Wenn Menschen sterben wollen - Eine Orientierungshilfe zum Problem der ärztlichen Beihilfe zur Selbsttötung

Ein Beitrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD-Texte 97, 2008

Fussnoten

  1. Vgl. hierzu (und zur Gesamtthematik des menschlichen Lebensendes) die knappen, treffenden Ausführungen in der Gemeinsamen Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz: „Gott ist ein Freund des Lebens: Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens“, Gütersloh 1989, S.105-110. Dort heißt es unter anderem: „Käme ein Arzt solchem Verlangen [nach ärztlicher Beihilfe zur Selbsttötung] nach, so zöge er sich einen zerreißenden Konflikt zu zwischen seiner ärztlichen Berufspflicht, Anwalt des Lebens zu sein, und der ganz anderen Rolle, einen Menschen zu töten ... Das wäre das Ende jedes Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient“ (a.a.O., S.109).
  2. Bundesärztekammer: (Muster)-Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte. Stand 24.11.2006; vgl. http://www.bundesaerztekammer.de/. Für Ärzte und Ärztinnen ist die Berufsordnung ihrer jeweiligen Landesärztekammer maßgeblich. Der sehr bekannte Hippokratische Eid, der entgegen einer weit verbreiteten Auffassung weder rechtlich verbindlich ist noch geschworen wird, stellt die traditionelle Selbstverpflichtung des ärztlichen Berufs dar und hat bis heute eine hohe vertrauensbildende Funktion.
  3. Statistisches Bundesamt (ZwSt Bonn): Todesursachenstatistik. 2006.
  4. Georg Fiedler: Suizide, Suizidversuche und Suizidalität in Deutschland. Version 6.0, April 2007, http://www.suicidology.de/online-texte/daten.pdf.
  5. Peter Netz: Suizidalität im Alter. In: Gabriele Wolfslast, Kurt W. Schmidt (Hrsg.) Suizid und Suizidversuch. Beck, München, 2005, S. 82ff.
  6. William Breitbart et al.: Depression, hopelessness, and desire for hastened death in terminally ill patients with cancer. Journal of the American Medical Association (2000) 284:2907-2911.
  7. Paul S. Appelbaum et al.: Competence of depressed patients for consent to research. American Journal of Psychiatry (1999) 156 :1380-1384.
  8. Agnes van der Heide et al.: End-of-life decision-making in six European countries: descriptive study. Lancet (2003) 362:345-350. Georg Bosshard et al.: A role for doctors in assisted dying? An analysis of legal regulations and medical professional positions in six European countries. Journal of Medical Ethics (2008) 34:28-32.
  9. Professor Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, in der Eröffnungsrede des 109. Deutschen Ärztetages in Magdeburg am 23.5.2006.
  10. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung, in: Deutsches Ärzteblatt Nr. 19 vom 07. 05. 2004, S. A 1298(f).
  11. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin: Zu den unterschiedlichen Aktivitäten und Bemühungen für ein „Sterben in Würde“. 1.10.2005, http://www.dgp.de/.
  12. World Medical Association: Statement on Physician-Assisted Suicide. http://www.wma.net/, Mai 2005.
  13. H. Christof Müller-Busch, Fuat Oduncu, Susanne Woskanjan, Eberhard Klaschik: Attitudes on euthanasia, physician-assisted suicide and terminal sedation – a survey of members of the German Medical Association for Palliative Medicine. Medicine, Health Care and Philosophy (2004) 7:333-339.
  14. Dies ist in anderen Staaten zum Teil anders: Verboten ist die Beihilfe zum Suizid z. B.  in Österreich, Italien, Portugal, Spanien, Polen und – eingeschränkt – in der Schweiz. In Österreich (§ 78 österreichisches StGB) und in der Schweiz ist die bloße Hilfeleistung zur Selbsttötung mit einem Höchststrafmaß von fünf Jahren Gefängnis bedroht. In der Schweiz gilt dies allerdings nur, wenn selbstsüchtige Motive vorliegen. (Art. 115 schweizerisches StGB: „Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“) Zur Umgehung des Verdachts einer Strafbarkeit bedienen sich Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz komplizierter vereinsrechtlicher Konstruktionen. Auch in den Niederlanden ist die vorsätzliche Beihilfe zum Suizid grundsätzlich strafbar, sofern dabei nicht bestimmte Sorgfaltskriterien eingehalten werden, die im „Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung“ vorgesehen sind und deren Einhaltung auch die Tötung auf Verlangen straflos stellt.
