Christliche Patientenverfügung wird überarbeitet

Berlin (epd). Als Hilfe zur Abfassung einer Patientenverfügung kursieren, vor allem im Internet, zahlreiche Formulare. Die christlichen Kirchen geben gemeinsam eine "Christliche Patientenverfügung" heraus. Nach Inkrafttreten des neuen Patientenverfügungsgesetzes haben die Kirchen begonnen, das Formular zu überarbeiten. Im März nächsten Jahres soll es voraussichtlich fertig sein, verlautete aus dem Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover.

In den bisherigen Erläuterungen zum Formular wurde darauf verwiesen, dass es keine verbindliche gesetzliche Regelung für Patientenverfügungen gibt. Außerdem wurde die Reichweite der "Christlichen Patientenverfügung" auf die Sterbephase des Patienten beschränkt. Wer ergänzende Verfügungen treffen wollte, wurde aufgefordert, zusätzliche Regelungen in das Formular aufzunehmen. Die "Christliche Patientenverfügung" wurde der EKD zufolge mehr als drei Millionen Mal abgerufen.

Nach dem neuen Gesetz können Patientenverfügungen nur von Volljährigen verfasst werden und müssen schriftlich vorliegen. Sie gelten unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Die in ihnen getroffenen Entscheidungen sind unmittelbar verbindlich. An diese neuen Regelungen muss die "Christliche Patientenverfügung" angepasst werden.

28. Dezember 2009



"Kann ich das so schreiben?" - Neues Patientenverfügungsgesetz bringt kaum Plus an Sicherheit

Von Jutta Wagemann (epd)

Berlin (epd). Vielleicht liegt es am Aussehen von René Röspel. Der SPD-Bundestagsabgeordnete mit dem Vollbart und der runden Brille erinnert eher an den lockeren Biologielehrer von einst als an einen staatstragenden Politiker. Die Hürde, ihn anzusprechen, ist niedrig. Und wenn der 45-jährige Westfale seinen Vortrag über Patientenverfügungen beendet hat, steht wieder einmal eine ältere Frau vor ihm, in der Hand ihre Verfügung: "Herr Röspel, kann ich das so schreiben?"

Vor gut einem halben Jahr, am 18. Juni, verabschiedete der Bundestag erstmals ein Gesetz, in dem die Anwendung von Patientenverfügungen und Kriterien für ein solches Schriftstück geregelt sind. Am 1. September trat das Gesetz in Kraft. Nach Einschätzung von Experten zeichnet sich schon jetzt ab, dass es keine wirkliche Rechtssicherheit geschaffen hat.

Er erhalte zwar weniger Post von Bürgern mit Fragen zu Patientenverfügungen, erzählt Röspel. Doch Veranstaltungen zu dem Thema seien weiterhin gut besucht. "Die Leute sind nicht sicherer geworden", sagt der Abgeordnete, der sich als Vorsitzender der Bundestags-Enquetekommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" mit Patientenverfügungen beschäftigt hat. Später erarbeitete Röspel in einer fraktionsübergreifenden Gruppe einen Gesetzentwurf, der im Bundestag jedoch keine Mehrheit fand.

Nach dem seit September geltenden Gesetz sind schriftliche Patientenverfügungen, also Willenserklärungen über die medizinische Behandlung, für Ärzte und Angehörige verbindlich. Das gilt auch, wenn der Patient, der sich nicht mehr äußern kann, in der Verfügung die Einstellung lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen gefordert hat.

Passt die Verfügung nicht auf die aktuelle Krankheitssituation oder liegt keine Patientenverfügung vor, müssen Arzt und Betreuer des Kranken gemeinsam zu einer Entscheidung kommen. Vor allem dem Betreuer kommt die Aufgabe zu, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln und zu vertreten. Bei Uneinigkeit mit dem Arzt muss ein Vormundschaftsgericht entscheiden.

Kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes richtete die Deutsche Hospiz Stiftung eine "Schiedsstelle Patientenverfügung" ein. In Konfliktfällen können Ärzte und Angehörige über diese Stelle innerhalb von 48 Stunden eine Expertise erhalten. Die Schiedsstelle werde drei- bis viermal im Monat angerufen, berichtet der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation, Eugen Brysch.

In Zweifelsfällen rät die Stiftung Ärzten, ein Vormundschaftsgericht - nach dem neuen Gesetz Betreuungsgericht genannt - einzuschalten. "Unglücklicherweise lässt das Gesetz in mehreren Punkten Fragen offen", sagt Brysch. Wenn der Patient keine Angehörigen oder keinen amtlich bestellten Betreuer hat, ist es für den Arzt kaum möglich, dessen mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Auch wenn keine Patientenverfügung vorliegt, ist es für den Arzt riskant, einfach auf die Meinung eines Verwandten des Kranken zu hören. Der Weg über den Vormundschaftsrichter sei daher zu empfehlen, rät Brysch.

Genau das sollte eigentlich durch das Patientenverfügungsgesetz vermieden werden. Jahrelang hatte der Bundestag über das Thema debattiert - in der Hoffnung, einen Weg zu finden, um Rechtssicherheit für Ärzte und Angehörige zu schaffen. Auslöser war ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 2003 gewesen, das den Gang zum Vormundschaftsgericht in bestimmten Konstellationen vorgeschrieben hatte. Davon wollten alle wegkommen.

Wie groß die Verunsicherung unter den Bürgern ist, sieht Brysch an der Nachfrage zu dem Thema. "Wir haben so viele Anfragen, dass wir theoretisch 500 Vorträge im Jahr halten könnten." Er warnt allerdings vor unseriösen Anbietern, die die Teilnehmer auffordern, noch während der Veranstaltung eine Patientenverfügung auszufüllen. Wer eine Verfügung verfassen wolle, solle sich auf jeden Fall vorher beraten lassen, sagt Brysch.

Der SPD-Abgeordnete Röspel hat den Eindruck, dass viele Menschen nicht wissen, von wem sie sich beraten lassen sollen. "Es wäre gut gewesen, wenn das Gesetz die ärztliche Beratung als Kassenleistung eingeführt hätte", sagt er. Jetzt sei davon auszugehen, dass sich Ärzte in der Regel nur wenig Zeit nähmen, um mit einem Patienten über die Verfügung zu sprechen. Die Patientenverfügung müsse so formuliert sein, dass Dritte sie verstehen könnten, auch wenn sie den Kranken nicht kennen - auf diese Kurzformel bringt Röspel seine Empfehlung, wenn er wieder einmal um Rat gebeten wird.

Internet:
www.hospize.de
www.unabhaengige-patientenberatung.de