Wolfgang Huber würdigt ökumenisches Engagement von Kardinal Lehmann

Grußwort zum 70. Geburtstag des Mainzer Bischofs

Als einen „engagierten Verkünder des Evangeliums, der die Lebendigkeit des Glaubens erhalten und neu wecken möchte“ hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, gewürdigt. Im Blick auf den 70. Geburtstag des Bischofs von Mainz am 16. Mai erklärte Huber, dass sich dieser „mit einer staunenswerten Beharrlichkeit um ökumenische Nachhaltigkeit bemüht“ habe.


Hannover, 15. Mai 2006

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi



Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Grußwort
zum 70. Geburtstag von Karl Kardinal Lehmann


Sehr verehrter Herr Kardinal, lieber Bruder Karl Lehmann,

von Herzen gratuliere ich Ihnen für die Evangelische Kirche in Deutschland und die ökumenische Gemeinschaft in unserem Land zu Ihrem 70. Geburtstag.

Auf Ihrem Wappen findet sich das Wort, unter das Sie Ihre Bischofsweihe stellten, und das ich schnell in Ihrem Handeln und Denken wiederfinden kann: „State in fide: Steht (fest) im Glauben.“ Dieses Wort möchte ich aufgreifen; denn der Satz des Apostels Paulus, in dem sich dieser Wahlspruch findet, lässt sich auch als Aufruf zur Ökumene verstehen: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark! Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ (1. Kor. 16,13f).

Wie eng Sie der Ökumene verbunden sind, spürt jeder, der mit Ihnen verbunden ist. Auf Ihrer zweiten Professur, nach Ihrem Wechsel von Mainz nach Freiburg, waren sie nicht nur Professor für Dogmatik sondern auch für ökumenische Theologie. Schon seit 1969 sind Sie Mitglied im „Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholische Theologen“; seit 1989 sind Sie dessen Vorsitzender. Sie haben zu den Arbeiten dieses Kreises maßgeblich beigetragen und mit Ihren jeweiligen evangelischen Partnern die Veröffentlichungen dieses Kreises als katholischer Vorsitzender herausgegeben. Den Dialog der Kirchen haben Sie aus theologischer Substanz heraus geprägt; wichtige Themen wie das Verständnis der Sakramente und des kirchlichen Amtes, die Bedeutung der Glaubensbekenntnisse und das Verständnis von Kirchengemeinschaft haben Sie mit Beharrlichkeit untersucht. Wenn man einen oft modisch gebrauchten Begriff in seinem ganzen Ernst verwenden will, so muss man sagen: Um ökumenische Nachhaltigkeit haben Sie sich mit einer staunenswerten Beharrlichkeit bemüht. Manche Schwierigkeiten haben Sie dabei erlebt, nicht nur bei ökumenischen Partnern, sondern auch im eigenen Bereich. Zur jähen Ungeduld haben Sie sich nicht hinreißen lassen; denn deren Schwester ist die Resignation. Und von den großen ökumenischen Zielen gilt, wie Sie gesagt haben, dass sie  „nicht nur die Leidenschaft verständlichen Drängens, sondern auch die mühsame Geduld des Reifens brauchen“.

