Solidarität mit Häftlingen in Belarus

Gemeinsame Aktion „100xSolidarität“ zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember gestartet. Prominente Unterstützer*innen fordern Freiheit für die politischen Häftlinge

Angesichts zahlreicher neuer Strafverfahren und Verhaftungen von Menschen aus der belarussischen Freiheitsbewegung Anfang Dezember, rufen die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. (DGO) gemeinsam mit der belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna zum Internationalen Tag der Menschenrechte zur Solidarität auf und setzen sich gemeinsam mit prominenten Unterstützer*innen für die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen ein.

 

Auf der Aktionswebsite www.100xSolidarität.de unterstützen dutzende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die spontane Aktion als Botschafter*innen der Solidarität – darunter der Philosoph Jürgen Habermas, die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, Ministerpräsident Bodo Ramelow, die Publizistin Carolin Emcke, die Kulturwissenschaftler Jan & Aleida Assmann, der Regisseur Milo Rau, der Journalist Ulf Poschardt, die Schriftstellerin Sibylle Berg und viele andere. Weitere Unterstützer*innen haben sich angekündigt und werden ebenfalls mit Namen und persönlichen Statements online auf der Aktionswebseite veröffentlicht – zusammen mit den aktuell 159 Namen und Schicksalen aller politischen Gefangenen in Belarus.

 

Hintergrund zu Belarus

Am 9. August 2020 fanden in Belarus Präsidentschaftswahlen statt. Bereits zuvor hatte der seit 26 Jahren autoritär regierende Präsident Alexander Lukaschenko Gegenkandidaten die Zulassung zur Wahl verweigert und sie entweder unter fadenscheinigen Gründen verhaften lassen oder in die Emigration gezwungen. Internationale Wahlbeobachter waren nicht zugelassen, zivilgesellschaftliche Wahlbeobachter aus Belarus wurden massiv behindert, viele verhaftet. Dennoch konnte Swetlana Tichanowskaja, die in Vertretung ihres inhaftierten Mannes zu den Wahlen antrat, eine hohe Zahl von Stimmen auf sich vereinigen.

 

Das offizielle Wahlergebnis, nach dem Alexander Lukaschenko 80 Prozent der Stimmen erhalten habe, ist offenkundig wahrheitswidrig (Informationen dazu hier). Die Europäische Union, Großbritannien, Norwegen, die Schweiz, die USA und Kanada haben es nicht anerkannt.

 

In den Tagen nach der Wahl sind Einsatzkräfte des Regimes mit großer Gewalt gegen Menschen vorgegangen, die zu spontanen friedlichen Demonstrationen gegen das offizielle Wahlergebnis zusammenkamen. Seitdem haben sich viele Male Hunderttausende Menschen im ganzen Land zu Protestmärschen versammelt, um gegen die Gewalt zu protestieren und freie und faire Neuwahlen zu fordern.

 

Die Einsatzkräfte haben seit August im Zusammenhang mit den Protesten über 20.000 Personen vorübergehend festgenommen, 4.000 Personen wurden schwer misshandelt oder auf andere Weise unmenschlich und unrechtmäßig drangsaliert. Acht Demonstranten wurden von Sicherheitskräften getötet oder starben im Zusammenhang mit ihrer Festnahme. Gegen mehr als 450 Personen sind Strafverfahren eröffnet worden. Weit über 100 von ihnen sind, teils seit vielen Monaten, in Haft und werden als politische Gefangene anerkannt. Anfang Dezember 2020 kam es erneut verstärkt zu Verhaftungen und politischen Strafverfahren.

 

Statements:

 

Petra Bosse-Huber, Vizepräsidentin des Kirchenamtes und Auslandsbischöfin der EKD:

„Wir sehen mit großer Sorge, wie die Zahl der politischen Gefangenen in Belarus zunimmt, immer neue Menschen aus der Freiheitsbewegung verhaftet werden. Zugleich schwindet die öffentliche Aufmerksamkeit für die Situation in Belarus. Das ist fatal, denn gerade jetzt ist unsere Solidarität wichtig! Nichts ist schlimmer für unschuldige Menschen in Haft, als vergessen zu werden. Ich freue mich daher sehr, dass wir jetzt ein Signal der Solidarität nach Belarus senden! Die Aktion 100xSolidarität sendet ein Zeichen der Hoffnung, das den Menschen in Belarus Mut macht, ihre berechtigten Forderungen nicht aufzugeben. Deswegen ist auch diese symbolische Aktion eine wichtige Aktion.“

 

Ruprecht Polenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde:

„Die politischen Gefangenen in Belarus haben nichts anderes getan, als von ihren Menschenrechten auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit Gebrauch zu machen. Ihre Inhaftierung ist ein Verbrechen. Die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde fordert ihre unverzügliche Freilassung.“

 

Ales Bjaljazki, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation „Vjasna“ und Träger des Alternativen Friedensnobelpreises 2020:

„Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Folter haben in Belarus ein furchtbares Ausmaß erreicht. Ärzte, Blogger, Bürgerrechtler, Journalisten, Politiker, Priester, Studenten und viele andere werden aus politischen Gründen verfolgt oder unter Druck gesetzt. 150 Menschen sitzen, teils seit Monaten, in den Gefängnissen von Belarus.

 

Das Menschenrechtszentrum „Vjasna“ fordert die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus, die Einstellung der Repressionen und die Bestrafung jener, die für Folter und Morde verantwortlich sind. Der Staat muss die Gewalt einstellen! Internationale Solidarität mit den politischen Gefangenen ist äußerst wichtig – für die Inhaftierten selbst, und für die gesamte belarussische Gesellschaft. Wir danken den Teilnehmern der Aktion von ganzem Herzen!"

 

Kontakt:

EKD, Carsten Splitt: Carsten.Splitt@ekd.de (+49 511 2796-269)

DGO, Volker Weichsel: weichsel@dgo-online.org (+49 30 301 045 81 / +49 30 301 045 82)

 

Am Sonntag, 13. Dezember, 18 Uhr findet im Berliner Dom ein ökumenisches Gebet für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit in Belarus mit Bischöfin Petra Bosse-Huber (EKD), Erzbischof Heiner Koch, Deutsche Bischofskonferenz, Erzpriester Radu Constantin Miron, ACK und Vertreterinnen der Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des „Koordinierungsrates für Belarus“ statt. Unter den Gästen werden u. a. Bundespräsident a. D. Joachim Gauck sowie Svetlana Tikhanovskaya aus Belarus und die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, sein. Zum Abschluss des Gottesdienstes spricht der ehemalige polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa ein digitales Grußwort.

 

Hannover, 9. Dezember 2020

 

Pressestelle der EKD

Carsten Splitt