Statement auf der Pressekonferenz zur Ökumenischen Sozialinitiative, Frankfurt

Nikolaus Schneider

Nach der Veröffentlichung des „Gemeinsamen Wortes“ im Jahre 1997 haben beide großen christlichen Kirchen in Deutschland weiterhin mit je eigenen sozialethischen Beiträgen am öffentlichen Diskurs teilgenommen. Die so genannte „Unternehmerdenkschrift“ der EKD von 2008 setzte noch auf dem Höhepunkt der Krise der Finanzmärkte das Funktionieren der Sozialen Marktwirtschaft ganz selbstverständlich voraus. Ein Jahr später betonte der Rat der EKD in der Schrift Wie ein Riss in einer hohen Mauer die Notwendigkeit eines verbindlichen Ordnungsrahmens für wirtschaftliches Handeln, damit der Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht weiter gefährdet wird. In diesen Jahren wurde von innen und von außen der Impuls an uns herangetragen, das „Gemeinsame Wort“ vor dem Hintergrund der globalen und der europäischen Veränderungen in einer „Ökumenischen Sozialinitiative“ fortzuschreiben – und in einigen Aspekten auch neu zu fassen.

Der Kontaktgesprächskreis von DBK und Rat der EKD entschied im November 2010, einen ersten Sichtungsprozess in Gang zu setzen: Es ging darum, sich einen Überblick über sozialethische Stellungnahmen beider Kirchen seit Veröffentlichung des Gemeinsamen Wortes zu verschaffen und darum, eventuell offene Fragen zu eruieren. Dazu wurde eine kleine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern und Referenten der Kammer für Soziale Ordnung der EKD wie der Kommission VII der DBK gebildet. Sie bestand aus je einem Sozialethiker, Professor Bedford-Strohm - dem jetzigen bayerischen Landesbischof -, und Professor Wiemeyer und den Leitungen der Sozialwissenschaftlichen Institute, Professor Wegner und Professor Schallenberg, sowie den zuständigen Geschäftsführungen aus den Kirchenämtern, Cornelia Coenen-Marx und Matthias Belafi.

Nach Erstellung und Diskussion dieses ersten Papiers beauftragte der Kontaktgesprächskreis im Mai 2012 die Begleitgruppe, ein Impulspapier auszuarbeiten: erbeten wurde eine Reihe von Thesen zu den aktuellen Themen als Kern einer ökumenischen Sozialinitiative. Im Frühjahr 2013 lag ein Entwurf vor, der in einem internen Symposion mit einer wissenschaftlichen Expertenrunde in München diskutiert wurde. Im Mittelpunkt standen die Themen „Eurokrise und Staatsverschuldung“, „Soziale Ungleichheit und die Zukunft des Sozialstaates“ und „Demographische Entwicklung“. Es folgten weitere Überarbeitungsschritte, bis der Text von den Leitungsgremien beschlossen und nach letzten Abstimmungen von uns Vorsitzenden freigegeben wurde.

Ist der Text nun durch die zwischenkirchlichen Debatten, die Beteiligung der Leitungsgremien abgeschliffen, wie manche schon im Vorfeld kritisiert haben? Hätte die Erstellung der Thesen noch mehr Vielfalt und Differenzierung vertragen?

Ich halte ihn für angemessen differenziert und profiliert. Fehlte bei der Erstellung des Textes die Partizipation der Basisgruppen aus Gemeinden und Verbänden, aus Diakonie und Caritas und vielleicht auch von europäischen Partnerkirchen?

Aus meiner Sicht hat es sich gelohnt, zunächst zwischen den Leitungsorganen der beiden Kirchen nach Konsens zu fragen, Unterschiede wahrzunehmen und damit nun einen Diskurs anzustoßen, der hoffentlich von Basisgruppen, Verbänden und europäischen Partnerkirchen aufgenommen wird, weiterführende Diskussionen auslöst und gesellschaftliche Veränderungsprozesse initiiert.

Denn Herausforderungen dazu gibt es genug. Globalisierung und Krisenanfälligkeit der Wirtschaft, die Bedrohung durch den Klimawandel, die offenen Fragen von sozialer Inklusion und Integration, der demografische Wandel und die wachsenden sozialen Ungleichgewichte zeigen: Wir brauchen eine grundlegende gesellschaftliche Transformation, um bedrohliche Veränderungen menschenfreundlich und lebensdienlich zu gestalten. Viele Menschen fragen neu nach sozialem Zusammenhalt, nach gemeinsamen Werten in unserer Gesellschaft, nach Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Sie werden nicht erstaunt sein, dass diese Debatte nicht nur in der Politik, sondern auch in den Kirchen und zwischen den Kirchen geführt wird! Gottes Wort ruft uns dazu, für die Wahrung der Würde der Einzelnen und ein Zusammenleben in Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. Kirchen sind nicht allein dem jenseitigen Seelenheil der Menschen, sondern auch ihrem diesseitigen Wohl verpflichtet. In unserer sozialpolitischen Verantwortung können wir uns dabei auf breite Erfahrungen von Diakonie und Caritas stützen.

Mit unserer Sozialinitiative wollen wir einen Beitrag zu der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe einer umfassenden Transformation leisten. Die zehn Thesen unseres Papiers beschäftigen sich mit der Fortentwicklung unserer sozialen zu einer ökosozialen Marktwirtschaft. Es geht um eine Erneuerung der Verantwortungskultur im Blick auf die Finanzmärkte, die Staatsverschuldung und die Umweltproblematik. Es geht um den demogra¬phischen Wandel, um Fragen der Inklusion und Partizipation. Es geht um gerechten Lohn für gute Arbeit, um gerechte Bildungschancen für alle und es geht um die Verantwortung Deutschlands in Europa und in der Welt.

Wir freuen uns, wenn diese Thesen nun lebhaft diskutiert werden und zu lebensdienlichen Konsequenzen führen. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass das gelingt!

Wir hoffen, dass unsere ökumenische Sozialinitiative der Aufforderung des Monatsspruches für den Monat Februar entspricht: „Redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“ (Epheser 4,29)