Filmförderungsgesetz

Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe

zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes (Bundestagsdrucksache 15/1506) anlässlich der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien zum o.g. Gesetzentwurf am 15.10.2003

Die Kirchen begrüßen die im vorliegenden Regierungsentwurf vorgesehenen Verbesserungen der Filmförderung, insbesondere

  • die verstärkte Berücksichtigung kultureller Aspekte (z.B. in der kriterienbasierten Referenzfilmförderung),
  • die Verstärkung der Absatzförderung,
  • die Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten für Produzenten und
  • die Fortentwicklung der Außenvertretung des deutschen Films.

Die Bemühungen um eine Aufstockung der Mittel der FFA sind im Interesse des deutschen Films nachdrücklich zu unterstützen.

Sie sehen die kulturellen Aspekte der Filmförderung in dem Entwurf dennoch nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.

In diesem Zusammenhang wenden sich die evangelische und katholische Kirche nachdrücklich insbesondere gegen die beabsichtigte Streichung eines kirchlichen Sitzes im Verwaltungsrat.

Die Kirchen haben sich stets für die Berücksichtigung und Stärkung kultureller Aspekte bei der Filmförderung eingesetzt, die sie langfristig als Voraussetzung für eine Verbesserung auch der wirtschaftlichen Situation des deutschen Films betrachten. Es ist daher zu unterstützen, dass die Zweckbestimmung der Filmförderungsanstalt in § 1 des Gesetzentwurfs mit der ausdrücklichen Förderung der "kreativ-künstlerischen Qualität des deutschen Films als Voraussetzung für seinen Erfolg im Inland und im Ausland" eine Fortentwicklung erfährt. Entsprechend heißt es in der Begründung, dass damit zugleich verdeutlicht werde, "dass der wirtschaftliche Erfolg im Inland und im Ausland ohne eine Stärkung qualitativer und damit auch kultureller Merkmale einschließlich des kreativ-künstlerischen Filmschaffens nicht dauerhaft erreichbar ist". Im Sinne von § 1 des Entwurfs sollten daher Maßnahmen getroffen werden, die eine der Eigenlogik der Kultur Rechnung tragende Förderung ermöglichen.

Im Einzelnen:

  1. Verwaltungsrat ( § 6 Absatz 1 Satz 1 des Entwurfs)

    Die evangelische und katholische Kirchen machen mit Nachdruck geltend, an der bisherigen Regelung hinsichtlich der Vertretung der evangelischen und der katholischen Kirche mit je einem Mitglied im Verwaltungsrat festzuhalten.

    Wie bereits von Seiten des Bundesrates vertreten, plädieren wir ausdrücklich dafür, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nummer 15 wie folgt zu fassen:

    "15. je ein Mitglied, benannt von der evangelischen Kirche und der katholischen Kirche".

    Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die evangelische und katholische Kirche nicht mehr wie bisher je ein Mitglied in den Verwaltungsrat entsenden können, sondern nur noch ein Mitglied gemeinsam zu benennen haben (§ 6 Abs. 1 Nr. 15 des Entwurfs). Nach § 6 des Entwurfs soll einem neuen Verband der Kinowirtschaft, Cineropa e. V., die Möglichkeit verschafft werden, einen Sitz im Verwaltungsrat zu erhalten. Damit soll die Besetzung des Verwaltungsrates den Veränderungen in der Filmwirtschaft, insbesondere im Kinobereich, angepasst werden. Gleichzeitig soll aber die Gesamtzahl von 29 Mitgliedern – wiederum im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit des Gremiums - beibehalten werden. Nach Auffassung der Bundesregierung muss daher in einem anderen Vertretungsbereich eine Absenkung erfolgen. Die Bundesregierung hat sich daher, wie in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates ausgeführt, "- dem Vorgehen bei anderen gesellschaftlichen Gruppen entsprechend - dazu entschlossen, die Zahl der von den beiden Kirchen entsandten Mitglieder auf eines zu beschränken."

    Die evangelische und katholische Kirche halten ein umfangreiches Engagement auf dem Gebiet des Films aufrecht. Sie unterscheiden sich von anderen Verbänden und Institutionen im Verwaltungsrat auch dadurch, dass sie sich jeweils in fast allen Segmenten der Filmkultur und Filmwirtschaft engagieren.

