„Himmelfahrt ist die kleine Schwester des Osterfestes“
Theologe Wolfgang Reinbold über die christlichen Wurzeln des „Vatertages“
Göttingen (epd). Himmelfahrt gehört in der öffentlichen Wahrnehmung zu den eher unterbelichteten christlichen Festtagen. Dabei verrät schon sein Name, dass es um ein atemberaubendes Geschehen, fast schon um biblisches Hollywood-Kino geht. Und um nicht weniger, als die Überwindung des Todes. Was es mit dem Feiertag im Einzelnen auf sich hat - und wie dieser mit dem datumsgleichen „Vatertag“ zusammenhängt - verrät der Göttinger Theologieprofessor Wolfgang Reinbold im Gespräch mit Daniel Behrendt vom Evangelischen Pressedienst (epd).

Wolfgang Reinbold, Beauftragter für Kirche und Islam, Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers (Foto vom 06.12.2022).
epd: Himmelfahrt: Der Name des Feiertags deutet schon an, dass da vor rund 2000 Jahren etwas wirklich Außergewöhnliches passiert sein muss. Was berichtet die Bibel?
Wolfgang Reinbold: Von der Himmelfahrt Jesu ist im Neuen Testament nur bei einem einzigen Autor die Rede, nämlich am Ende des Lukasevangeliums und zu Beginn der von Lukas verfassten Apostelgeschichte. Hier wird davon erzählt, dass Jesus nach seiner Auferweckung „vierzig Tage lang“ von seinen Anhängern gesehen wurde. Und dass er dann „vor ihren Augen emporgehoben“ wurde und „gen Himmel fuhr“.
In der Sache ist das eine Dramatisierung der Botschaft von der Auferstehung Jesu. Die anderen biblischen Autoren verzichten darauf, sie in den Einzelheiten zu schildern. Lukas macht daraus eine Szene, die man verfilmen kann - wie es dann auch passiert ist.
epd: Die meisten Menschen glauben vermutlich nicht wirklich, dass jemand erst sterben, dann auferstehen und schließlich in den Himmel aufsteigen kann. Ist der Glaube an derartige „Wunder“ - die Bibel ist voll davon - eine Bedingung, um Christ zu sein?
Reinbold: Nein, die biblischen Geschichten wurden seit alter Zeit und werden bis heute sehr unterschiedlich ausgelegt. Manche Christinnen und Christen verstehen sie streng wörtlich. Andere versuchen, die zentralen Aussagen der Geschichten zu erfassen und diese Aussagen mit anderen Worten und Bildern in die heutige Zeit zu übertragen.
epd: Wem das mit der körperlichen Himmelfahrt zu übersinnlich ist, der mag aber immerhin für die symbolische Bedeutung von Himmelfahrt offen sein. Was also ist die Botschaft dieses Tages - gerade für heutige Menschen?
Reinbold: Der Kern des Fests ist die Botschaft von der Auferstehung Jesu. Himmelfahrt ist, wenn man so will, die kleine Schwester des Osterfests. Die zentrale Botschaft des Fests ist die Botschaft von Ostern: Gott hat die Macht des Todes überwunden. Er lässt seinen Sohn nicht im Tod - und uns auch nicht.
Auf das eigene Leben bezogen heißt das: Ich muss keine Angst vor dem Tod haben. Ich werde durch den Tod nicht in die völlige Beziehungslosigkeit geworfen, sondern bleibe geborgen bei Gott. Wenn ich darauf vertraue, kann ich mit dem Tod anders umgehen, mit all den Konsequenzen, die das hat - für mich, in der Familie, im Krankenhaus, im Hospiz und so weiter.
epd: Wie wird Himmelfahrt überhaupt gefeiert? Und: Macht es dabei einen Unterschied, ob man evangelisch oder katholisch ist?
Reinbold: Das Fest fällt in der Regel in den Mai. Entsprechend wird es vielerorts als Frühlingsfest gefeiert, mit Gottesdiensten draußen im Grünen und einem bunten Programm. Im katholischen Raum ist es an einigen Orten noch üblich, dass man vor dem Fest Bittprozessionen veranstaltet, für gutes Wetter, eine reiche Ernte und Schutz vor Naturkatastrophen.
epd: Warum ist der Himmelfahrtstag auch der „Vatertag“? Gibt es da irgendeinen Zusammenhang zwischen Bibel und Brauchtum?
Reinbold: Das hängt mit der Jahreszeit und mit den Prozessionen zusammen. Sie wurden an verschiedenen Stellen mehr und mehr zu sogenannten „Herrenpartien“, also zu feucht-fröhlichen Frühlingsumzügen mit Bier und Bratwurst. Mittlerweile ist das an vielen Orten eine große Sache.