  15. In der juristischen Diskussion ist der Begriff „freiverantwortlich“ normativ zu verstehen. Ob jemand wirklich freiverantwortlich gehandelt hat, wäre in jedem Einzelfall dann faktisch zu prüfen.
  16. BGH 1984, BGHSt 32, 367-381 – Fall Wittig.
  17. § 323 c StGB lautet: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
  18. BGHSt Fall Wittig a.a.O., S. 376.
  19. Auch von Seiten des BGH kam ein Signal, bei künftigen Entscheidungen dem Selbstbestimmungsrechts eines freiverantwortlich handelnden Suizidenten größeres Gewicht zu geben, in einer Bemerkung im Beschluss vom 8. 07. 1987, NJW 1988, 1532. Allerdings gibt es bis heute keine weitere höchstrichterliche Entscheidung über diese Frage.
  20. Unter http://www.djt.de/. Beschlüsse 2006, Abt. Strafrecht, IV.
  21. Beschlüsse 2006, a.a.O., IV.5.
  22. Goltdammer´s Archiv (GA) 152. Jahrgang, 2005, S. 553 ff (585).
  23. GA a.a.O., S. 586.
  24. Der Nationale Ethikrat wurde inzwischen durch Bundesgesetz vom Deutschen Ethikrat abgelöst.
  25. „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“. Stellungnahme 2006, Ziff. 7.4.2. unter http://www.ethikrat.org/.
  26. Stellungnahme a.a.O., Ziff. 7.4.3.1. Ein anderer Teil des Nationalen Ethikrats sah in der ärztlichen Beihilfe zum Suizid einen Widerspruch zum ärztlichen Ethos und lehnte daher eine Änderung des ärztlichen Berufsrechts ab (Ziff. 7.4.3.1.).
  27. Stellungnahme a.a.O., Ziff. 7.4.3.3.
  28. Unter http://www.bmj.de/; Thesen II., 2.6. lit.d). Desgleichen meint die Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz in ihrem Bericht zu „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“ vom April 2004 (unter http://www.justiz.rlp.de/) These 24: „Die Pflicht zu Rettungsmaßnahmen (Garantenpflicht, § 323c StGB) sollte nicht angenommen werden, wenn die Suizidentin oder der Suizident nach ihrem oder seinem deutlich erkennbar geäußerten Willen auf Hilfe verzichten und ihr oder sein Leben beenden wollte“.
  29. Drs 230/06 vom 27. 03. 06.
  30. Anfang Juli 2008 wurde der Gesetzentwurf noch einmal im Bundesrat diskutiert. Dieser hat jedoch noch immer keine Entscheidung über die Gesetzesinitiative getroffen. Stattdessen stimmte die Länderkammer einer Entschließung von 13 Bundesländern zu, wonach im Laufe des Jahres ein entsprechender Straftatbestand geschaffen werden soll. Der für die Sitzung ursprünglich vorgeschlagene Gesetzentwurf wurde zur nochmaligen Beratung in die Fachausschüsse zurück überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss und der Gesundheitsausschuss empfahlen hierzu die Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deutschen Bundestag in einer neuen Fassung. Nach diesem Entwurf soll die gewerbliche und organisierte Suizidbeihilfe mit Geld- oder mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bewehrt werden.
  31. Bayern und Baden-Württemberg schlugen in einer Beratung über den Gesetzentwurf im Rechtsausschuss des Bundesrates am 9. 4. 08 die folgende Regelung vor: „Wer eine Vereinigung gründet, deren Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren oder zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Ebenso soll bestraft werden, wer an einer solchen Vereinigung „als Rädelsführer beteiligt ist oder sie als Hintermann unterstützt.“
  32. Sachlich präziser wäre es, von Suizidbeihilfeorganisationen zu sprechen. Denn der Begriff „Sterbehilfe“ wird häufig in einem Sinne gebraucht, in dem er auch die Sterbebegleitung umfasst, wie sie etwa in Hospizen geleistet wird. Doch gehört die Sterbebegleitung in diesem Sinne gerade nicht zu den Zwecken dieser Organisationen. Da sich der Begriff „Sterbehilfeorganisation“ jedoch eingebürgert hat, wird er auch in dieser Orientierungshilfe verwendet.
  33. Vgl. das jüngst erschienene Dokument des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), „Das Sterben leben: Entscheidungen am Lebensende aus evangelischer Perspektive“ (2007), SEK-Position 9, über Internet erhältlich:  http://www.sek-feps.ch/shop/media/position /9/position9_de_web(1).pdf.
  34. Vgl. hierzu die Orientierungshilfe „Sterben hat seine Zeit: Überlegungen zum Umgang mit Patientenverfügungen aus evangelischer Sicht“, Ein Beitrag der Kammer für Öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD-Texte 80, Hannover 2005.
  35. In: „Alternativ-Entwurf Sterbegleitung“, http://home.tiscali.de/sterbehilfe/AE-Sterbebegleitung.pdf, dort S.33.