Zur Situation und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Eine Ergänzung zu den Empfehlungen der EKD und des E-TFT „Das Zusammenwirken von Landeskirchen und Theologischen Fakultäten in Deutschland“, 2018

1. Exemplarische Situationen und Herausforderungen des wissenschaftlichen Nachwuchses

Für Personen, die sich nach dem Theologiestudium weiter wissenschaftlich qualifizieren wollen, gibt es verschiedene Finanzierungs- bzw. Berufsmöglichkeiten, die hier hinsichtlich ihrer Chancen und Herausforderungen kurz exemplarisch dargestellt werden:

Stipendium

Eine Finanzierungsmöglichkeit für eine Dissertation oder eine Habilitation ist die Bewerbung um ein Stipendium. Aus der Sicht einer Stipendiatin oder eines Stipendiaten bewegt sich die Entscheidung für die Bewerbung um ein Stipendium oder auf eine Mitarbeiter/innenstelle zwischen den beiden Möglichkeiten, sich entweder mit einem Stipendium bei dauerhaft geringerem Einkommen intensiv um den Fortschritt der Qualifikationsarbeit kümmern zu können oder, mit einer Mitarbeiter/innenstelle, zwar finanziell besser versorgt zu sein und an flankierenden Qualifikationsangeboten partizipieren zu können, aber dafür weniger Zeit für die Arbeit an der Qualifikationsschrift in Kauf nehmen zu müssen.

Bei der Bewerbung um ein Promotionsstipendium stellt sich die Herausforderung, dass man die Zeit zwischen Studienabschluss und Erstauszahlung eines Stipendiums finanziell überbrücken muss, was einen Zeitraum von schätzungsweise drei Monaten bis zu einem Jahr umfassen kann. Es kann nicht erwartet werden, dass zum Zeitpunkt des Studienabschlusses ein fachlich und stilistisch ausgereiftes Forschungsexposé vorgelegt wird, wie es als Entscheidungsgrundlage von den meisten Stipendiengebern gefordert wird.

Förderung im Rahmen eines Graduiertenkollegs

Graduiertenkollegs stellen ein fakultätsunabhängiges Förderinstrument dar. Der Fokus liegt hier auf der Durchführung und Fertigstellung von Qualifikationsarbeiten.

Graduiertenkollegs sind besonders dann attraktiv für Promovierende, wenn sie Mitarbeiter/innenstellen anbieten. Dies scheint auch die gegenwärtige Tendenz zu sein. Die Anstellung von Promovierenden über Stipendien ist dagegen vergleichsweise unattraktiv (zum Beispiel geringere Bezahlung als bei vergleichbaren Stipendien, selbst zu tragende Kosten für Krankenversicherung, fehlende Sozial- und Rentenbeiträge). Sofern eine Stipendienstruktur gegeben ist, besteht die Möglichkeit, dass Stipendiatinnen und Stipendiaten bei fehlenden Übergangsregelungen direkt auf Arbeitslosengeld II zurückfallen, weil in diesem Fall keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet werden.

Das Arbeitsumfeld kann unterschiedlich ausgestattet sein (räumliche und infrastrukturelle Standards, WLAN-Zugang, IT-Struktur, PC-Ausstattung).

Die jeweils unterschiedliche Akzentuierung der internen curricularen Gestaltung (im Verhältnis zu Freiräumen) und ebenso der Interdisziplinarität (im Verhältnis zur fachspezifischen Vernetzung) kann sich sowohl förderlich als auch hinderlich auf den Promotionsprozess auswirken. Die Einbindung individueller Forschung in einen gemeinsamen Forschungsrahmen kann sich dabei als Mehrwert erweisen.

Wissenschaftliche Mitarbeiter/innenstelle an einem Lehrstuhl

Eine Mitarbeiter/innenstelle an einem Lehrstuhl bedeutet – je nach Beschäftigungsumfang – , eine vergleichsweise gute finanzielle Ausstattung zu haben und stärker in den aktiven Wissenschaftsbetrieb eingebunden zu sein. Dies geschieht durch eigene Lehraufträge wie auch durch die Beteiligung an Forschungsprojekten, die Einblicke in den Wissenschaftsbetrieb gewähren. Für Promovierende, die eine Mitarbeiter/innenstelle dieses Zuschnitts innehaben, bedeuten eigene Lehraufträge jedoch auch eine Zusatzbelastung, die neben der eigentlichen Arbeit an der Dissertation zu bewältigen ist. Auch wird von Lehrstuhlmitarbeiterinnen und -mitarbeitern erwartet, dass sie überobligatorische Aufgaben wahrnehmen bzw. an Veranstaltungen etc. teilnehmen, die zusätzlich zur Arbeit an der Dissertation, Lehraufträgen und Verwaltungsaufgaben hinzukommen und das Zeitkontingent für die Qualifikationsarbeit schmälern.

Wissenschaftliche Mitarbeiter/innenstelle in einem Drittmittelprojekt

Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in einem Verbundforschungsprojekt ist man finanziell vergleichsweise gut abgesichert. Die Einbindung in den Wissenschaftsbetrieb erfolgt hier häufig gezielt und möglichst schnell, oft verbunden mit dem Wunsch, zügig zu Ergebnissen zu kommen und diese zu publizieren. Interne Qualifikation und fachlicher Austausch werden in den Arbeitsalltag integriert und können zum Teil in den Vordergrund treten. Lehraufträge sind in aller Regel nicht obligatorisch, sie sind in Einzelfällen sogar explizit ausgeschlossen, können aber hinzutreten. Grundsätzlich ermöglichen Stellen dieses Zuschnitts eine Konzentration auf die Arbeit an der Dissertation, allerdings flankiert durch Mehrarbeit in der Einwerbung weiterer Drittmittel und in Form von Workshops, Gastvorträgen, Vorlesungsreihen und nicht zuletzt Publikationen und Vorträgen, wie dies jedoch in allen hier skizzierten Konstellationen der Fall zu sein scheint.

Privatdozentur

Die Situation von Privatdozentinnen und -dozenten ist von einer hohen Flexibilisierung betroffen: Lehrstuhlvertretungen beispielsweise erfordern unter Umständen kurzfristige Beurlaubungen aus kirchlichen Dienstverhältnissen. Die Rücksicht auf einen kirchlichen Dienstort, der in der Nähe einer Universität liegt, ist von großem Vorteil: zum einen, um Zugang zu Bibliotheken zu haben, zum anderen aber auch, um die Wahrnehmung des Lehrdeputats zu erleichtern.

Wissenschaftliche Qualifikation nach dem Vikariat

Die Situation von nicht ordinierten Absolventinnen und Absolventen des Vikariats gestaltet sich mitunter schwierig. Gerade bei der Gestaltung der Übergänge von Universität zu Kirche und vice versa ist Verständnis für die Situation der Kandidatinnen und Kandidaten von beiden Seiten nötig. Besondere Schwierigkeiten können sich ergeben zwischen der Aufnahme in den Probedienst und der Fortsetzung einer wissenschaftlichen Laufbahn. Qualifikationsinteressentinnen und -interessenten müssen sich mit erheblichen finanziellen Unsicherheiten auseinandersetzen. Der Kontakt zur Landeskirche kann in dieser Situation abbrechen, ohne dass beide Seiten des Ausbildungsverhältnisses (Kirche und Vikar/in) es tatsächlich beabsichtigen.

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Eine Ergänzung zu den Empfehlungen der EKD und des E-TFT „Das Zusammenwirken von Landeskirchen und Theologischen Fakultäten in Deutschland“, Dezember 2018