Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Alterssicherung

Der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Versuch unternimmt, nach den auf Demographiefestigkeit zielenden Rentenreformen der letzten Jahre nun auch die Armutsfestigkeit der gesetzlichen Renten in Angriff zu nehmen. Dabei wird ein breites Spektrum der Tatbestände aufgegriffen, die das Armutsrisiko im Alter erhöhen. Insbesondere wird die lange vernachlässigte Problematik geringer Rentenanwartschaften bei Erwerbstätigen in den Blick genommen, die wegen der Erziehung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen zwar durchweg beschäftigt waren , aber nur in Teilzeit berufstätig sein konnten. Angesichts der Veränderung von Familienstrukturen und der steigenden Erwartung an Frauen wie Männer, für ein individuelles Einkommen zu sorgen, die sich auch im Unterhaltsrecht widerspiegelt, ist dieser Schritt unbedingt notwendig, um die Lebensleistung derer anzuerkennen, die die Gesellschaft neben der Erwerbstätigkeit durch familiäre Sorgeleistungen unterstützt haben. Positiv ist hervorzuheben, dass die vorgeschlagene Zuschussrente an die Höhe der regulär erworbenen Rentenanwartschaften geknüpft wird und dem Modell der Rente nach Mindestentgeltgesichtspunkten nachgebildet ist, so dass die Ergänzung der zu geringen Rentenanwartschaften in der Gesetzlichen Rentenversicherung systemgerecht erfolgt.

Wie allerdings schon in der Stellungnahme zum ersten Entwurf im April dieses Jahres dargestellt, hält die EKD die vorgesehenen Bedingungen für die Gewährung der Zuschussrente für zu restriktiv. Vielen Langzeit- und wiederholt Arbeitslosen wird der Zugang zur Zuschussrente versperrt, so dass ein großer Teil der von Altersarmut bedrohten Personen nicht in den Genuss der Effekte der Reform kommen wird. Gründe dafür sind die geforderten 35 Jahre an Pflichtbeitragszeiten wie auch die Koppelung der Zuschussrente an eine langjährige zusätzliche Altersvorsorge, die gerade von geringfügig Beschäftigten mit niedrigem Einkommen kaum zu leisten sein wird.

Nicht unproblematisch ist schließlich die Einführung des Bedürftigkeitsprinzips als Voraussetzung der Auszahlung einer Zuschussrente in die Gesetzliche Krankenversicherung. Im Ergebnis wird damit die Honorierung der Zeiten für familiäre Sorge an einem Defizit, nämlich der Betroffenheit durch Altersarmut, festgemacht. Die Ambivalenz, die damit gegeben ist, könnte jedoch nur durch eine direkte Honorierung der Erziehungs- und Pflegezeiten überwunden werden, die nicht allein über eine aus Erwerbsentgelten finanzierte Rente zu leisten ist. Insofern versteht die EKD den vorliegenden Entwurf als einen ersten Schritt einer notwendigen, umfassenden Reform.

Angesichts des demographischen Wandels und der damit gegebenen Notwendigkeit und Möglichkeit einer individuell unterschiedlich ausgestalteten längeren Erwerbsarbeitsphase unterstützt die EKD auch das Ziel, vor Erreichen der Regelarbeitsgrenze Arbeit und Rente je nach persönlichen Möglichkeiten so zu kombinieren, dass die Einkommen aus Rente und Hinzuverdienst die Höhe des früheren Einkommens erreichen können. Eine solche flexible Ausgestaltung kann den Übergang von der Erwerbsarbeit in die Rente flexibilisieren und finanziell abfedern und damit letztlich die Offenheit für ein längeres Arbeitsleben verbessern. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Ersetzung der bisherigen Teilrentenregelung durch eine Kombirente einzelnen Arbeitgebern dazu dienen kann, Mitarbeitern bei scheinbar gleichem Einkommen eine Teilverrentung nahe zu legen. Eine solche Fehlsteuerung sollte nach früheren Erfahrungen mit der Frühverrentung möglichst vermieden werden. Arbeitnehmer müssen in jedem Fall über die finanzielle Auswirkung einer Teilverrentung umfassend informiert werden.

Die Evangelische Kirche in Deutschland unterstützt schließlich auch die Anpassung der Erwerbsminderungsrente an die längere Regelarbeitszeit. Die Einführung einer Demographiekomponente im Reha-Budget hält sie dagegen nach wie vor für fragwürdig, da das Reha-Budget der nachhaltigen Sicherung der Erwerbsfähigkeit und damit der Verhinderung von Altersarmut dienen muss. Auch eine spätere Erhöhung des Budgets ändert nichts an den Problemen einer Deckelung nach vorhandenen Finanzmitteln, die dem tatsächlichen Bedarf nicht gerecht wird. Langfristige Erkrankungen und Frühverrentungen bleiben für die Versichertengemeinschaft wesentlich kostspieliger als eine zeitnahe Rehabilitation. Die Evangelische Kirche in Deutschland spricht sich deshalb für eine Flexibilisierung des Reha-Budgets aus.