    Dazu gehören sowohl die

    • Bereiche der Herstellung und Verbreitung von Filmen (katholische und evangelische Produktionsfirmen wie TELLUX, EIKON usw. sowie katholische und evangelische Vertriebsfirmen für Medien im nichtgewerblichen Bereich, kirchliche Verleihunternehmen, katholische und evangelische Verleihstellen wie diözesane und landeskirchliche Medienstellen) als auch die
    • Bereiche der filmkulturellen Bildung (medienpädagogische Angebote, filmkulturelle Veranstaltungen usw.) und
    • der kirchlichen Filmpublizistik mit den hochangesehenen Filmzeitschriften epd-Film (evangelisch – siehe Anlage) und film-dienst (katholisch – siehe Anlage),
    • eine der umfangreichsten Filmdatenbank der Welt (Lexikon des Internationalen Films) und
    • die kirchliche Jury-Arbeit bei Internationalen Festivals (beispielsweise in Berlin, Venedig, Cannes, Mannheim, Leipzig, San Sebastián, Locarno uvm. sowie der Vergabe von Preisen).

    Die eigenständige Mitwirkung der beiden Kirchen im Bereich der Filmförderung leitet sich daher nicht nur daraus ab, dass die beiden Kirchen von der Einführung des Gesetzes an mit im Verwaltungsrat vertreten waren, sondern auch aus der Tatsache, dass sich beide Kirchen mit ihrer je eigenen über Jahrzehnte verfolgten Filmarbeit erhebliche Investitionen auf filmkulturellen Gebiet leisten.

    Die Kirchen sind im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt Anwalt der kulturellen Dimension des Films. Da der Bereich der Filmwirtschaft einen Sitz mit der Aufnahme des neuen Verbandes Cineropa e. V. dazu erhält, bedeutet die Streichung eines der beiden kirchlichen Sitze damit - neben der Außerachtlassung der Eigenständigkeit beider Kirchen sowohl in institutioneller Hinsicht als auch in Bezug auf ihr je eigenes hohes Engagement im Bereich des Films – dass weniger Vertreter für den Bereich der Filmkultur dem Verwaltungsrat angehören. Der Bereich der Filmwirtschaft wird demgegenüber gestärkt, denn der Sitz der Kirchen soll an den Multiplexverband Cineropa e. V. gehen. Entgegen der ausdrücklichen politischen Willensbekundung ist mit der Streichung eines kirchlichen Sitzes damit auch eine Schwächung des kulturellen Aspekts der Filmförderung verbunden. Dies zeigt sich auch dann, wenn der Verwaltungsrat Entscheidungen zu treffen hat, die kulturelle Aspekte der Förderung betreffen, so z.B. die Entscheidung über die Liste der Festivals, die für die Vergabe von Referenzpunkten berücksichtigt werden sollen.

    Selbstverständliche Folge der Aufnahme eines neuen Verbandes in den Verwaltungsrat ist die Erhöhung der Gesamtzahl seiner Mitglieder. Die Erhöhung der Mitgliederzahl wäre also der Aufnahme eines neuen Verbandes geschuldet. Sie ist nicht durch die beiden Kirchen zu vertreten und die Aufnahme eines neuen Verbandes kann auch nicht auf deren Kosten gehen. Die Arbeitsfähigkeit des Gremiums wird durch eine Anhebung der Mitgliederzahl um einen Sitz überhaupt nicht gefährdet.

    Die Fragen der Filmpolitik werden von evangelischen und katholischen Einrichtungen mit eigener Verantwortung behandelt. Ein gemeinsamer Vertreter wäre nicht autorisiert, für die eine oder für die andere Kirche zu sprechen. Die Ausführungen der Bundesregierung, "dass das von den Kirchen entsandte Mitglied im Verwaltungsrat bereit und in der Lage sein wird, eventuell von seiner Auffassung abweichende Positionen der anderen Kirche im Verwaltungsrat wirksam zu vertreten", verwundert in diesem Zusammenhang.

  2. Vergabekommission (§ 8 Abs. 2 des Entwurfs)

    Desweiteren hatten die Kirchen bei der letzten Novellierung des Filmförderungsgesetzes ihren Sitz in der Vergabekommission mit der Begründung verloren, dass das Gremium - im Hinblick auf seine Arbeitsfähigkeit - möglichst klein zu halten sei. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll nun aber die Vergabekommission von derzeit neun auf dreizehn Mitglieder erweitert werden. Dadurch ist die damalige Begründung für den Wegfall der kirchlichen Vertretung in der Vergabekommissson gegenstandslos geworden. Das Argument der Arbeitsfähigkeit des Gremiums erscheint zudem angesichts dieser Entwicklung und seiner nunmehrigen abermaligen Heranziehung zur Begründung der Streichung eines der beiden kirchlichen Sitze im Verwaltungsrat als ein Willkürliches. Angesichts des hohen Engagements beider Kirchen im Bereich des Films reklamieren die Kirchen daher eine Berücksichtigung ihrer Vertreter zumindest im Losverfahren.