Schon unser erstes Zusammenwirken hatte einen Grundton, der seitdem geblieben ist. Ich hatte Sie 1985 als Kirchentagspräsident zu einer Bibelarbeit auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf eingeladen. Die Heilige Schrift als gemeinsame Basis unserer Verkündigung wie unseres Wirkens in der Gesellschaft brachte uns zusammen. Miteinander haben wir uns vorgenommen, die gemeinsame Feststellung des Jahres 1999, dass die Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders allein durch Gottes Gnade uns nicht trennt sondern eint, im Hören auf die Botschaft der Bibel zu vertiefen. Dass wir das Jahr 2003 als „Jahr der Bibel“ gemeinsam gestaltet und in seiner Mitte den ersten Ökumenischen Kirchentag miteinander gefeiert haben, hat mich als bleibender Höhepunkt ökumenischen Zusammenwirkens besonders gefreut. Welche Aufgaben noch ungelöst sind, haben wir gerade auf solchen Höhepunkten deutlich gespürt. Wir alle kennen Sie als einen engagierten Verkünder des Evangeliums, der die Lebendigkeit des Glaubens erhalten und neu wecken möchte. Dabei tut es besonders wohl, dass Sie nicht nur mit der Heiligen Schrift und Husserl, mit Heidegger und Hieronymus vertraut sind, sondern auch mit dem Humor. Dass dies bemerkt wird, zeigt Ihre Auszeichnung mit dem „Orden wider den tierischen Ernst“ – nicht gerade alltäglich für einen Bischof.

Sie haben einmal das Suchen und Finden Gottes als zentralen Schlüssel für die Zukunft von Religion und Kirche im 21. Jahrhundert bezeichnet. Suchen und Finden – dieses Motto unseres gemeinsamen Jahres der Bibel 2003 – prägt auch das Miteinander unserer Kirchen. Sich immer wieder aufzusuchen und in der Verschiedenheit zu respektieren, in dieser Verschiedenheit dann aber das Gemeinsame zu finden, nämlich das Evangelium der Barmherzigkeit Gottes in Jesus Christus, das ist unsere große gemeinsame Aufgabe.  

Darin liegt auch die einzige tragfähige Grundlage für unser gemeinsames Wirken in die Gesellschaft hinein. Vor wenigen Tagen haben wir zusammen die Woche für das Leben eröffnet und unsere Stimme dafür erhoben, werdendem Leben den Weg ins Dasein zu ebnen. Wir rufen gemeinsam zu einer Woche der ausländischen Mitbürger auf und ermutigen zu praktizierter Integration. Oder wir treten gemeinsam dafür ein, dass im Prozess der europäischen Einigung die religiösen und kulturellen Quellen nicht verschüttet werden, auf denen Europas Einheit beruht, die Überlieferungen des jüdischen wie des christlichen Glaubens eingeschlossen. Unvergessen ist das Gemeinsame Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage, dessen Werben für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit heute mindestens so dringlich ist wie im Jahr 1997. Jeder kann es spüren: die besonderen Profile unserer Kirchen, so unverkennbar sie sind, beruhen auf einem festen gemeinsamen Fundament; das ermutigt uns dazu, gemeinsam für eine gute Zukunft unserer Gesellschaft einzutreten. Konsens und Profil schließen sich nicht aus, sie gehören zusammen.

Lieber Bruder Lehmann, ich bin der fünfte Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, mit dem Sie als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zu tun haben. Jedem von uns haben Sie sich in besonderer Weise zugewandt. Wir alle erwidern das mit dankbarer Freundschaft. Nie ist in dieser langen Zeit Ihre Bereitschaft zur geduldigen Arbeit im Dienst der gemeinsamen Aufgabe erlahmt. Ihr weiter theologischer Horizont und Ihre Fähigkeit zur Wahrnehmung einer vielschichtigen Realität, Ihr Sinn für verschiedenartige Spiritualitäten wie Ihr anhaltender Reformernst machen Sie zu einem idealen Partner auf der gemeinsamen ökumenischen Wanderschaft.

Deswegen, lieber Herr Kardinal, sei Ihnen von Herzen Gottes Segen zu Ihrem Ehrentag gewünscht. Möge Ihre Leidenschaft für Gott und die Menschen stets kräftig bleiben, mögen Sie immer wieder neue Wege finden, Gottes Gnade zu verkündigen, mögen Sie weiterhin unter uns wirken, wie Sie sind: ehrlich, mutig, geschwisterlich, fest im Glauben. Wir freuen uns auf den weiteren Weg, neugierig, ja, und auch ein bisschen ungeduldig auf den nächsten Aussichtspunkt mit klarer Sicht.