Pilgerstation Bethlehem, Geburtskirche

Bischöfin Petra Bosse-Huber

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Pilgerinnen und Pilger hier in Bethlehem,

Psalmen der Bibel sind von Anfang an auch Pilgerlieder für Menschen gewesen, die sich von einer Pilgerreise Orientierung und spirituelle Stärkung erhofften.

Lassen Sie uns deshalb einen Psalm in der schönen Übersetzung der Neuen Einheitsübersetzung zu unserer ökumenischen Stärkung miteinander beten:

Psalm 147

Neben den gemeinsamen Gebeten waren es in den letzten Tagen gerade das gemeinsame Singen und die Lieder, die mir nachdrücklich vor Augen geführt haben, aus welchem reichen gemeinsamen Fundus wir katholischen und evangelischen Gläubigen miteinander schöpfen können.

Ein vielleicht ungewohntes Lied lasst uns aus unserem Pilgerbuch anstimmen. Ein Lied, das unbedingt an diesen Ort gehört:

"Zu Bethlehem geboren"

Wir haben in den vergangenen Tagen und Nächten auf unserer Pilgerreise durch das Heilige Land aus dem Reichtum der biblischen Überlieferung gelebt, haben dabei abwechselnd die Schönheit einer katholischen und einer evangelischen Bibelübersetzung genossen: Der Neuen Einheitsübersetzung und der gerade erschienenen Revidierten Lutherbibel.

Ich habe bei beiden die große Sorgfalt und Schönheit der Sprache während dieser Woche schätzen gelernt.

Von Prof. Christoph Kähler, ehemaligem stellvertretendem Ratsvorsitzenden und Landesbischof i.R., den viele von Ihnen persönlich kennen und der die letzten Jahre dieser fordernden Bibelübertragungsarbeit gewidmet hat, habe ich etwas gelernt, was sicherlich weitgehend auch für die Neue Einheitsübersetzung gilt. Kähler sagte vor der EKD-Synode in Würzburg: „Wir gehen heute davon aus, dass die Lutherbibel mit anderen Ausgaben konkurriert. Aber im Konzert der Bibelübersetzungen ist sie die Bibel, auf die man zurückgreift, wenn man behaltbare und anspruchsvolle Texte lesen und memorieren, also Schwarzbrot haben will und keine leichte Kost.“

Schwarzbrot oder anderes körniges gesundes Brot, das unbedingt als Stärkung und Reiseproviant ins Lebensgepäck gehört, auch auf dieser ökumenischen Pilgerreise, nichts anderes ist die Heilige Schrift für uns.

Und dann fährt Kähler angesichts der Aufgabe von Bibelübersetzung fort: „Je tiefer ein Text im Gedächtnis der Gemeinden verankert ist, desto weniger darf dieser Text geändert werden. Das beste Beispiel dafür ist der Psalm 23.“ Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln... „Solange eine Gemeinde diesen Text am Grab auswendig sprechen kann, darf an diesem Text kein Jota geändert werden. Dasselbe trifft auf den liturgischen Text des Vaterunsers zu...“ Auch einer unserer ökumenischen Basistexte. „In der Weihnachtsgeschichte, einem ähnlich im Gedächtnis der Menschen haftenden Text, wurde dagegen geändert - aber in die Richtung der Textform, die bei einigen noch im Gedächtnis ist. Das ist der Text von 1956 bzw. der fast identische von 1912!“

Hören Sie nun die Weihnachtsgeschichte mit den vertrauten Worten in der Fassung der Revidierten Lutherbibel erschienen zum ersten ökumenischen Reformationsjahr 2017:

Lukas 2, 1-20 „Es begab sicher aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging...“

Es gibt wohl keinen mächtigeren Ort für diese Worte als diesen: Bethlehem, wo Gott Mensch wurde.

Ein mächtiger Ort und ein mächtiges Wort - durch die Zeiten.

Viele Bilder lassen diese Worte in mir entstehen. Ihr Klang entführt mich nach Wuppertal, wo ich viele Jahre Pfarrerin war. Ich sehe vor meinem inneren Auge unsere rappelvolle Kirche zu Weihnachten und mitten drin Ruth Hepperle, eine der ganz wichtigen Ehrenamtlichen in der Gemeinde, Diakoniekirchmeisterin, verantwortlich mit uns anderen für die Unterstützung der vielen Armen, die zu unserer Gemeinde gehören: Alleinerziehende, Obdachlose im Park hinter der Kirche, Prostituierte auf dem Straßenstrich vor dem Kirchenportal, Flüchtlinge...
Zu Weihnachten steht Frau Hepperle am Pult und spricht in Elberfeld alljährlich die Weihnachtsgeschichte in der Lutherversion von 1912 auswendig, ohne Stolpern und Stottern, learnt by heart. Dann ist es so still in der Kirche, dass man einen Strohhalm fallen hören könnte. Auch in der Gemeinde haben viele die Augen geschlossen und manche sprechen stumm und auswendig die alten Worte dieser Bethlehemsgeschichte mit. Und manche weinen.

Ein bisschen hob sich die Stimme von Frau Hepperle immer, wenn sie zu den Worten kam "Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen..." Diese Verheißung galt zuerst den Hirten in Bethlehem, hat bei ihnen aber Gottseidank nicht Halt gemacht. An allen Orten der Erde und zu allen Zeiten seitdem haben sich Menschen verblüfft und staunend an dieser Krippe wieder gefunden. Junge und Alte, die sich selbst verloren hatten und sich verloren glaubten, dann aber erleben, dass sie gefunden werden und nicht verloren gehen müssen.

Damals die Hirten, heute Menschen hier in Israel/Palästina, in Aleppo oder in Addis Abeba. Menschen versammeln sich wie unsere ökumenische Pilgergruppe um dieses Kind, um sich beschenken zu lassen. Und auch wir gehen ganz nahe an die Krippe heran, weil wir hoffen, dass dieses Kind alle Erstarrungen oder Härten erweichen kann, auch die gut versteckten, auch die zwischen unseren Kirchen.

Ja, es stimmt, hier kommt es zusammen: Ein mächtiger Ort und ein mächtiges Wort.

Lassen Sie uns nun zusammen unser Gebet singen, im Vertrauen darauf, dass das Krippenkind uns versammelt und eint:

„Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben; ich komme , bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und lass dir s wohl gefallen...“

Und nun lasst uns auf unserem Weihnachtsweg weiterpilgern zur Weihnachtskirche.

Amen.