EKD und Deutsche Bischofskonferenz mahnen humanitäre Bleiberechtsregelung an

Gemeinsamer Brief von Bischof Huber und Kardinal Lehmann an die Innenminister

In einem gemeinsamen Schreiben an die Innenminister und -senatoren der Bundesländer haben der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, begrüßt, dass sich eine Einigung über ein Bleiberecht für langjährig Geduldete abzeichnet. „Wir sind dankbar für die politische Bewegung, die in die Debatte gekommen ist“, so Bischof Huber und Kardinal Lehmann. Einige der Vorschläge weisen jedoch unter humanitären Gesichtspunkten noch gravierende Probleme auf. Die Bischöfe mahnen deshalb, nicht nur den legitimen Interessen von Staat und Gesellschaft, sondern auch den Lebenssituationen der Betroffenen gerecht zu werden.

Von einer Bleiberechtsregelung sollten Menschen profitieren, die es nicht selbst zu verantworten haben, dass sie Deutschland nicht verlassen können. „Bei der Ausgestaltung der Regelung ist darauf zu achten, dass die Anforderungen von den Betroffenen auch erfüllt werden können“, so Kardinal Lehmann und Bischof Huber. Die Kirchen befürworten daher ausdrücklich Vorschläge, eine Aufenthaltserlaubnis mit einem uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang „auf Probe“ zu erteilen. Dabei sollten aber auch Ausnahmetatbestände geschaffen werden, die die besondere Situation berücksichtigen, in der sich beispielsweise behinderte, kranke und traumatisierte Menschen befinden.

Die Kriterien, nach denen ein Ausschluss von einer Bleiberechtsregelung vorgesehen ist, müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, fordern Kardinal Lehmann und Bischof Huber. Scharfe Kritik üben sie an den Überlegungen, pauschal Staatsangehörige bestimmter Länder – namentlich des Irak – auszuschließen, weil sich möglicherweise Terrorverdächtige unter den Geduldeten befinden könnten: „Zur Terrorbekämpfung bietet das deutsche Recht andere und geeignetere Mittel als eine undifferenzierte Verdächtigung ganzer Personengruppen.“ Mit Sorge nehmen die Kirchen auch Pläne wahr, ganze Familien wegen des Fehlverhaltens eines Elternteils von einem dauerhaften Aufenthalt auszuschließen. In solchen Fällen sollte vorrangig das Kindeswohl berücksichtigt werden.

Nachdrücklich warnen Bischof Huber und Kardinal Lehmann davor, eine Bleiberechtsregelung zur Verhandlungsmasse im Ringen um die Novellierung des Zuwanderungsgesetzes zu machen. „Es dürfen nicht, sozusagen als Ausgleich für eine solche Regelung, an anderen Stellen Verschärfungen vorgenommen werden.“ Besonders problematisch sei es, die Situation der Geduldeten weiter zu erschweren. Wenn die Betroffenen nicht selbst zu verantworten haben, dass sie nicht ausreisen können, wäre es ungerecht, ihnen dauerhaft die Leistungen des Sozialsystems nur reduziert oder in Form von Sachleistungen zu gewähren. Kardinal Lehmann und Bischof Huber wenden sich auch gegen Pläne, für den Ehegattennachzug ein Mindestalter einzuführen und bereits vor der Einreise den Nachweis von Sprachkenntnissen zu verlangen. Mit dem – auch grundgesetzlich garantierten – Schutz von Ehe und Familie sei dies kaum in Einklang zu bringen.

In Deutschland leben derzeit fast 200.000 Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Viele von ihnen – Flüchtlinge aus Afghanistan, Palästina oder dem Kosovo – leben seit mehreren Jahren hier. Obwohl ihre Asylanträge abgelehnt wurden, ist ihnen aus dringenden persönlichen oder humanitären Gründen eine Rückkehr in ihre Herkunftsländern auf absehbare Zeit nicht möglich. Ihre Duldung wird aber jeweils nur für wenige Monate verlängert. Am 16. und 17. November wird die Innenministerkonferenz über eine Bleiberechtsregelung für die Betroffenen entscheiden.

Hannover / Bonn, 09. November 2006

Pressestelle der EKD
Karoline Lehmann

Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz
Martina Höhns