„Menschenrechte müssen gelebt werden!“

EKD-Kammervorsitzender Volker Jung kritisiert EU-Flüchtlingspolitik

Der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirchenpräsident Volker Jung, hat sich enttäuscht über die Entscheidung der Justiz- und Innenminister bezüglich der Flüchtlinge aus Nordafrika gezeigt. Angesichts der dortigen Entwicklungen müsste die EU dringend zu einem gemeinsamen Handlungsplan finden. Im Moment sei die Zahl der Ankömmlinge zwar noch nicht besorgniserregend, das könne sich aber angesichts der Lage in Libyen schnell ändern.

„Wir erleben eine Bewegung im gesamten arabischen Raum, die wir noch vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten haben. Sie benötigt unterstützende Maßnahmen von der EU. Nun können und müssen wir Europäer zeigen, was uns unsere Werte wie Freiheit und Menschenrechte wirklich wert sind.“, sagte Jung.

Bei den Ankommenden handele es sich einerseits um Flüchtlinge, die vor Verfolgung und der katastrophalen Sicherheitslage fliehen, und andererseits um Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben. Ihnen stünden unterschiedliche Rechte zu und die EU habe sich verpflichtet, diese einzuhalten. Schutzsuchende müssten Zugang zu einem effektiven und fairen Asylverfahren bekommen. Bei Migranten hätten die EU-Staaten sicherzustellen, dass ihre Menschenrechte geachtet werden.

Jung wies darauf hin, dass in Libyen auch Flüchtlinge aus anderen Krisenregionen gestrandet seien. „Sollten die Schätzungen sich bewahrheiten, dann warten dort viele Schutzsuchende auf eine Gelegenheit zur Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa. Auch der Schutz ihrer Menschenrechte steht auf dem Spiel.“

Jung forderte: „Wenn Italien mit der Situation überfordert ist, müssen die anderen EU- Staaten einspringen. Dann ist es zu wenig, Italien mit der Bewältigung dieser Situation alleine zu lassen. Europa ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine Werte- und Solidargemeinschaft. Das muss sie auch bei der Aufnahme von Asylsuchenden und Migranten zeigen.“

Jung wies darauf hin, dass EU-Mitgliedstaaten mit den autoritären Regierungen in Tunesien und Libyen zu der Abwehr von Flüchtlingen eng kooperiert hätten. Die EU habe noch im Oktober letzten Jahres mit Gaddafi verhandelt. Diese Vereinbarungen seien zu Lasten von Schutzsuchenden gegangen, die in Libyen dann Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt gewesen seien. Die EU müsse die Frage der Flüchtlinge anders lösen, forderte Jung. Dafür müssten die EU-Justiz- und Innenminister „ihre Blockade der Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des Dublin-II-Abkommens aufgeben“. Die EKD setze sich schon lange für dessen grundlegende Reform ein. Die Verordnung legt fest, welcher Staat für die Durchführung von Asylverfahren zuständig ist. Sie belastet die EU-Außenstaaten unverhältnismäßig hoch; deren Überforderung geht zu Lasten der Flüchtlinge.

Hannover, 25. Februar 2011

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick