Die Höchster Thesen: Impulse für eine Kirche in Bewegung
Kirche dort, wo Menschen sind – unterwegs, im Urlaub, auf Festivals oder in besonderen Momenten des Lebens, mitten im Alltag. Auf einer bundesweiten explorativen in Frankfurt-Höchst trafen sich 30 Praktiker:innen aus Kirche und Tourismus, Stadtklöstern, Citykirchen, Pop-up-Projekten, Pilgerarbeit und Kirchenleitung unter dem biblischen Leitwort „Sie ziehn von einer Kraft zur andern“ (Psalm84, 4). Entstanden sind dort Thesen, die zentrale Fragen aufgreifen:
Wie kann Kirche heute fluide, gastfreundlich und überraschend präsent sein – innerhalb und  jenseits fester Strukturen?
Die Höchster Thesen bieten Diskussionsstoff für eine Kirche im Wandel – inspiriert vom Evangelium, getragen von Erfahrung, offen für Zukunft. 
Höchster Thesen zum Kirche-Sein
Vorbemerkung
Grundlage dieser Thesen bilden die Ergebnisse einer explorativen Tagung, die sich vom 23. bis 25. September 2024 in Frankfurt Höchst unter dem Titel “Sie ziehn von einer Kraft zur andern” (Psalm 84,4) mit Perspektiven künftigen Kirche-Seins beschäftigte. Die Tagung war ökumenisch und handlungsfelderübergreifend besetzt.
Der Konvent Kirche und Tourismus in der EKD als Veranstalterin sieht in dieser Arbeit und in den nachstehenden Thesen einen Beitrag, den Befund, den der EKD Text 132 »Beteiligung auf Zeit« (2019) formuliert, näher auszuleuchten: „Eine Beteiligung auf Zeit ist keineswegs allein ein Phä-nomen der Tourismus oder der Citykirchenarbeit, sondern zunehmend ein generelles Phänomen an allen kirchlichen Orten. Deswegen ist es klug, diese Haltung sowohl mit Blick auf die Wirkun-gen bei teilhabenden Menschen zu entfalten als auch hinsichtlich aller, die auf den unter schiedli-chen kirchlichen Ebenen die Frage bewegt, wie es gelingen kann, neu Kirche (für andere) zu sein.“ „… Denn in gewisser Weise sind viele Kirchenmitglieder schon heute »Touristen« in den Paro-chien, weil sie auch diese Orte nur gelegentlich und anlassbezogen aufsuchen.“
Die Mitglieder des Konventes freuen sich über Entgegnungen, Anknüpfungen, Konkretisierungen dieses Beitrags zur kirchenentwicklerischen Diskussion via hoechster_thesen@ekd.de
- Kirche ereignet sich.
Kirche ist eine Wirkung des Heiligen Geistes; in allen Verheißungen bleibt sie unverfügbar. Verantwortung in der sichtbaren Kirche zu tragen, bedeutet, die Dynamik zur Bürokratisierung, die allen strukturellen Setzungen innewohnt, zu irritieren. Die Zukunft der Kirche liegt in ihren Vollzügen.
 - Aus gelebter Kommunikation des Evangeliums entstehen künftige Sozialformen von Kirche.
Niemand schöpft die frohe Botschaft aus sich selbst, die Kommunikation beginnt von anderer Seite. In der Vielfalt kommunikativer Akte – wahrnehmen, erleben, feiern, nachfolgen, handeln – beginnen Wege aus der Vereinzelung und ermöglichen Teilhabe. Es entstehen kirchliche Orte und Vollzüge. Wer sich dort auf ein Geben und Nehmen, auf Segen empfangen und Segen weitergeben einlässt, wird sich auf eine Vielfalt von Sozialformen einstellen. Möglicherweise sind das andere als die bisherigen.
 - Raumöffnende und beziehungsstiftende Kirche lebt aus einer Quelle: schöpferische Neugier
Für das Menschsein sind zahlreiche Grundbedürfnisse charakteristisch. Erschließungsfreude und Neugier sind es, die über die Zukunft von Kirche entscheiden. Wo Neugier Räume erhellt, kommt das Staunen zurück in die Kirche. So entstehen dynamische Beziehungen und neue Netzwerke in unterschiedlichen Formen: Punktuelle oder stabile Erzähl- und Erfahrungsgemeinschaften.
 - Als Gottes Gäste sind wir gastfreundliche Kirche.
Kirche ist gastfreundliche Kirche oder sie ist nicht Kirche. Gastfreundliche Kirche wird dort ihrem Namen gerecht, wo die Gastgebenden sich selbst als Gäste Gottes verstehen. Das geschieht in Haltung und Gestaltung – Gastfreundschaft schenkt Gott, doch sie fällt nicht vom Himmel. Im kirchlichen Alltag können Maßnahmen der Qualitätssicherung bis hin zu einer schlüssigen Zertifizierungspraxis den Prozess kontinuierlicher Verbesserung unserer Aktivitäten entscheidend unterstützen.
 - In unserer Kirche begegnen sich Menschen auf Augenhöhe. Austausch und Resonanz gelingen. Das verändert.
Wird die eigene Macht kritisch reflektiert und das Gegenüber nicht vereinnahmt, erhält Kirche das Potential, Safe Space zu sein. Wo in Begegnungen im Namen Jesu Christi unterschiedliche Persönlichkeiten, Haltungen und Orientierungen explizit erwünscht sind, werden von selbst neue Ausdrucksformen von Kirche erprobt. So wird es dank der Beteiligung Vieler möglich, Wohlvertrautes, das leer geworden ist, zugunsten von Neuem zu verabschieden.
 - Die Befreiung von einem parochie-dominierten Denken und Handeln schafft neue Möglichkeiten.
Kirche mit Zukunft wird die Frage, wie Menschen sich zugehörig fühlen, inhaltlich und strukturell anders beantworten als bislang. Formen der Mitgliedschaft, Teilhabe und Finanzierung sind allgemeinverständlich und gesellschaftlich tragfähig zu entwickeln. Zusammenarbeit in der Region braucht Gesichter vor Ort. Zugleich sind andere kirchliche Orte in ihrer medialen Vielfalt unerlässlich. Das braucht tragfähige Strukturen. In diesem Sinne ist das Kirchenrecht beispielsweise durch Schaffung eines zentralen Kirchenbuches, Diversifizierung von Mitgliedschaft oder finanz- und verwaltungsrechtliche Revisionen anzupassen.
 - Fünf Handlungsfelder strukturieren die Zusammensetzung unserer Synoden.
Die Kirchenparlamente bilden nicht mehr das Kirchesein aller Mitglieder ab. Sie brauchen eine Anpassung an die lebensnahe Realität unserer Kirche und die Bedürfnisse ihrer Mitglieder. Eine Dynamisierung der gesetzgebenden Organe ist auf allen Ebenen erforderlich und gelingt leichter zunächst auf den mittleren Strukturebenen (Kirchenkreise, Propsteien, Sprengel). Es lässt sich rechtlich durch die Ergänzung der Mandatierungen erreichen: Neben der Ortsgemeinde sind z.B. Kandidierende aus den Feldern Spiritualität, Diakonie und Seelsorge, Bildung, freies Feld (Tourismus, Musik, etc.) zu gewährleisten. Eine neue Wahlordnung garantiert die paritätische und gerechte Zusammensetzung der Synode. Entscheidungen können fundierter getroffen werden, weil die Weite von Kirche abgebildet ist. 
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