Repräsentative Demokratie stärken – auf rationale Argumente setzen

Kirchen diskutieren über Zustand der Demokratie

In der gegenwärtigen Debatte um die politische Kultur in Deutschland wünscht sich Bundestagspräsident Norbert Lammert von den christlichen Kirchen ein klares Bekenntnis zur repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Lammert sprach am gestrigen Mittwoch (22. März 2017) bei einer von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Deutschen Bischofskonferenz, der Synode der EKD und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in Zusammenarbeit mit der Evangelischen und Katholischen Akademie in Berlin getragenen Veranstaltung mit dem Titel „Zwischen Polarisierung und Konsens. Wie steht es um unsere Demokratie?“.

Gegen den Anspruch praktisch aller Populisten, den Willen des Volkes unverfälscht zum Ausdruck zu bringen, erinnerte der Bundestagspräsident daran, dass eine freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie von der Idee der gleichen Berechtigung verschiedener Überzeugungen lebe. Die demokratische Mehrheitsentscheidung sei keine Entscheidung über Wahrheiten, wohl aber ein Gültigkeitstestat für die erfolgte Willensbildung. Der Konflikt sei in einer Demokratie ein gewollter Dauerzustand, wie auch das Spannungsverhältnis zwischen Bewahren und Verändern.

In der repräsentativen parlamentarischen Demokratie mit regelmäßigen Wahlen, Berufspolitikern als Repräsentanten des Volkes und der Zuordenbarkeit von Verantwortung und nicht in plebiszitären Entscheidungsformen sieht Lammert den besten Weg. „Parlamentarische Entscheidungen sind selten genial, aber auch selten völlig daneben“, so Lammert.

Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte unterstrich in seinem Vortrag die Notwendigkeit einer Streitkultur für das Funktionieren einer Demokratie. „Streit ist wichtig“, so Korte, „Wettbewerb, Auseinandersetzungen und Konflikte sind die Voraussetzung für notwendige Veränderung.“ Er kritisierte, dass die Deutschen in Bezug auf ihre Demokratie oft zu streitscheu seien. Eine Belebung der Streitkultur, für die es aktuelle Anzeichen gebe, werde der Demokratie gut tun.

Der Präsident des ZdK, Thomas Sternberg, rief dazu auf, gegen die Tendenz zur Emotionalisierung der politischen Debatte auf die Kraft des rationalen Argumentes zu setzen und die Auseinandersetzung über den richtigen Weg auf der Basis persönlicher fundierter Überzeugungen zu führen. „Mich beunruhigen der Hass und Müll, der mir insbesondere im Netz begegnet“, so Sternberg.

Die Präses der Synode der EKD, Irmgard Schwaetzer, rief die Christen dazu auf, ihren Beitrag zur Revitalisierung der politischen Kultur zu leisten und besonders den Dialog mit den Unentschlossenen zu suchen. „Wir haben als Menschen und natürlich auch als Christen eine Verpflichtung, uns für die Demokratie in die Bresche zu werfen.“

Der Essener Bischof und Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck, kündigte in seinem Schlusswort an, die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland wollten gemeinsam eine Erklärung zur Demokratie erarbeiten. In diesen Text müssten die Debatten über Bedeutung des Konflikts, der Identität und der Verantwortung in der Demokratie eingehen.

Hannover, 23. März 2017

Pressestelle der EKD