Auf der Grundlage der Bibel und der klaren Vernunft über den Glauben streiten

Catholica-Beauftragter der VELKD zum 500. Jahrestag der Bulle Exsurge Domine

Am 15. Juni 2020 jährt sich der Jahrestag der Bannandrohungsbulle Exsurge Domine („Erhebe dich, Herr!“) gegen Martin Luther zum 500. Mal. Der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke (Bückeburg) bezeichnet dies als „Wendepunkt in der Reformationsgeschichte“. Aus einem „Streit um den Glauben“ sei auch eine „Auseinandersetzung um Macht und Autorität“ geworden. Das Statement des Catholica-Beauftragten im Wortlaut:

 

„Am 15. Juni 1520 veröffentlichte Papst Leo X. seine Bulle Exsurge Domine. In ihr drohte er damit, Martin Luther aus der Kirche auszuschließen, wenn dieser eine bestimmte Reihe seiner zuvor veröffentlichten Thesen nicht widerruft. Die Bulle ist u.a. eine Reaktion auf die 95 Thesen gewesen, mit denen Luther Missstände in der Kirche seiner Zeit kritisiert hatte.

 

Ohne Zweifel kann die Bannandrohungsbulle vom 15. Juni 1520 als ein Wendepunkt in der Reformationsgeschichte und in der persönlichen Entwicklung Luthers angesehen werden. Für Luther wurde an dieser Stelle deutlich, dass sein Anliegen, sich über zentrale Einsichten des Glaubens und der Theologie zu verständigen und von da aus die dringend nötige Reform der Kirche zu erreichen, von der römischen Seite nicht aufgenommen werden sollte. Die Tür für eine Verständigung war von diesem Zeitpunkt an verschlossen. Bis heute löst es Bewunderung aus, dass Martin Luther sich dem Druck nicht gebeugt hat. Auf die Androhung von Sanktionen reagierte er, indem er seine Überzeugungen und den christlichen Glauben klar und mit verständlichen Worten dargelegt hat. In kurzer Zeit sind die reformatorischen Hauptschriften „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ und „An den christlichen Adel deutscher Nationen“ entstanden. Weit über den Bereich der lutherischen Kirchen hinaus werden sie heute als gemeinsamer Schatz und Quelle der Theologie gewürdigt. Im Dezember 1520 hat Luther die Bannandrohungsbulle mitsamt dem Gesetzesbuch der römischen Kirche öffentlich verbrannt. Darauf reagierte die römische Kirche im Januar 1521 mit dem Bann.

 

Die heutige Perspektive erlaubt es, einen neuen Blick auf die Ereignisse von 1520 zu werfen. Längst haben katholische Theologen und Amtsträger im Handeln der Kirche der damaligen Zeit einen Fehler erkannt. Die konstruktive Auseinandersetzung katholischer Theologen wie Peter Manns und Otto Hermann Pesch mit Luther hat wesentlich zur ökumenischen Verständigung beigetragen und dabei neue Zugänge eröffnet. Es kann als Tragik des Reformationsgeschehens angesehen werden, dass sich der Konflikt zwischen Luther und der Papstkirche von 1520 an auf die Frage nach der Autorität in der Kirche zuspitzte und damit letztlich auch zu einer Machtfrage wurde. Luthers Anliegen, gemäß der Heiligen Schrift und der klaren Vernunft darüber zu streiten, was für den christlichen Glauben als wahr und richtig gelten soll, ist dadurch allzu oft in den Hintergrund getreten.

 

Die ökumenische Bewegung hat in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts diesen Faden wieder aufgenommen. Das gemeinsame Reformationsgedenken von Lutheranern und Katholiken 2017 in Lund, das unter dem Motto „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ stand, ist ein vorläufiger Höhepunkt auf diesem Weg gewesen. Genauso ist das gemeinsame Gedenken der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD im April 2017 in Hildesheim zu nennen. Dass der Päpstliche Rat für die Einheit der Christen gemeinsam mit dem Lutherischen Weltbund am 25. Juni 2021 in Rom mit einem ökumenischen Gottesdienst des Kirchenbanns gedenken möchte, zeigt, dass dieser Weg noch lange nicht an seinem Ende angekommen ist. In einer Zeit, in der unsere Kirchen gleichermaßen vor großen Herausforderungen stehen, werden wir gemeinsam auf diesem Weg weiter vorangehen.“

 

Hannover, 12. Juni 2020

 

Pressestelle der VELKD

Gundolf Holfert