Kantaten-Gottesdienst am 1. Weihnachtstag in der Stadtkirche Karlsruhe

Ulrich Fischer

Kantate VI des Weihnachtsoratoriums "Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“

Orgelpräludium

Begrüßung

Eingangslied: EG 37,1-3 Ich steh an deiner Krippen hier

Votum: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
Amen

Gruß: Der Herr sei mit euch
Und mit deinem Geist

Spruch: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels; denn er hat besucht und erlöst sein Volk
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist...

Eingangsgebet (Weihnachtskyrie von J.Klepper = EG 50,1-4)
Du Kind, zu dieser heilgen Zeit
gedenken wir auch an dein Leid,
das wir zu dieser späten Nacht
durch unsre Schuld auf dich gebracht.

Die Welt ist heut voll Freudenhall.
Du aber liegst im armen Stall.
Dein Urteilsspruch ist längst gefällt,
das Kreuz ist dir schon aufgestellt.

Die Welt liegt heut im Freudenlicht.
Dein aber harret das Gericht.
Dein Elend wendet keiner ab.
Vor deiner Krippe gähnt das Grab.

Die Welt ist heut an Liedern reich.
Dich aber bettet keiner weich
und singt dich ein zu lindem Schlaf.
Wir häuften auf dich unsre Straf.
Kyrie eleison - Herr, erbarme dich
Christe eleison - Christe, erbarme dich
Kyrie eleison - Herr, erbarm dich über uns

Gnadenspruch (Weihnachtskyrie von J.Klepper, Str.5)
Wenn wir mit dir einst auferstehn
und dich von Angesichte sehn,
dann erst ist ohne Bitterkeit
das Herz uns zum Gesange weit. Hosianna.
Ehre sei Gott in der Höhe
und auf Erden Fried....

Gloriagesang: EG 54,1+3 Hört, der Engel helle Lieder

Tagesgebet : Herr Jesus Christus,
der du von einer hebräischen Mutter geboren bist und dem babylonische Weise huldigten,
der du voll Freude warst über den Glauben einer syrischen Frau und eines römischen Hauptmanns,
der du die Griechen, die ich suchten, freundlich aufgenommen hast
und der zu zuließest, dass ein Afrikaner dein Kreuz trug:
Wir danken dir, dass du dich von Menschen aller Völker finden lässt -
als Kind und Knecht, als Gott und Mensch.
Wir danken dir von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.

Schriftlesungen mit Weihnachtshalleluja EG 34
EG 34 Halleluja
Lesung aus Mt 2,1-6
EG 34 Halleluja
Lobspruch: Lobet den Herr, alle Heiden! Preist ihn alle Völker. Halleluja
EG 34 Halleluja

Apostolisches Glaubensbekenntnis

J.S.Bach, Kantate VI des WO, Nr. 54-47
Chor Nr.54 „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“
Rezitativ Nr.55 „Da berief Herodes die Weisen heimlich“
Rezitativ Nr.56 „Du Falscher, siehe nur“
Arie Nr. 57 „Nur ein Wink von seinen Händen“
Predigt „Das Spiel der Macht“


Liebe Gemeinde!
Die Beschaulichkeit der biblischen Weihnachtserzählung ist uns vertraut -
die Idylle im Stall von Bethlehem,
der Stern, der Suchenden einen Weg weist,
die Anbetung der Weisen aus dem babylonischen Osten.
Aber Achtung! Mit dem Auftreten des Herodes ist anderes angesagt.
Mit Herodes kommt die Politik mit ins Spiel der weihnachtlichen Erzählung.
Die Machtpolitik eines Vasallenkönigs von römischen Gnaden.
Die Machtgier eines Menschen, der sich schon in jungen Jahren als Befehlshaber von Galiläa durch besondere Grausamkeit bei der Niederwerfung von Aufständen hervortat.
Herodes: Dieser Name steht für unbändigen Machtwillen, für Herrschsucht und Misstrauen.
Wer musste nicht alles dran glauben, seine Frau ebenso wie sein Schwager, drei seiner Söhne ebenso wie Johannes der Täufer.
Mit dem Auftreten dieses Mächtigen ist Kampf angesagt: „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben.“
Die Trompeten blasen zur Entscheidungsschlacht.
Die Stimmen des Chores scheinen einander zu verfolgen - wie ein Heerführer seine Gegner verfolgt.
In einer gewaltigen Fuge scheinen die Stimmen voreinander zu fliehen – zu fliehen vor dem mächtigen Herrscher, der dem Kind im Stall von Bethlehem nachstellen will.
Aus ist es mit der Idylle! Vorbei mit der Beschaulichkeit.
Von seiner Geburt an hat das Kind von Bethlehem Feinde, die ihm mit scharfen Klauen nachstellen.
Diesen Feinden gilt es zu widerstehen.
Zu solchem Widerstand fordert eine sieghafte, stürmische Musik auf, die alle Furcht beiseite wischt.
Keine Idylle im Stall von Bethlehem, sondern Kampf um die Macht. Widerstandskraft und Glaubensfestigkeit sind da gefragt und das klagende Bitten um die Hilfe Gottes: „Nach deiner Macht und Hilfe sehn!“

