Gute Schule aus evangelischer Sicht

Impulse für das Leben, Lehren und Lernen in der Schule, EKD-Text 127, Hrg. EKD, April 2016, ISBN: 978-3-87843-043-8

7. Die Schule betrachtet Vielfalt als Chance

Die Schule bildet die Vielfalt der (Welt-) Gesellschaft ab. Sie steht vor der Herausforderung, die Schülerinnen und Schüler durch die Einführung in Kulturen anzuleiten, sich selbst aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Mit der Vielfalt an Sprachen, Einstellungen, Lebensstilen, Normen und Religionen - mit Pluralität in jeder Hinsicht - konstruktiv umzugehen und pluralitätsfähig zu werden, stellt daher eine unabweisbare Aufgabe heutiger Bildung dar.

Auch wenn Menschen sich individuell in zahlreichen Merkmalen unterscheiden mögen, haben sie viel mehr Merkmale gemein als sie trennen: Sie sind an ihren Körper gebunden, teilen biologische Bedürfnisse, kämpfen mit menschlichen Unzulänglichkeiten, entwickeln Sprache, Kultur und Religion. In einer Gesellschaft geben sie sich über eine Verfassung eine gemeinsame Grundlage zur Ordnung des Zusammenlebens. Vor diesem gemeinsamen Hintergrund können Besonderheiten eingeordnet, verstanden, geschätzt und ertragen werden. Das Wissen um diese Gemeinsamkeit und um die gemeinsamen Rechtsgrundlagen ist die Voraussetzung für individuelles Lernen in einer Gemeinschaft. Probleme im Umgang mit Vielfalt (aufseiten aller Beteiligten, also von Lehrkräften, Eltern wie Schülern) sind zu thematisieren, zu bearbeiten und möglichst zu entschärfen sowie durch Erfahrung und Reflexion zu überwinden. Dabei spielt insbesondere auch der Religionsunterricht eine wichtige Rolle, in dem die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität im Umgang mit Pluralität erfahrbar wird.

"Auch wenn die inklusive Umgestaltung des Bildungswesens mit einer Vielzahl von Zwischenschritten einhergeht, muss das Ziel einer inklusiven Schule, dass keine Schülerin und kein Schüler mehr aus gegrenzt wird, doch klar bleiben." [11]

Die Schülerschaft ist per se durch die unterschiedlichen Voraussetzungen und Anregungsbedingungen der Elternhäuser heterogen. Durch die gesellschaftliche Vielfalt wird die Heterogenität im Unterricht gesteigert bzw. tritt deutlicher hervor. Damit verschärfen sich die Anforderungen an die Unterrichtsgestaltung im Hinblick auf individualisierte Lernformen, die Verbindung individualisierten Lernens und gemeinsamer Arbeit in der Gruppe, die Konzipierung von voraussetzungsbezogenen Lern- und Übungsaufgaben sowie die Bewertung von Lernfortschritten. Hohe fachliche wie didaktische Kompetenzen von Lehrkräften - die entwickelt und gelernt werden können - sind die Voraussetzung dafür, dass Vielfalt in der Schule produktiv gestaltet werden kann.

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