1. Fachtagung der Land-Kirchen-Konferenz

Perspektiven für Kirche in der Fläche

65 Teilnehmende aus fast allen Landeskirchen sind am Mittwoch, 6. Juni, zur 1. Fachtagung  der Land-Kirchen-Konferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ins Kirchenamt  der EKD nach Hannover gekommen. Einen Tag lang arbeiteten sie unter dem Motto „Du  stellst meine Füße auf weiten Raum“ (Psalm 31,9) an Perspektiven für Kirche in der Fläche. 
 
Drei Themen standen im Mittelpunkt der Tagung: wie mit der demographischen Ausdünnung  ländlicher Regionen geistlich umzugehen sei, welches Pfarrerbild auf dem Land leitend sein  könne und welche kreativen Gemeindeformen möglich seien. 
 
Um Kreativität müsse es gehen, so die Präses der EKD-Synode und Vorsitzende der  Steuerungsgruppe für den Reformprozess, Katrin Göring-Eckardt, in ihrer  Begrüßungsansprache. „Denn: Der Problemanalysen sind genug gewechselt, jetzt müssen  Ideen folgen.“  
 
Bereits die am Beginn der Tagung stehende Andacht eröffnete den zukünftig notwendigen  Raum der Kreativität. Oberkirchenrat Thorsten Latzel entfaltete die Geschichte von Gideon  (Ri 7,1-7) als Kunst „geistlich kreativer Reduktion“ - verbunden mit der Frage nach einer  „Geographie der Kreativität“ in der evangelischen Kirche. Im Wechselspiel von kirchlicher  und externer Perspektive vermittelten dann die Referentinnen und Referenten anregende  Impulse zu den drei Themenfeldern.  
 
Der Erlanger Alttestamentler Professor Jürgen van Oorschot verwies auf verschiedene  Typen, in denen das Volk Gottes mit seiner fast durchgängigen Minderheitensituation  umging und auf die kritischen Grenzen, die in diesen Konzeptionen zwischen Spielräumen  neuer Realität und Realitätsverlust liegen. Susanne von Baeckmann, Münchner  Organisationsberaterin, plädierte für einen mutigen Umgang mit dem Kleinerwerden und  betonte die dem Menschen grundsätzlich eigene Neugier und Lust auf Veränderung. In  Transformationsprozessen müsse man diese Entwicklungsfreude nutzen, indem eine  Neuorganisation unter Beteiligung der von Veränderung betroffenen Mitarbeiter erfolge.  
 
Der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber forderte alternative Zugänge zum  Pfarramt, eine Öffnung der landeskirchlichen Grenzen für eine übergreifende Stellenplanung  sowie die Einrichtung von Freiräumen zur Erprobung experimenteller Gemeindeformen.  Auch die aus England angereiste Pfarrerin Dagmar Winter betonte aus ökumenischer Sicht  die Chancen, die aus den neben den Pfarrern neu entstehenden Laienämtern erwachsen.  Zugleich sprach sie sich für eine „mixed economy church“ (Rowan Williams) aus, in der sich  institutionelle Grundstrukturen mit kreativen neuen Gestaltungsformen verbinden. 
 
Jutta Haase, Referatsleiterin aus dem brandenburgischen Landesamt für Flurneuordnung,  zeigte anhand von Förderprojekten, dass eine nachhaltige Erhöhung der Lebensqualität in  peripheren Räumen dort gelinge, wo in einem Projekt unterschiedlicher Interessen zusammen geführt würden. Entscheidend sei der Faktor Mensch: „Der Mensch bleibt, die  Förderung endet“. Und der Greifswalder Betriebswirtschaftler Professor Steffen Fleßa fragte  ausgehend von den Erfahrungen im Gesundheitsmanagement, ob die evangelische Kirche  die Spielräume für Kooperation, Delegation und Substitution ausreichen nutze. Es brauche  kreative, systemisch abgestimmte Formen kirchlicher Präsenz, um mit den neuen  Herausforderungen in solchen ausgedünnten Regionen umzugehen. 
 
Neben einem angeregten Erfahrungsaustausch standen vor allem drei Gedanken im  Zentrum der Diskussion der Teilnehmenden: Die Kirche braucht Experimentierfelder neuer  Formen. Die Attraktivität in Flächen-Pfarrämtern muss gesteigert werden. Es braucht eine  theologische Ausbildung, die diese Herausforderungen realisiert und zugleich kreative  Gestaltungskraft aus dem eigenen Glauben heraus entfaltet.  
 
Thies Gundlach, Vizepräsident des Kirchenamtes des EKD dazu: „Die Landpfarrerin, der  Landpfarrer der Zukunft werden kirchliche Gründergeister sein, kulturkreative  Weltveränderer. Solche Menschen brauchen gestalterische Freiräume, Gemeinschaft mit  anderen, kirchliche Beheimatung. Was sie nicht brauchen, sind ein allgemeines  Bedenkentragen und Stereotype.“ 
 
Katrin Göring-Eckardt betonte, dass sich die kirchlichen Sammlungsformen in den  ausgedünnten ländlichen Räumen in Zukunft nicht mehr an alten Siedlungsstrukturen und  Dorfkernen orientieren dürften, sondern an Netzwerkstrukturen. „Das bedeutet ein radikales  Umdenken für kirchliches Dasein. So wie die familiären, beruflichen und sozialen  Lebenswelten der Menschen insgesamt sich wandelten, so wird auch evangelische Kirche  vielfältiger, multilokaler sein als bisher.“ 
 
Die Texte der Tagung sollen als epd-Dokumentation veröffentlicht werden. Für das Frühjahr  2013 ist eine zweite Land-Kirchen-Konferenz geplant. Die Land-Kirchen-Konferenz wird von  einem Arbeitskreis von kirchlichen Praktikern begleitet und ist ein Schwerpunkt im  Reformprozess „Kirche im Aufbruch“. 
 
 
Hannover, 8. Juni 2012
 
Pressestelle der EKD
Silke Römhild