„Ziehet hin und forscht fleißig nach dem Kindlein, und wenn ihr‘s findet, sagt mir‘s wieder, dass ich auch komme und es anbete.“
So redet einer, der die Klaviatur verlogener Machterhaltung perfekt zu spielen weiß.
Solch ein Spiel muss aufgedeckt werden – schonungslos: „Du Falscher, suche nur den Herrn zu fällen, nimm alle falsche List, dem Heiland nachzustellen!“
Eine Diagnose voller Dissonanzen.
Eine Diagnose, welche die Misstöne des falschen Spiels der Macht zum Ausdruck bringt.
Eine Diagnose, die den Schleier falscher Idylle und Beschaulichkeit zerreißt.
Und eine Diagnose, die frei macht, hinter die Fassaden menschlicher Macht zu blicken.
Die frei macht zum Blick auf die Ohnmacht der Mächtigen.
Die befreit zum Spott über den machtgierigen Despoten, der mit seinen Intrigen doch scheitern muss an der Macht eines Höheren.

So wandelt sich die Diagnose der Macht in einen tänzerischen Spott über die Ohnmacht des Mächtigen: „Nur ein Wink von seinen Händen stürzt ohnmächtger Menschen Macht. Hier wird alle Kraft verlacht!“
So klingt es, wenn menschliche Macht als ohnmächtig entlarvt wird, weil Menschen etwas wissen von der Macht Gottes.
Die vermeintliche Macht der Welt wird mit einem wahrhaft schallenden Gelächter gestürzt, mit dem Gelächter des Glaubens:

Ich bin vergnügt, erlöst, befreit
Gott nahm in seine Hände
meine Zeit,
mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
das Elend und die Zärtlichkeit.
Was macht, dass ich so fröhlich bin in meinem kleinen Reich?
Ich sing und tanze her und hin vom Kindbett bis zur Leich.
Was macht, dass ich so furchtlos bin an vielen dunklen Tagen?
Es kommt ein Geist in meinen Sinn, will mich durchs Leben tragen.
Was macht, dass ich so unbeschwert und mich kein Trübsinn hält?
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt. (H.D.Hüsch)

J.S.Bach, Kantate VI des WO, Nr. 58-62
Rezitativ Nr.58 „Als sie nun den König gehöret hatten“ (3.Teil des Epiphanias-Evangeliums)
Choral Nr.59 „Ich steh an deiner Krippen hier“
Rezitativ Nr.60 „Und Gott befahl ihnen im Traum“ (4.Teil des Epiphanias-Evangeliums)
Rezitativ Nr.61 „So geht, genug, mein Schatz geht nicht von hier“
Arie Nr.62 „Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken“

Predigt „Ist Christus für uns, wer kann wider uns sein?“

Das Spiel der Macht geht weiter, immer weiter.
Die Welt ein Kampfplatz, auf dem das Spiel der Macht in immer neuen Formen ausgetragen wird.
Wer hat das Sagen in Moskau oder Washington, in Brüssel oder Berlin, in Beirut oder Bagdad?
Wer hat das Sagen an der Wallstreet oder an der Frankfurter Börse, beim Internationalen Währungsfonds oder bei der UNO?
Wer hat das Sagen in Kirche und Staat, in Moschee und Synagoge, in Betrieben und Verbänden?
Das Spiel der Macht geht weiter und damit auch das Kampfgetümmel dieser Welt.

Aber immer nur kämpfen, das hält niemand durch.
Leben als Kampf ist Krampf.
Wo kann ich innehalten im Kampfgetümmel dieser Welt?
Wo kann ich auftanken, mich zurüsten zum Lebenskampf, den ich bestehen will?

„Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesulein, mein Leben.“
Ein unerhörter Ruhepunkt im Kampfgetümmel der Welt - Ruhepunkt und Kraftquelle.
Hier kann ich abladen. Loslassen. Hingeben. Verschenken – auch mich selbst.
Hier kann ich erfahren, wie sehr ich selbst beschenkt bin: „Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin.“
Hier, an der Krippe von Bethlehem, in innigster Gemeinschaft mit dem menschenfreundlichen Gott, kann ich mich als beschenkten Menschen erfahren.
Vor meiner Glaubenskraft steht sein Geschenk des Glaubens.
Vor meiner Kampfbereitschaft steht die Zurüstung durch seinen Hoffnung stiftenden Geist.
Vor allem Kampfgetümmel der Welt steht seine Liebe, mit der er mich anschaut.

An der Krippe innehalten und diese Kraft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in mich aufnehmen – das brauche ich, um mich zuzurüsten für den Weg zurück in diese Welt.
An der Krippe innehalten und den menschenfreundlichen Gott betrachten – das ist die Kontemplation, die ich brauche, um kämpfen zu können.
Und so kann ich mich in Bewegung setzen, kann weitergehen – wie die Weisen weitergingen in ein anderes Land.
Jetzt weiß ich es gewiss: Er, den ich angeschaut habe in der Krippe von Bethlehem, „er liebet mich, mein Herz liebt ihn auch inniglich und wird ihn ewig ehren.“ Du, Jesus, bist und bleibst mein Bräutigam und Freund, mein Schatz und Hort.
Dies zu wissen, macht mich stark.
Lässt mich frohgemut lachen über alles, was sich mir in den Weg stellt.
Dies zu wissen gibt mir Kraft, mich entschlossen dem entgegenzustellen, was Macht über mich erobern will.
Denn ist Christus für mich, wer kann wider mich sein?
Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges mich scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.
Dies zu wissen lässt mich lachen wohl über alle Welt.

Rezitativ Nr.63 „Was will der Hölle Schrecken nun“
Choral Nr.64 „Nun seid ihr wohl gerochen“

Predigt: „Der Sieg im Zeichen des Kreuzes“

Aufgeregt und trotzig zugleich klangen die vierfach erschollenen Fragen „Was will der Höllen Schrecken nun? Was will uns Welt und Sünde tun?“,
beruhigend und in der Einmütigkeit des Singens Vertrauen einflößend die Worte „da wir in Jesu Händen ruhn?“
In Jesu Händen ruhn - die Botschaft der Weihnacht!
Ruhen in den Händen des Kindes von Bethlehem – wie kann dies Kraft geben für den Kampf auf den Kampfplätzen der Welt?

Ich kann nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand.
Diese Hand Gottes – sie bleibt nicht die kleine Hand des Kindes von Bethlehem, sie wird die Hand des Mannes von Golgatha.
Die Hand Gottes – das ist die durchbohrte Hand des am Kreuz für uns Gestorbenen.
Nicht im Zeichen der geballten Fäuste geschieht Gottes Sieg über die Mächte der Welt, sondern im Zeichen der durchbohrten Hände des Gekreuzigten.
Im Zeichen seiner durchbohrten Hände wird die Ohnmacht der Mächtigen dieser Welt entlarvt.
Im Zeichen der durchbohrten Hände Gottes werden Niedrige erhoben und Hungrige mit Gütern gefüllt,
werden Gewaltige vom Thron gestürzt und gehen Reiche leer aus.
Im Zeichen der durchbohrten Hände lernen Mutlose und Gedemütigte sich erheben und aufrecht gehen.
In den durchbohrten Händen Gottes ruhen sie - und alle, die sich diesen durchbohrten Händen Gottes anvertrauen.
Auch ich.

So kann ein Oratorium von der Weihnacht nicht anders enden als mit einem überdeutlichen Hinweis auf die Passion Christi.
Was im Stall von Bethlehem beginnt, das findet am Kreuz von Golgatha seine Vollendung.
Stand am Anfang die bange Frage „Wie soll ich dich empfangen“, so bleibt am Ende – mit derselben Passionschoralmelodie ausgedrückt - die ermutigende Gewissheit „bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht.“
Im Stall von Bethlehem nimmt die Menschwerdung Gottes ihren Anfang.
Hier beginnt Gott, die Stelle des menschlichen Geschlechts einzunehmen.
Gott nimmt auf sich, was auf Erden, wir getan, gibt sich dran, unser Lamm zu werden.
So nimmt er die Stelle des menschlichen Geschlechts ein – bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat das menschliche Geschlecht seinen Platz bei Gott.
Darum habe ich meinen Platz bei Gott.

