Änderung des Vereinsrechts

Gemeinsame Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Kommissariats der Deutschen Bischöfe zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vereinsrechts

Gemeinsame Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Kommissariats der Deutschen Bischöfe zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vereinsrechts

Die vorgeschlagene Neufassung des § 21 BGB

  1. Nach den Vorschlägen des Entwurfs soll das von der Rechtsprechung entwickelte Nebenzweckprivileg, das Vereinen eine begrenzte wirtschaftliche Betätigung erlaubt, in § 21 BGB nunmehr ausdrücklich normiert werden. Der Entwurf will im Kern die Rechtsprechung und herrschende Literatur zum Nebenzweckprivileg aufgreifen. Er weicht aber insofern von dieser ab, als - so die Begründung - der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb für die effektive Verfolgung des Vereinszwecks oder für ein funktionsfähiges Vereinsleben nicht "unentbehrlich" sein muss, wie es beim Nebenzweckprivileg der Fall ist. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb soll dann zulässig sein, wenn er als bloßes Hilfsmittel zur Erreichung des nichtwirtschaftlichen Vereinszwecks dienen soll. Darüber hinaus soll die wirtschaftliche Tätigkeit aber auch gegenüber der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung "verhältnismäßig geringfügig" sein.

    Die vorgeschlagene Neufassung des § 21 BGB soll auch für nichtrechtsfähige Vereine gelten. § 54 BGB-E verweist für den nichtrechtsfähigen Verein nicht mehr auf die Vorschriften über die Gesellschaft, sondern auf die Vorschriften über rechtsfähige Vereine, soweit sie nicht die Rechtsfähigkeit oder die Registereintragung des Vereins voraussetzen.

    Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, das bisher durch die Rechtsprechung entwickelte so genannte Nebenzweckprivileg zu kodifizieren. Der nun vorgeschlagene Gesetzestext in § 21 Abs. 1 Satz 2 BGB-E könnte allerdings der Intention des Entwurfs zuwider laufen. Aus Sicht der Kirchen besteht die Gefahr, dass der Wortlaut des § 21 BGB ungewollt zu einer Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtslage führt. Denn der Gesetzestext verlangt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit gegenüber der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung verhältnismäßig geringfügig sein soll. Die Feststellung, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als "geringfügig" einzustufen ist, soll - so die Begründung - zwar eine wertende Betrachtung ergeben. Das zulässige Ausmaß eines Geschäftsbetriebes soll aber von der Größe des Vereins abhängen und bei kleineren Vereinen soll die Geringfügigkeit beispielsweise durch einen Vergleich des zeitlichen Aufwandes für die ideelle und die wirtschaftliche Betätigung (10 % für die wirtschaftliche Tätigkeit) festgestellt werden.

    Die Rechtsprechung hat bisher nicht auf das Merkmal der Geringfügigkeit abgestellt, sondern eine wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen als möglich betrachtet, soweit es sich um eine "untergeordnete", den idealen Zwecken des Vereins dienende wirtschaftliche Betätigung handelt. Für das Merkmal der Unterordnung ist entscheidend, ob das geschäftliche oder das ideelle Tätigkeitsfeld dem Verein das Gepräge gibt. Die Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung können hier von qualitativen Merkmalen bestimmt werden.

    Kirchlicherseits besteht die Befürchtung, dass das Kriterium der Geringfügigkeit nun zu erheblicher Rechtsunsicherheit und Beschneidung der Tätigkeit für eine Vielzahl von Vereinen führt:

    1. Es ist unklar, ob die wirtschaftliche Betätigung von Vereinen, die im Rahmen von gemeinnützigen Zweckbetrieben beispielsweise Kindergärten, Bildungshäuser, Alten- und Pflegeheime, ambulante Pflegedienste, Hospize, Krankenhäuser unterhalten, als "verhältnismäßig geringfügig" gegenüber der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung eingestuft wird. Der vorliegende Gesetzentwurf könnte daher weit reichende Auswirkungen auf diese Rechtsträger haben, die nun je nach Ergebnis der jeweils anzustellenden Gesamtbetrachtung im Hinblick auf die Geringfügigkeit ihrer unternehmerischen Tätigkeit auch mit der neuen Rechtsfolge der Auflösung des Vereins belastet werden (§ 43 Abs. 1 BGB-E). Es ist deshalb zu prüfen, ob die wirtschaftliche Tätigkeit von steuerbefreiten Zweckbetrieben im Gesetz als zulässige Vereinsbetätigung gewertet werden kann.