    Hier ist mit Blick auf die Eigenständigkeit der evangelischen und der katholischen Kirche der Vorschlag des Bundesrates, der die Möglichkeit der Benennung von jeweils bis zu zwei Personen durch die evangelische Kirche und die katholische Kirche vorsieht, deutlich vorzugswürdig.

  3. Referenzfilmförderung (§ 22 des Entwurfs)

    Die Anhebung der Referenzschwelle auf 150 000 Referenzpunkte kann für einige unter qualitativen Gesichtspunkten hochstehende Filme eine erhebliche Hürde darstellen. Aus Sicht der Kirchen lässt sich eine solche Anhebung der Referenzschwelle nur vertreten, wenn der Katalog der nach § 22 Abs. 3 zu berücksichtigenden Erfolge und Preise kulturelle Aspekte in ausreichendem Maße berücksichtigt.

    1. Unter kulturellen Aspekten erscheint der Katalog des § 22 Abs. 3 des Entwurfs aber nicht als ausreichend, auch wenn die Festlegung der nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 zu berücksichtigenden Festivals einer Richtlinie des Verwaltungsrats vorbehalten bleibt.

      Im Sinne einer Berücksichtigung von Qualitätskriterien bei der Referenzfilmförderung ist die reine Berücksichtigung von Hauptwettbewerben internationaler Festivals zu restriktiv. Unter Qualitätsgesichtspunkten besitzen renommierte Nebenreihen wie der Quinzaine des réalisateurs in Cannes oder das Forum des Internationalen Jungen Films der Berlinale mindestens die gleiche Bedeutung wie die Hauptwettbewerbe.

      Bei der Vergabe von Referenzpunkten haben aus Sicht der Kirchen neben Festivalteilnahmen, Filmpreisnominierungen und Auszeichnungen auch die FBW-Prädikate nach wie vor ihre Berechtigung. Es ist selten genug, dass deutsche Filme auf internationalen Festivals Hauptpreise erringen, dagegen ist die kontinuierliche Arbeit der FBW durchaus ein zu berücksichtigender Indikator für Qualität. Es erscheint daher unter kulturellen Gesichtspunkten als angemessen, dass beispielsweise kleinere, aber hochwertige Filme oder solche, die nicht an Festivals teilgenommen haben, aber qualitativ gut sind, die Möglichkeit über ein FBW-Prädikat erhalten, Referenzpunkte zu sammeln und ihnen damit eine Chance auf Förderung ermöglicht wird.

      Zur Förderung des deutschen Films sollten auch die Preise der Deutschen Filmkritik bei den festivalunabhängigen Auszeichnungen Berücksichtigung finden.

      Ebenso sollten Festivalauszeichnungen der sog. unabhängigen Jurys, etwa der FIPRESCI-Jurys und der ökumenischen Jurys einbezogen werden.

      Die Kirchen plädieren daher dafür, den Katalog des § 22 Abs. 3 im beschriebenen Sinne zu ergänzen.

    2. Nach dem Entwurf setzt die Berücksichtigung des Erfolges bei Festivals und Preisen zudem voraus, dass der Film im Inland eine Besucherzahl von mindestens 50.000 erreicht hat (§ 22 Abs. 2 Satz 4). Das aber bedeutet, dass ein Film, der unter § 22 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 fällt, also beispielsweise den Deutschen Filmpreis, den Oscar oder Goldenen Bären erhalten hat (300.000 Referenzpunkte) oder hierfür nominiert war oder am Hauptwettbewerb der Berlinale oder in Cannes (150.000 Referenzpunkte) teilgenommen hat, aber keine Besucherzahl von mindestens 50.000 erreicht hat, für die Referenzfilmförderung nicht herangezogen werden kann. Die eigentlich erworbenen 150.000 oder 300.000 Referenzpunkte können nicht berücksichtigt werden, weil der Film keine Besucherzahl von mind. 50.000 erreicht hat. Betroffen wären beispielsweise Filme wie "Der Felsen" (Dominik Graf, Berlinale-Wettbewerb 2002, 46.000 Zuschauer) oder allein zwei von den für den Deutschen Filmpreis 2003 nominierten sechs Filmen, "Elefantenherz" und "Pigs Will Fly" (beide unter 10.000 Zuschauer).

