Morgenandacht

Sr. Reinhild von Bibra

Liebe Mitsynodalinnen und Mitsynodalen, liebe Schwestern und Brüder!

Ein „neuer Morgen ist ein neuer Anfang unsres Lebens. Jeder Tag ist ein abgeschlossenes Ganzes“ sagt Dietrich Bonhoeffer.

Wie gut, dass wir nicht gedankenlos und hektisch in den neuen Tag hineinstolpern. Wir schenken diesem Morgen unsere Zeit und Aufmerksamkeit und feiern ihn mit unseren Gebeten und Liedern…

Dieser Morgen - ein neuer Anfang! Einen neuen Anfang können wir nicht selber machen, der kann uns nur geschenkt werden. So wie wir das Aufgehen der Sonne nur bewundern aber nicht machen können…

Die aufsteigende Morgenröte erleben wir dann besonders intensiv, wenn wir das Dunkel der Nacht durchlebt haben. Die Erfahrung einer schlaflosen Nacht: Stunde um Stunde liege ich wach, endlos dehnt sich die Nacht, Heere von Sorgen fallen über mich her, schutzlos bin ich vor der Flut meiner Gefühle, Schatten legen sich über meine Gedanken…

Die Nacht hat viele Gesichter. Sie ist die Zeit der Gefahren, der Angst und Albträume, der inneren Kämpfe und Ohnmacht.

Wie es Nacht wird in der Seele, das erleben heute viele Menschen – erschreckend viele – in Depressionen, Erschöpfungszuständen, Lebenskrisen…Tiefe Trostlosigkeit nimmt dann den Lebens-Atem.

In so einem undurchdringlichen Dunkel kann auch Gott für uns versinken. Er wird mir fremd, meine Gebete verdorren, die Quelle in mir ist ausgetrocknet.

Die „Anfechtung“ bei Martin Luther und „Die Dunkle Nacht“ bei Johannes vom Kreuz beschreiben, wie der Glaube in eine tiefe Krise gerät und die Gottesbeziehung als trocken und leer und dunkel erlebt wird.
„Horror vacui“ – das Grauen vor der Leere, das ist die Nacht unserer Zeit. Die Nacht des Nichts.
In den Psalmen werden Nacht-Erfahrungen dringlich vor Gott gebracht:
„Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele Gott zu dir…(Ps.42,1)
Das Wasser geht mir bis an die Kehle, ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist…(Ps.69)

Aus der Tiefe der Nacht wird das Licht des neuen Morgens geboren.
Wie wunderbar ist es, wenn die dunkle Nacht langsam in die Morgendämmerung übergeht und der Himmel sich rötlich zu färben beginnt. In ihrer Schönheit und Pracht geht langsam die Sonne auf und taucht alles in klares Morgenlicht. - Das konnten wir in diesem Herbst so schön erleben.…

„Die Mitte der Nacht ist der Anfang eines neuen Tags“ singt ein alter Hymnus. Der neue Morgen symbolisiert die Verwandlung, den Anfang von etwas ganz Neuem. Mir geht die Sonne auf, ich spüre wieder Licht und Hoffnung und Lebensmut […] Ich habe es schon oft erlebt: ein Traum hat am Morgen neue Hoffnung eröffnet, oder beim Aufwachen war ein glasklarer Gedanke da oder eine gute Idee. Und ich wusste, was ich tun soll.

In jedem Morgen ist ein Hauch von Auferstehung!

In der Bibel ist der Morgen eine Zeit voller Wunder:
Nach einem Abend der Tränen kommt ein Morgen voller Jubel, - Zeit der Freude. (Ps.30,6)
Für das Volk Israel ist der Morgen die Zeit des Manna, des Gesättigtwerdens, Manna, so viel jeder braucht. Zeit der Fülle! (2.Mose.16,13f ).
Der Beter singt in Psalm 46: Am frühen Morgen bringt Gott Hilfe […] Zeit der Hoffnung!

Im Morgengrauen am Ufer des Sees von Tiberias werden die Jünger vom Auferstandenen erwartet (Joh.21) „Als es Morgen war, stand Jesus am Ufer“. Die Nacht der leeren Netze mündet in einen Morgen der Begegnung mit dem Auferstandenen, in einen neuen Auftrag.

Die ersten Augen-Blicke des Tages gehören nicht dem Blick in die Zeitung, nicht auf die neuesten Nachrichten von der Börse, sondern dem Blick-Kontakt mit dem, der am Ufer steht und auf uns wartet…

Ich schließe mit Dietrich Bonhoeffer:
„Wie die alte Sonne täglich neu aufgeht, so ist auch die Güte Gottes alle Morgen neu (Klagel.3,23). Die Güte Gottes heute neu zu erfahren, heute ein neues Leben mit ihm beginnen zu dürfen, das ist das Geschenk, das Gott uns mit jedem neuen Morgen macht.“

Kanon:
Jeder neue Morgen ist ein neuer Anfang, ist ein neuer Anfang, neuer Anfang unsres Lebens.