorgaben des sogenannten St. Galler Klosterplans, eines Bauplans aus dem neunten Jahrhundert. Es ist ein Jahrhundertprojekt, im wahrsten Sinne des Wortes.

Im vergangenen Jahr wurde ein neuer Abschnitt eingeläutet: 2022 nahmen die Arbeiterinnen und Arbeiter mit dem Abtshaus den ersten Steinbau in Angriff. Jeder Stein wird einzeln bearbeitet und gesetzt. Der Mörtel wurde vor Ort entwickelt. Es soll eben kein modernes Material sein, sondern ein Bindemittel, das die Maurer vor 1.100 Jahren auch schon verwendet haben könnten.

Campus Galli („Feld des Gallus“) bezieht sich auf eine säuberlich ausgearbeitete Skizze, die um 900 im Kloster Reichenau angefertigt wurde. Das Pergament zeigt die Struktur eines idealen Klosters, das mit allen Bauten versehen ist, die für eine große Gemeinschaft nötig sind - von der Krankenstation über den Klostergarten bis zur mächtigen Kirche. Da dieser einzigartige Plan heute im Stiftsarchiv St. Gallen lagert, heißt das gesamte Projekt nach dem Mönch und Heiligen Gallus.

Im vergangenen Jahr zählte der Museumsverein 75.000 Besucher. 2023 peilen die Geschichtsvermittler 90.000 Besucher an, wie Museumspädagogin Simone Fecht sagt. Die Finanzierung ist für die nächsten vier Jahre gesichert. Der Kreis Sigmaringen schießt 75.000 Euro jährlich zu. Denn eines mussten die Verantwortlichen auf der Mittelalter-Baustelle einsehen: Die anfängliche Begeisterung für das Retro-Projekt wich schnell der Skepsis und der Frage, wie lange man diese Freiluftveranstaltung finanzieren müsse.

Dabei ist der Campus Galli ein Selbstläufer: Unter Anleitung von Fachleuten sind es vor allem Freiwillige aus ganz Deutschland, die ihre Freizeit auf dem Areal verbringen und eine Woche dort arbeiten. „In kürzester Zeit waren die Termine für diesen Sommer ausgebucht“, sagt Fecht.