Begegnung des Rates der EKD mit dem Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen

Bioethische Themen im Mittelpunkt des Austausches

In einem Spitzengespräch zwischen Vertretern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Mitgliedern des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin wurden am Montag, 14. April 2008, Fragen der Bioethik, der Kinder- und Familienpolitik und des Klimaschutzes diskutiert.

Im Rückblick auf die jüngste Entscheidung des Bundestages zur Verschiebung des Stichtags für die Einfuhr von embryonalen Stammzellen wies der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hermann Barth, darauf hin, dass es innerhalb der Evangelischen Kirche „mit guten Gründen“ unterschiedliche Bewertungen gebe. Grundsätzliche Übereinstimmung zwischen EKD und Grünen sei sicherlich in der gemeinsamen Ablehnung der Produktion von Embryonen zu Forschungszwecken festzustellen. Allerdings müsse auch in den Blick genommen werden, dass „wir in Deutschland die Tötung von Embryonen anderen überlassen, während wir von den Ergebnissen der Forschung profitieren“. Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen, Renate Künast, bedauerte die Entscheidung des Bundestages. Die Mehrheit ihrer Partei sehe keine Notwendigkeit für eine Lockerung der Forschungsbedingungen, da die Chancen, dass daraus Behandlungserfolge resultierten, nicht größer geworden seien.

Der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, erweiterte die Diskussion auf das Problem der Spätabtreibungen. Er appellierte an die politischen Vertreter, die bestehenden Regelungen zu überprüfen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Austausches war die aktuelle Debatte über Patientenverfügungen. Präsident Barth unterstrich die Position des Rates der EKD, der eine gesetzliche Regelung für mehr Rechtssicherheit am Lebensende für notwendig hält. Eine solche Rechtssicherheit liege auch im Interesse der Grünen, sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt. „Aber wir sollten nur das regeln, was wir wirklich regeln können und was unbedingt geregelt werden muss.“ Vorüberlegungen zu einem neuen Gesetzentwurf müssten daher von dem Bestreben gekennzeichnet sein, den jeweils aktuellen, tatsächlichen Willen eines Patienten ermitteln zu können, ohne den in einer Verfügung vorab formulierten Willen in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang sei nach Möglichkeiten zu suchen, das Gewicht eines durch den Patienten selbst bestimmten Bevollmächtigten zu stärken. In diesem Punkt sieht die EKD eines ihrer Anliegen aufgenommen. Einigkeit bestand auch darüber, dass es eine vertiefte gesellschaftliche Debatte „über das Leben am Lebensende“, sowie einen weiteren Ausbau der Sterbebegleitung im Hospizbereich geben müsse.

Unstrittig war die Bedeutung der Bildung in der Familien- und Kinderpolitik. „Absolut inakzeptabel“ nannte die Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen,  Steffi Lemke, die Tatsache, dass die Zahl der von Hartz IV lebenden Kinder bei 1,9 Millionen liege. Wie die EKD sprechen sich auch Bündnis 90/Die Grünen für Investitionen in die frühkindliche Bildung aus. Beim Ausbau des Angebots von Kindertagesstätten müssten allerdings Qualitätsstandards im Mittelpunkt stehen.

Der EKD-Ratsvorsitzende Huber betonte erneut, dass in diesem Zusammenhang vom Kind als Subjekt, das ein Recht auf Bildung habe, ausgegangen werden müsse. Daher sei im Blick auf Kindertagesstätten in erster Linie die Bildung, und nicht die Betreuung von Kindern zu berücksichtigen.

Die Fortschritte beim Klimaschutz wurden von den Teilnehmern beider Seiten kritisch betrachtet. Es gebe in Deutschland ein hohes Maß an „gefühltem Klimaschutz“, das nicht der Realität entspreche, bemängelte Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Er verwies darauf, dass beispielsweise die Problematik der Abholzung der Regenwälder im Zuge der weltweiten Fleischproduktion hier zu Lande überhaupt nicht wahrgenommen werde. Die Vertreter der EKD teilten diese Einschätzung. Es gebe noch zu wenig praktische Konsequenzen aus dem Mentalitätswandel beim Klimaschutz, sagte Bischof Huber. „Im kirchlichen Bereich liegt eine besondere Verantwortung, dies zu ändern.“ Ratsmitglied Gudrun Lindner verwies darauf, dass das Thema Schwerpunkt der nächsten Tagung der EKD- Synode sein wird.

EKD und Grüne begrüßten die vom Innenministerium geplante Aufnahme irakischer Christen in Deutschland. Dies sei ein „erster Schritt hin zu einer programmatischen „Resettlement-Politik“ der Bundesregierung“, in deren Rahmen auch andere besonders schutzbedürftige Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden könnten.

Das Spitzengespräch im Zuge des regelmäßigen Austauschs zwischen der Evangelischen Kirche und Bündnis 90/Die Grünen wurde von beiden Seiten als „intensiv“, „offen“ und maßgeblich für weitere Gespräche bewertet.

Teilnehmende am Gespräch:

Von Seiten Bündnis 90/Die Grünen:

Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender
Volker Beck, MdB, Parlamentarischer Geschäftsführer
Katrin Göring-Eckhardt, MdB, Bundestagsvizepräsidentin
Christian Griebenow, Kirchenpolitischer Referent
Renate Künast, Fraktionsvorsitzende
Steffi Lemke, Politische Bundesgeschäftsführerin
Astrid Rothe-Beinlich, Mitglied des Bundesvorstands
Malte Spitz, Mitglied des Bundesvorstands
Dietmar Strehl, Bundesschatzmeister.

Von Seiten der EKD:

Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber
Ratsmitglied Hermann Gröhe
Ratsmitglied Gudrun Lindner
Ratsmitglied Gerrit Noltensmeier
Ratsmitglied Präses Nikolaus Schneider
Hermann Barth, Präsident des Kirchenamtes der EKD
Prälat Stephan Reimers, Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union
David Gill, Stellvertretender Bevollmächtigter.

Hannover / Berlin, 15. April 2008

Pressestelle der EKD
Karoline Lehmann