Erklärung des Vorsitzenden des Rates der EKD zum Konflikt im Nord-Irak

NIkolaus Schneider

„Bei der Debatte über Waffenlieferungen in den Nordirak geht es um Nothilfe für die von der IS gejagten und gemordeten Menschen im Nordirak. Nothilfe ist zuerst und vor allem humanitäre Hilfe: Essen und Trinken, medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf, nicht erfrieren. Und der Schutz, den eigenen Glauben friedlich leben zu können.

Wer Nothilfe übt, muss sich aber auch Gedanken darüber machen, wie das Wüten der IS, das die Not verursacht, eingegrenzt und möglichst beendet werden kann, damit die humanitäre Hilfe auch nachhaltig wirkt. In diesem Zusammenhang kann über Waffenlieferung und militärische Hilfe nachgedacht werden. Es geht also nicht um Waffengeschäfte, sondern um Hilfe für den Kampf gegen die Verursacher der Not und die Absicherung der humanitären Hilfe.

Gebietet das Evangelium aber nicht den Gewaltverzicht, Gewalt erleiden und nicht zufügen? Das kann dem Evangelium entnommen werden.
Das Evangelium gebietet aber nicht zuzusehen, wie andere gequält, geköpft, versklavt werden. Dietrich Bonhoeffer hat angesichts der Naziverbrechen daraus den Schluss gezogen, dass es Situationen gibt, in denen es nicht ausreicht, die unter die Räder gekommenen zu verbinden. Dem Rad muss auch in die Speichen gegriffen werden – und sei es mit Gewalt. Dabei werden Menschen schuldig. Aber auch der Verzicht auf den Griff in die Speichen ist nicht schuldfrei.

Die moralische Qualität der Waffenlieferungen für den Widerstand gegen die IS hängt nicht allein an den Werten und Normen derer, die in Deutschland diskutieren und entscheiden. Sie entscheidet sich auch daran, was das Tun oder Lassen für die Menschen in Not bedeutet.

Aus allen diesen Erwägungen heraus habe ich Respekt gegenüber den pazifistischen Positionen, die jede Waffenlieferung ablehnen. Aber ich befürworte in diesem konkreten Fall eine Politik, die durch humanitäres, diplomatisches und militärisches Handeln zu helfen sich bemüht.  Dieser Konflikt im Irak macht mir erneut deutlich, dass es Situationen gibt, in denen wir nicht schuldfrei entscheiden können. „