Da traten sie heran und legten Hand an Jesus und ergriffen ihn. (Mt.26, 50b)

Gedanken zur Karwoche

Kirchenfenster Passion

Kirchenfenster zur Passion

Ist schon mal jemand an Sie herangetreten, um Hand an sie zu legen? Wir alle haben so unsere „Wohlfühlzone“ um uns, unsichtbar. Wer herantritt, läuft Gefahr uns „zu nahe zu kommen“. Und dann wird es eng. So eng wie beim „Ergriffensein“. Ist doch erstaunlich, welch lebensweiter Unterschied zwischen Ergreifung und Ergriffenheit liegt, aber beide Male packt uns was, kommt uns zu nahe. Wir selbst bleiben passiv und erleben, wie etwas mit uns geschieht. Vielleicht unerwartet, vielleicht vorhergesehen. So oder so – wir sind Ergriffene.

Es gehört zur Endlichkeit unseres Lebens, dass wir Schutzzonen brauchen, dass wir am liebsten die Kontrolle nicht verlieren, sondern ergreifen und bewegen, anstatt ergriffen und bewegt zu werden. Jesu Passion ist uns so nahe, weil sein Erleiden unser eigenes Menschsein, unsere eigene Endlichkeit berührt. Die Passion Jesu ist eine grausame Geschichte der Verlassenheit, des Verrats und der grenzenlosen Einsamkeit. Ja, auch das ist zutiefst menschlich und wiederholt sich in den großen Krisen der Welt ebenso wie in unseren persönlichen Geschichten.

Mit Jesu Passion tritt in unsere Endlichkeit aber auch noch ein anderer Ton, manchmal unhörbar, manchmal nur ganz leise: „da trat Jesus zu ihr, fasste sie bei der Hand und richtete sie auf“ (Mk.1.31). Mitten im Leiden, in der Endlichkeit, Ergriffen sein – zum Guten.

Dekan Dr. Michael Diener, Germersheim. Mitglied im Rat der EKD