Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung Stiftung „Anerkennung und Hilfe“

Bund, Länder und Kirchen haben heute am Rande der 93. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) in Lübeck die Verwaltungsvereinbarung zur Errichtung der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ unterzeichnet. Die Stiftung soll das Leid und Unrecht anerkennen, das Kinder und Jugendliche in der Zeit von 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. 1949 bis 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie erfahren haben.

Bundessozialministerin Andrea Nahles sagte bei der Unterzeichnung: „Ich freue mich sehr, dass wir heute nach mehr als dreijährigen Verhandlungen endlich die Gründungsurkunde für die Stiftung ‚Anerkennung und Hilfe‘ unterschreiben. Die Betroffenen haben lange beharrlich dafür gekämpft, die Stiftung zu errichten. Menschen, die als Kinder und Jugendliche in unserem Land in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe beziehungsweise der Psychiatrie unsägliches Leid erlitten haben, bekommen durch die Stiftung ‚Anerkennung und Hilfe‘ nicht nur endlich die Anerkennung und die finanzielle Unterstützung, die ihnen zusteht. Wir werden das Geschehene nun auch endlich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen können.“

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Alheit betonte als Vorsitzende der ASMK und Ländervertreterin: „Ich freue mich, dass es heute gelungen ist, diese Einigung im Sinne der Betroffenen zu erzielen. Mir ist wichtig, dass wir sie in den weiteren Aufarbeitungsprozess eng mit einbeziehen und dabei neben dem Thema Gewalt und Missbrauch auch das Thema Medikamentenversuche beleuchten. Kinder und Jugendliche haben in dieser Zeit Leid und Unrecht in Einrichtungen erfahren. Darüber möchte ich von Herzen mein ausdrückliches Bedauern ausdrücken. Wir werden jetzt dazu beitragen, dieses Unrecht aufzuarbeiten, öffentlich anzuerkennen und Betroffenen konkrete Hilfestellung leisten.“

Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Frau Präses Annette Kurschus, sagte: „Leid und Unrecht, erlitten von vielen hilfebedürftigen Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. stationären psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland nach 1949, sind der Anlass für die Errichtung der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“. Mit Scham sehen Evangelische Kirche und Diakonie auf die Verhältnisse und die Verantwortung auch kirchlicher Einrichtungen für die Ereignisse in dieser Zeit. Wir bedauern das Geschehene zutiefst und bitten die Betroffenen dafür um Vergebung. Es ist uns wichtig, dass nun endlich auch für den Kreis dieser Betroffenen ein Hilfesystem entsteht, um den heute noch vorhandenen Folgewirkungen zu begegnen.“

Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), der in Vertretung für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz in Lübeck teilnahm, erklärte: „Die Stiftung ist ein absolut notwendiger Schritt zur Anerkennung des Leids der Betroffenen. Das sind wir diesen Menschen schuldig! Als Erzbischof der katholischen Kirche bedauere ich die damals ausgeübte physische, psychische und sexuelle Gewalt zutiefst und bitte die Betroffenen dafür um Entschuldigung. Kirchliche Organisationen und Verantwortliche haben in diesen Fällen dem christlichen Auftrag, Menschen mit Behinderung und psychiatrisch Erkrankten in ihrer Entwicklung zu fördern und ihre Würde zu schützen, nicht entsprochen. Meine große Hoffnung ist, dass die Betroffenen durch die Anerkennung und die Hilfen ihren weiteren Lebensweg etwas unbeschwerter und mit einem größeren inneren Frieden gehen können.“

Mit der Beteiligung am Hilfesystem kommen Bund, Länder und Kirchen ihrer Aufgabe nach, in der Vergangenheit erlebtes Leid und Unrecht transparent zu machen und ihren Beitrag zur Bewältigung und Aufarbeitung zu leisten.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird Träger der nichtrechtsfähigen Stiftung des Privatrechts, die von Bund, Ländern und Kirchen gemeinsam zum 1. Januar 2017 errichtet wird. Die Stiftung hat eine fünfjährige Laufzeit und soll für den Zeitraum 2017 bis 2021 bestehen. Betroffene können sich bis Ende 2019 in den Ländern anmelden. Dafür errichten die Länder regionale qualifizierte Anlauf- und Beratungsstellen.

Die Stiftung sieht neben einer individuellen Anerkennung des Erlebten durch persönliche Gespräche mit den Betroffenen und einer öffentlichen Anerkennung auch eine wissenschaftliche Aufarbeitung der seinerzeitigen Geschehnisse vor. Ferner sollen Betroffene, die heute noch unter Folgewirkungen leiden, eine einmalige pauschale Geldleistung von 9.000 Euro zur selbstbestimmten Verwendung erhalten. Darüber hinaus wird eine einmalige Rentenersatzleistung von bis zu 5.000 Euro gezahlt, sofern sie dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben, ohne dass dafür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.

Mehr Informationen finden Sie unter: www.stiftung-anerkennung-hilfe.de

Hannover, 1. Dezember 2016

Pressestelle der EKD
Carsten Splitt