Merkel: Ohne Respekt vor Andersdenkenden kein Frieden

Internationales Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant'Egidio in Rom

Bundeskanzlerin Merkel trifft bei ihrem Abschiedsbesuch in Rom bereits zum fünften Mal mit Papst Franziskus zusammen. Bei einem internationalen Friedenstreffen am Kolosseum mahnten beide zu Respekt und Anteilnahme am Leiden anderer.

Papst Franziskus und Teilnehmer des Friedenstreffen vor dem Colloseum in Rom

Papst Franziskus und Teilnehmer des Friedenstreffens gehen zum ökumenischen Gebet der Christen am Kolloseum in Rom.

Rom/Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihren Abschiedsbesuch in Rom für einen dringenden Friedensappell genutzt. „Ohne Respekt vor dem anders Denkenden und anders Glaubenden können wir nicht in Frieden miteinander leben“, sagte sie am Donnerstag bei einem interreligiösen Friedenstreffen am Kolosseum. Allzu viele Kriege führten dies immer wieder vor Augen, sagte sie bei der Schlusszeremonie des Gebetstreffens der Gemeinschaft Sant'Egidio.

Merkel warnte davor, sich an Bilder aus Krisenregionen zu gewöhnen. „Menschliches Leid wird nicht relativiert durch geografische Ferne.“

Franziskus erinnerte bei dem Friedensgebet an den ursprünglichen Zweck des Kolosseums als Ort „brutaler Massenunterhaltung“. Auch heute erlebe die Menschheit Gewalt und Krieg, als wäre es ein Spiel, das gleichgültig aus der Ferne beobachtet werde. Das katholische Kirchenoberhaupt mahnte, „in einer globalisierten Gesellschaft, die den Schmerz zum Spektakel macht, müssen wir Mitgefühl aufbauen“.

In einem von einer Afghanin vorgetragenen gemeinsamen Appell beklagten die anwesenden Religionsführer, Gewalt sei erneut als Instrument internationaler Politik anerkannt. Mit dem Verschwinden der Generation, die die Gräuel des Zweiten Weltkriegs erlebt habe, würden bedeutende Fortschritte der Friedenskultur infrage gestellt. Religionen dürften nicht für Krieg missbraucht, werden, heißt es in dem gemeinsamen Appell. „Niemand darf den Namen Gottes benutzen, um Terror und Gewalt zu segnen.“

Neben Franziskus nahmen weitere hohe Repräsentanten der Weltreligionen an dem Friedensgebet teil, darunter der Präsident der europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, sowie der ökumenische Patriarch Bartholomäus I. als Vertreter der orthodoxen Kirchen.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, warnte bei dem Treffen vor einer Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Hetzreden im Internet. Er mahnte Regeln für das Internet an, die die Bildung von Filterblasen verhindern. Neue Standards müssten, „den kommerziell gesteuerten algorithmusbasierten Mechanismen, die extremistische Inhalte befördern, menschenwürdebasierte Grenzen setzen“.

Der Groß-Imam der Universität von Al Azhar in Kairo, Ahmed al-Tayyeb, erhob bei dem Treffen schwere Vorwürfe gegen Industriestaaten, die Corona-Impfstoffe nicht abgegeben hätten. „Gravierende Schwierigkeiten bei der Verteilung haben ganze Kontinente des Impfstoffs beraubt.“

Anlässlich einer Privataudienz beim Papst hatte Merkel am Vormittag vor drohenden Schwierigkeiten bei der Versorgung der Bevölkerung in Afghanistan nach dem Ende des Militäreinsatzes gewarnt. Bei einer Begegnung betonte sie, dass „wir nach dem Ende der Präsenz westlicher Truppen alles daransetzen müssen, dort eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“.

Merkel würdigte bei dem Besuch das Engagement des Papstes gegen den Klimawandel. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche forderte sie weitere Bemühungen um Aufarbeitung. Im Anschluss an den Besuch im Vatikan traf Merkel den italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi.

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