Grund genug für übermütige Freude, wie sie aus dem Schlusschor spricht.
Grund genug für selbstsicheres Auftreten, wie es die Trompeten verkünden.
Grund genug, entschlossen - wie der Chor - den Mächten entgegenzutreten, die Gottes Herrschaft der durchbohrten Hände in Frage stellen wollen.
Bei dem gekreuzigten Gott habe ich meine Stelle, deshalb kann ich in Jesu Händen ruhn.
Bei dem menschenfreundlichen Gott habe ich meine Stelle, deshalb kann ich nicht aus seiner Hand fallen.
Dies zu wissen lässt mich lachen wohl über alle Welt:
Du hast mich ja erlöset von Sünd, Tod, Teufel, Höll;
es hat dein Blut gekostet, drauf ich mein Hoffnung stell.
Warum sollt mir denn grauen vor Hölle, Tod und Sünd?
Weil ich auf dich tu bauen, bin ich ein selig Kind. Amen.

Lied: EG 85,1.8.9 O Haupt voll Blut und Wunden

Wir sind versammelt, um in Musik und Predigt Gottes Wort zu hören, ihn anzurufen mit Gebet und Lobgesang und um das Mahl unseres Herr Jesus Christus zu halten. Darum:
Erhebet eure Herzen
Wir erheben sie zum Herrn

Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott
Das ist würdig und recht

Präfation (Weihnachtsgedicht von J.Klepper):

Mein Gott, dein hohes Fest des Lichtes
hat stets die Leidenden gemeint,
und wer die Schrecken des Gerichtes
nicht als der Schuldigste beweint,
dem blieb dein Stern noch tief verhüllt
und deine Weihnacht unerfüllt.

Die Feier ward zu bunt und heiter,
mit der die Welt dein Fest begeht.
Mach uns doch für die Nacht bereiter,
in der dein Stern am Himmel steht.
Und über deiner Krippe schon
zeig uns dein Kreuz, du Menschensohn.

Herr, dass wir dich so nennen können,
Präg unsren Herzen heißer ein.
Wenn unsre Fest jäh zerrönnen,
muss jeder Tag noch Christtag sein.
Wir preisen ich in Schmerz, Schuld, Not
und loben dich bei Wein und Brot:

Sanctus-Gesang:  EG 36,1 Fröhlich soll mein Herze singen

Einsetzungsworte - Eucharistiegebet (altkatholische Agende S.207) - Vaterunser

Anamnese mit Agnus Dei: Sooft wir von diesem Brot essen und aus diesem Kelch trinken, verkündigen wir den Tod des Herrn, bis dass er kommt.

EG 36,4 Er nimmt auf sich, was auf Erden

Friedensgruß - Austeilung (Wandelkommunion)

Fürbittengebet unter Einbeziehung von EG 37,4+9

Gott, du hast dich eingelassen auf den Weg zu uns.
Darum hat das menschliche Geschlecht seine Stelle bei dir.
Von deiner Liebe kann uns nichts scheiden,
darum brauchen wir uns nicht zu fürchten vor denen, die Macht für sich beanspruchen.
Deine Kraft ist in den Schwachen mächtig,
darum vertrauen wir darauf, dass du unsere kleine Kraft groß machst.
Wir bitten dich für alle, die sich schwach und ohnmächtig fühlen,
für alle, die nicht den Mut haben zu widersprechen, wo es nötig wäre,
für alle, die Widerstand leisten müssen, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Für sie alle und für uns bitten wir:
Lass uns innehalten und dich betrachten, du Kind in der Krippe, du Mann am Kreuz,
lass uns deine durchbohrten Hände betrachten, diese liebenden Hände.
EG 37,4+9 Ich sehe dich mit Freuden an
Eins aber, hoff ich, wirst du mir
Amen.

Abkündigungen 

Schlusslied: EG 44,1-3 O du fröhliche

Segen

J.S.Bach, Kantate VI des Weihnachtsoratoriums Eingangschor oder Schlusschor