Festgottesdienste in Wittenberg und Soest

Festprogramm am Vormittag des Reformationstages

Menschen halten eine 500 vor der Schlosskirche in Wittenberg

Mit einem englischsprachigen Gottesdienst in der weltberühmten Schlosskirche haben die Feiern zum 500. Reformationsjubiläum in der Lutherstadt Wittenberg ihren Auftakt genommen. Der Gottesdienst wurde von der Evangelical Lutheran Church in America ausgerichtet. Die Liturgie gestaltete Reverend Robert Moore, der auch Leipzigs Reformationsbotschafter in den USA ist. 

Auch in der Wittenberger Schlosskirche hat die Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, dazu aufgerufen, sich stärker und offen zum Glauben zu bekennen. In Deutschland, wo jeder Mensch in Fragen des Glaubens frei ist, sei ein Bekenntnis zum christlichen Glauben heute keine Heldentat, sagte Käßmann. „Umso mehr sollten wir uns ermutigt fühlen, damit nicht hinter dem Berg zu halten, so sehr andere uns auch belächeln oder gar beleidigen mögen dafür“, ergänzte sie.

„Ein ökumenisches, internationales Fest der Beteiligung“

Das diesjährige 500. Reformationsjubiläum, das mit Christen aus Tansania, Brasilien, Korea, den Philippinen, Mexiko, den USA und aus ganz Europa gefeiert worden sei, habe einen ganz anderen Akzent gesetzt als die deutsch-national geprägten Jubiläen von 1817 oder 1917, resümierte Käßmann laut Redetext. In einer Zeit, in der rückwärtsgewandte Nationalisten neue Grenzen setzen wollten, sei dies „ein ganz besonderes, ein sehr klares Signal“. Dies knüpfe an das Erbe der evangelischen Kirchen in der DDR an, „die sich für Offenheit, Meinungsfreiheit und Gewaltfreiheit stark gemacht haben“, sagte Käßmann.

Sie fügte hinzu: „Es geht in einer säkularen und zunehmend multireligiösen Gesellschaft darum, die eigene Wahrheit zu bekennen, ohne anderen abzuerkennen, dass sie ihre Wahrheit gefunden haben.“ Wittenberg im Reformationssommer 2017, „das war ein ökumenisches, internationales Fest der Beteiligung, des interessierten Gesprächs und des respektvollen Umgangs miteinander“.

Ökumenische Dialogpredigt in der Wittenberger Stadtkirche

Im Zeichen der Ökumene ist auch in der Wittenberger Stadtkirche ein Gottesdienst gefeiert worden. Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland , Ilse Junkermann, und der Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige, hoben in einer Dialogpredigt die Verbundenheit der Konfessionen hervor, die im Jubiläumsjahr gestärkt worden sei. Feige ist seit 2012 Vorsitzender der Ökumene-Kommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Er sagte, in der Aufarbeitung der Geschichte, der Reinigung des Gedächtnisses und der Heilung der Erinnerungen sei man „ein entscheidendes Stück vorangekommen“. Bischof Feige unterstrich: „Nach schmerzhaften Auseinandersetzungen und hoffnungsvollen Versöhnungsbemühungen wissen wir inzwischen, was wir einander angetan haben und was wir aneinander haben.“ Junkermann betonte, sie sei dankbar, dass das Vertrauen zwischen den Kirchen gewachsen sei: „Unsere Verschiedenheit hat nicht nur schmerzvolle Seiten. Unsere unterschiedlichen Traditionen bereichern auch.“

Christen sollen sich für Gerechtigkeit einsetzen

Zugleich riefen die Vertreter der beiden Kirchen dazu auf, sich als Christen für Gerechtigkeit einzusetzen. Es wird laut Feige zunehmend schwerer, christliche Überzeugungen zu Gehör zu bringen. Soziale und mentale Gegensätze würden wachsen und neue Mauern in zahlreichen Köpfen entstünden. Die aktuelle Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen mache auf erschreckende Weise deutlich, „wie sehr ein respektvolles Miteinander und damit auch unsere demokratischen Grundlagen gefährdet“ seien, sagte Feige: „Hierzu können wir als Christen unmöglich schweigen.“

Außerdem wurde mit dem Festgottesdienst die Enthüllung der neuen Glasfenster für die Stadtkirche St. Marien gefeiert. Die Fenster wurden im Auftrag der evangelischen Stadtkirchengemeinde von der Künstlerin Christine Triebsch gestaltet.

Kurschus: Aufruf zu Toleranz und Mitmenschlichkeit

Die westfälische Präses Annette Kurschus hat zum 500. Reformationsjubiläum zu Toleranz und Mitmenschlichkeit aufgerufen. Die vorherige Generation in Deutschland habe erlebt, wie leicht man berauscht werden könne an der Unfreiheit, sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Soest in einem Festgottesdienst der evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen. Heute gebe es wieder „Stimmen, die wissen immer schon ganz genau, wer in der Gesellschaft dazugehört und wer nicht“, mahnte Kurschus. Diese wollten „mit Masse und Lautstärke entscheiden, wer ganz in Freiheit leben darf und wer nicht“.

Die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen hob als positives Gegenbeispiel eine Initiative von Gastwirten in Regensburg hervor, die sich nach einem Überfall von Neonazis auf ein Café gegen Rassismus einsetzen. Diese Aktion sei mit dem Preis „Das unerschrockene Wort“ des Bunds der Lutherstädte ausgezeichnet worden.

Der Reformator Martin Luther habe aus der Bibel die befreiende Erkenntnis gewonnen, dass sich die Gnade Gottes nicht verdienen lasse, erläuterte Kurschus. Freiheit werde einem Menschen von Gott geschenkt. „Ich bin von Gott geachtet und gewürdigt – mit allen meinen Unzulänglichkeiten und Abgründen.“ Die von Gott geschenkte Freiheit komme jedoch erst dann zur Erfüllung, wenn sie auch die Mitmenschen frei mache, unterstrich Kurschus in dem vom WDR-Fernsehen übertragenen Gottesdienst.

Festprogramm in Wittenberg

Für den Nachmittag des 31. Oktobers steht der zentrale Festgottesdienst in der Wittenberger Schlosskirche mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, der EKD-Reformationsbotschafterin Margot Käßmann und der mitteldeutschen Landesbischöfin Ilse Junkermann auf dem Programm. Beim anschließenden Festakt im Stadthaus hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Festrede.

Vor 500 Jahren hatte Martin Luther der Überlieferung nach 95 Thesen zu Missständen in der Kirche seiner Zeit an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen. Dieses Ereignis gilt heute als zentraler Ausgangspunkt der weltweiten Reformationsbewegung, die zur Spaltung in evangelische und katholische Kirche führte. Zum 500. Reformationsjubiläum hatten Kirche, Staat und Gesellschaft seit einem Jahr mit vielen Veranstaltungen an die von der Reformation ausgelösten Umbrüche erinnert. Der 31. Oktober ist in diesem Jahr einmalig ein bundesweiter Feiertag.