Religionsfreiheit gilt für alle

Ratsvorsitzender unterstreicht Bedeutung der Religionsgemeinschaften im öffentlichen Diskurs

Staat und Gesellschaft sind im öffentlichen Diskurs auf Akteure angewiesen, die nicht nur ihr Eigeninteresse vertreten, sondern „den Sprachlosen eine Stimme verleihen“. Darauf hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, in einem Vortrag am Donnerstag in Karlsruhe hingewiesen. „Die von Sachzwängen geprägte Lebenswirklichkeit braucht Kräfte, die in Freiheit und Unabhängigkeit am gesellschaftlichen Willensbildungsprozess mitwirken“ und sich am gemeinsamen Besten orientieren, sagte Huber am Abend beim Jahresempfang der badischen Bischöfe für die Bundesgerichte. In Deutschland gebe die Verfassung den Kirchen und Religionsgemeinschaften den notwendigen Raum, in der Öffentlichkeit zu wirken. Huber wies darauf hin, dass die korporative Religionsfreiheit für alle Religionen gelte.

Es sei hervorzuheben, dass das Grundgesetz „nicht in einer ausschließenden Weise die christlichen Kirchen privilegiert, sondern ihrer grundsätzlichen Absicht nach alle religiösen Überzeugungen und alle Religionsgemeinschaften gleich behandelt“, betonte der Ratsvorsitzende. Die deutsche Verfassungsordnung sei offen dafür, dass auch andere Religionen von diesen Möglichkeiten der korporativen Religionsfreiheit Gebrauch machen. „Sie können dabei auch den Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen.“ Das gelte auch für den Islam. Doch ob sich eine Religion aus ihrem Selbstverständnis heraus korporativer Gestaltungsmöglichkeiten bedient, liege in ihrer eigenen Verantwortung. „Sie kann in diesem Prozess unterstützt werden; ihr die Verantwortung für die Wahrnehmung solcher Gestaltungsmöglichkeiten abzunehmen, wäre jedoch mit der vorausgesetzten Freiheit der Religion nicht vereinbar.“ Es entspreche dem Kern des christlichen Glaubens, die Menschenwürde, die Menschenrechte und damit die Religionsfreiheit auch Menschen anderen Glaubens zuzuerkennen, sagte Huber. „Deshalb respektieren die christlichen Kirchen das Existenzrecht anderer Religionen, einschließlich ihres Anspruchs auf ein Wirken in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit.“

Bei der Mit-Gestaltung des öffentlichen Raumes müsse in einer pluralen Gesellschaft auf Alleinvertretungsansprüche verzichtet werden. „Die offene Gesellschaft westlicher Prägung birgt eine Vielfalt von Lebensvorstellungen, Weltanschauungen und Religionen in sich, deren Beziehungen zueinander in einem Prozess gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Verständigung auf der Grundlage gegenseitiger Toleranz gestaltet werden müssen.“ Toleranz meine dabei nicht, alles für richtig zu halten. „Religiöse Toleranz in einem ernsthaften Sinn meint das Aushalten und Austragen von Differenzen in Anerkennung der Verbindlichkeit von religiösen Überzeugungen. Eine freiheitliche Gesellschaft, in der religiöse Überzeugungen ernst genommen werden, braucht eine wache, selbstbewusste Toleranz, die den Dialog einfordert, um gemeinsam Antworten auf die für alle wichtigen Fragen zu suchen.“

Hannover, 10. Juli 2008

Pressestelle der EKD
Silke Römhild

Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden im Wortlaut