      Die Kirchen empfehlen daher, an einer Mindestbesucherzahl von 50.000 als Voraussetzung für die Berücksichtigung von Erfolgen und Preisen bei Festivals nicht festzuhalten (§ 22 Abs. 2 Satz 4.).

      Damit wäre sichergestellt, dass Auszeichnungen als Qualitätsnachweis wesentliche Funktion haben und dass Filme mit nachgewiesener Qualität durch nationale wie internationale Auszeichnungen für die Referenzfilmförderung Berücksichtigung finden, auch wenn im Einzelfall der Film weniger als 50.000 Besucher erreichen sollte.

      Die Erfahrungen mit Preisträgern großer Festivals wie Cannes, Berlin und Venedig zeigen, dass Werke von großer kreativ-künstlerischer Qualität im Kino nicht stets große Besucherzahlen erreichen, aber ihre unbestreitbare Wirkung sowohl für die weitere Arbeit des Preisträgers als auch mittel- oder langfristig entfalten, filmgeschichtlich bedeutsam und im Rahmen der nichtgewerblichen Bildungsarbeit (Schule oder außerschulische Bildungsarbeit) noch lange Zeit präsent sind und hier viele Zuschauer erreichen.

      Wenn in der derzeitigen Diskussion Wolfgang Beckers "Goodbye, Lenin" als Film angeführt wird, der kulturelle Qualität und ökonomischen Erfolg in perfekter Weise verbinde und damit in besonderer Weise den Typus des förderwürdigen Filmes repräsentiere, wird vielfach nicht beachtet, dass Erfolge dieser Art einer Entwicklung unterliegen. Wolfgang Becker hat als Regisseur mit dem Spielfilm "Schmetterlinge" (1987) angefangen. Dieser Film wurde nur von der Filmhochschule (dffb) verliehen und ging im Kino unter. Seine Qualitäten wurden aber dennoch von nationalen wie internationalen Jurys erkannt. Der Film erhielt in Locarno 1988 den Goldenen Leopard, den Studentenfilm-Oscar, den Preis des Saarländischen Ministerpräsidenten beim Max-Ophüls-Festival und ein Prädikat "besonders wertvoll" von der FBW. Dieses Beispiel zeigt, dass die in dem Gesetzentwurf formulierte These, Filmförderung mache auch letztlich kulturell keinen Sinn, wenn der Erfolg an der Kinokasse ausbleibe, nicht stimmt.

      Eine gezielte Förderpolitik muss den Aspekt der kulturellen Qualität breit anlegen, weil Erfolge nur dann entstehen, wenn auch der Weg dahin mit im Blick ist. Das interessante Debüt, das vielbeachtete Experiment, die künstlerische Neuorientierung eines etablierten Regisseurs ist gezielt zu fördern, selbst wenn sich der Kassenerfolg nicht einstellt. Jeder Erfolg hat seine Vorgeschichte und entsteht nur in einem Umfeld, das Qualität generell honoriert.

  4. Unterstützung medienpädagogischer Maßnahmen

    Zu begrüßen ist ferner, dass die "Unterstützung von Projekten zur Filmbildung junger Menschen" und damit von medienpädagogischen Maßnahmen in Schulen in der Aufgabenbeschreibung der FFA erstmals explizit genannt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 des Entwurfs). In diesem Sinne könnte auch beispielsweise die Förderung des Absatzes von Filmen auf Video und DVD für den Einsatz an Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen in § 53 b ein förderwürdiger Tatbestand sein. Die Herausgabe von Videofilmen für den Einsatz im schulischen und außerschulischen Bildungsbereich erfordert einen erhöhten Aufwand, z.B. aufgrund der Ausstattung mit Zusatzmaterial (Arbeitshilfen). Dies spricht dafür, dass hier ein besonderer Akzent der Förderung liegt. Es wäre zu überlegen, ob sich nicht eine Kommission innerhalb der FFA mit kulturell orientierten Projekten wie den Schulfilmwochen oder dem Datenbankprojekt, die im Gesetz beispielhaft genannt sind, beschäftigen sollte. Dabei ist zu betonen, dass Maßnahmen, die für eine Qualifizierung des Publikums sorgen, sowohl in kultureller Hinsicht als auch letztlich ökonomisch relevant sind, weil sie zu einer größeren Aufnahmebereitschaft des Publikums beitragen und damit ein Faktor für die Entwicklung der deutschen Filmlandschaft und zukünftige Kinoerfolge sind.

Berlin, 09. Oktober 2003