    2. Fördervereine verfolgen insbesondere den Zweck, Geld zu sammeln, um andere Einrichtungen (Verein, gGmbH, Stiftung, Schulen) bei der Ausübung ideeller Zwecke zu unterstützen und zu fördern. Oftmals werden dazu Veranstaltungen (z. B. Weihnachtswohltätigkeitsbasare, Sommerfeste, Karnevalsveranstaltungen usw.) durchgeführt. Die Erlöse der Veranstaltungen werden an gemeinnützige Einrichtungen weitergeleitet. Nun besteht die Gefahr, dass derartige wirtschaftliche Betätigungen von Fördervereinen zukünftig häufig nicht mehr als geringfügig im Verhältnis zur übrigen gemeinnützigen Vereinstätigkeit angesehen werden, zumal es sich bei Fördervereinen auch um nur sehr kleine Vereine mit geringer Mitgliederzahl und geringen Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen handeln kann. Die Benefizveranstaltungen können aber ihrerseits zu hohen Einnahmen führen. Nach dem vorgeschlagenen Wortlaut und der Begründung des Entwurfs ist fraglich, ob neu gegründete Fördervereine noch eintragungsfähig sind oder bestehende Fördervereine aufgelöst werden müssten. Folge der Kodifizierung wäre dann, dass bürgerschaftliches Engagement in erheblichem Umfang zurückgedrängt würde. Ein Verweis auf die Rechtsformen des Handels- und Gesellschaftsrechts ist nicht zumutbar und würde in der Praxis im Hinblick auf beispielsweise eine erforderliche Mindestkapitalausstattung schlicht ins Leere gehen. Wegen des neu gefassten § 54 BGB könnten sie auch nicht als nichtrechtsfähige Vereine weiter bestehen.

    3. Eine Einschränkung, dass der eigene wirtschaftliche Geschäftsbetrieb gegenüber der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung künftig nur noch "verhältnismäßig geringfügig" sein darf, würde bei vorrangiger Berücksichtigung der Größe des Vereins insbesondere auch die zahlenmäßig kleinen Ordensgemeinschaften und Klöster treffen. Dies gilt auch für Vereine als Träger von Ordenseinrichtungen, bei denen nur jeweils die Mitglieder der Provinz- bzw. Generalleitung Vereinsmitglieder sind und nicht alle Ordensmitglieder. Die Orden sind - kleinere und auch größere Gemeinschaften - vorwiegend in den gemeinnützigen, steuerbegünstigten Bereichen Bildung, Erziehung, Caritas und Pastoral tätig und betreiben entsprechende Einrichtungen im Rahmen ihres Vereins. Auch wenn der ideelle Tätigkeitsbereich das hauptsächliche Merkmal ihrer Aktivitäten ist, sind die Ordensgemeinschaften in hohem Maße auf wirtschaftliche Tätigkeiten als Nebenzweck zur Finanzierung dieses ideellen Bereichs angewiesen. Ein Beispiel dafür sind ebenso Ordensgemeinschaften, die in Vereinsform verfasst sind und aus der Gestellung von Ordensmitgliedern ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit sichern. Das Leben in einer Ordensgemeinschaft ist eine besondere Lebensform, die außerhalb dieses Bereichs nicht vorzufinden ist. Die geplante Änderung des Vereinsrechts kann diese daher in besonderer Weise treffen. Deshalb besteht die Gefahr einer Kollision mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 3 WRV).

  2. § 43 BGB-E Auflösung durch das Amtsgericht

    Nach § 43 BGB-E ist vorgesehen, dass das Gericht dem Verein vor der Auflösung eine angemessene Frist zur Einstellung der wirtschaftlichen Zweckverfolgung oder zur Umwandlung des Vereins in eine andere Rechtsform nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes einräumen soll. Sollte es bei der Rechtsfolge der Auflösung des Vereins bleiben, empfehlen wir, § 43 BGB-E so zu fassen, dass das Gericht verpflichtet ist, dem Verein eine derartige Frist einzuräumen hat, um diesem auch tatsächlich eine Anpassungsmöglichkeit zu eröffnen.

  3. Streichung der Regelung über den wirtschaftlichen Verein

    Es ist zu begrüßen, dass auch nach dem vorgelegten Entwurf die Bildung von wirtschaftlichen Vereinen spezialgesetzlich nicht ausgeschlossen werden soll. Dies gilt auch für § 19 Bundeswaldgesetz in der Fassung des Artikels 9 des Entwurfs. Viele dieser Forstbetriebsgemeinschaften sind den Kirchen - vor allem in den neuen Bundesländern - zuzurechnen. Es ist nunmehr davon auszugehen, dass auch nach der geplanten Änderung des Vereinsrechts die weitere Existenz dieser Forst-gemeinschaften durch die Regelung des Bundeswaldgesetzes erhalten bleibt. Eine erzwungene Umwandlung der Forstbetriebsgemeinschaften von der Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins in eine andere würde auf erhebliche Probleme stoßen.

    Nach alledem bedarf das Anforderungsmerkmal der "Geringfügigkeit" aus kirchlicher Sicht einer nochmaligen Überprüfung und Folgenabschätzung. Dabei sind die Besonderheiten des kirchlichen Bereichs besonders zu berücksichtigen.