Gute Schule aus evangelischer Sicht

Impulse für das Leben, Lehren und Lernen in der Schule, EKD-Text 127, Hrg. EKD, April 2016, ISBN: 978-3-87843-043-8

10. Die Gesellschaft pflegt, stützt und begleitet die Schule

Die Schule ist auf die Unterstützung durch die Gesellschaft angewiesen. Vielfach wird die Schule nach wie vor reduziert auf Wissensvermittlung, den Erwerb grundlegender Fertigkeiten und die Anpassung an berufliche Anforderungen. Sie wird seltener verstanden als eine Einrichtung, die in sehr komplexen Prozessen junge Menschen in ihrer Entwicklung unter stützt und auf diese Weise für die Zukunft unserer Gesellschaft einen Nutzen bringt, der weit über nur ökonomische Kontexte hinausgeht. Im pädagogischen Prozess spielen Intuition, Einfühlungsvermögen und Intelligenz aller Beteiligten eine große Rolle. Bildung in diesem anspruchsvollen Sinn zu befördern ist eine hochkomplexe Aufgabe und Herausforderung. Die Schwierigkeit, guten Unterricht und gute Schule zu gestalten, wird häufig unterschätzt, und der Schule wird deshalb nicht die gesellschaftliche Unterstützung zuteil, die sie dringend benötigt:

  • Die Schule ist unabdingbar auf das gesellschaftliche Vertrauen angewiesen. Sie wird Probleme nur dann lö sen können, wenn ihr das Vertrauen entgegengebracht wird, dass sie Probleme zu lösen vermag.
  • Die Aufgaben der Schule beschränken sich nicht auf die aktuellen Problem lagen und heutigen Anforderungen. Es ist vielmehr die Aufgabe demokratischer Staaten und der mit ihnen verbundenen Gesellschaften, in die Schule ihre Zukunftsvisionen sozialen Zusammenlebens einzutragen.
  • Die Begleitung junger Menschen ist nicht nur eine Sache der Schule. Die Schule benötigt bei der Erfüllung ihrer Aufgaben starke Partner. Die gute wechselseitige Kooperation vor allem mit dem Elternhaus, mit der Kinder- und Jugend arbeit, der Musikschule, den Sportvereinen, der Kinder- und Jugendhilfe, den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften sowie weiteren Akteuren sollte selbstverständlich sein. Die Einbindung in den Sozialraum, die Gestaltung kommunaler Bildungslandschaf ten sowie das private Engagement für Bildung etwa in Fördervereinen sind unentbehrlich.
  • Die Schule braucht sehr gute Lehrkräfte mit hoher beruflicher Handlungsfähigkeit und differenzierter Bildung. Für die professionelle Entwicklung der Lehrkräfte ist daher die Lehrerbildung ausschlaggebend. Die se ist auf eine starke gesellschaftliche Wertschätzung und Unterstützung angewiesen. Universitäten und Zentren der zweiten Ausbildungsphase sowie die Lehrerfortbildung sind in Kompetenzen und Ausstattung der Aus- und Fortbildung anderer akademischer Berufsgruppen gleichzustellen und zukünftige Lehrkräfte in der Bildung ihrer Person und Ausbildung ihrer Professionalität entsprechend zu unterstützen.
  • Bisher werden zu wenige Anstrengungen unternommen, Bedingungen schulischer Bildungsprozesse wissenschaftlich zu klären. Wie soll also die Gesellschaft angemessen einschätzen, was die Qualität der Schule ausmacht, wie diese entwickelt werden könnte und welche Folgen dies hätte? Die Gesellschaft muss mehr über die Schule und Unterricht, ihre Wirkungsweise und ihre Probleme wissen. Dazu können die Öffnung der Schule für die Forschung, die Forschung selbst wie auch der ständige öffentliche Diskurs über die Ergebnisse schulbezogener Forschung beitragen.
  • Wer eine gute und gerechte Schule möchte, bekommt diese nicht ohne den Einsatz von finanziellen und personellen Ressourcen. Es muss diskutiert werden, wie diese Ressourcen gerecht und wirksam verteilt werden können. Die Synode der EKD hat im Jahr 2010 gefordert, die Erhöhung der staatlichen Bildungsausgaben auf 10% des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2015 konsequent zu verwirklichen. Diese Forderung ist nach wie vor aktuell: Eine Gesellschaft muss sich eine gute Schule etwas kosten lassen.

Noch einmal: Die Schule aus reformatorischer Sicht

Aus reformatorischer Sicht sollte die Schule dem Frieden, dem Recht und dem Leben dienen. Diese Ziele bringen das Selbstverständnis evangelischer Bildungsverantwortung auf den Punkt und können auch heute noch Wegmarken für die Entwicklung guter Schulen sein. Sie kennzeichnen aus evangelischer Perspektive eine lebensförderliche Schule, die sich als Teil der Gesellschaft für Bildungsgerechtig keit einsetzt, Bildungsverantwortung in Partnerschaft mit anderen Bildungsakteuren wahrnimmt und dabei um ihre Möglichkeiten und Grenzen weiß. Mit den hier beschriebenen Impulsen möchte die evangelische Kirche zur Entwicklung guter Schulen beitragen. Im Interesse einer guten Schule bietet die evangelische Kirche Bildungspartnerschaft an und lädt zum Dialog ein.

"Frieden, Recht und Leben dienen" (Martin Luther) - Ziel auch für die Schule
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