Großer Katechismus

Nach der Fassung des deutschen Konkordienbuches (Dresden 1580)

Das siebente Gebot

Du sollst nicht stehlen

Nach deiner Person und ehelichem Gemahl ist zeitlich Gut das nächste; das will Gott auch verwahrt haben und geboten, dass niemand dem Nächsten das Seine abbreche noch verkürze. Denn stehlen heißt nicht anders denn eines andern Gut mit Unrecht zu sich bringen, damit kürzlich begriffen ist allerlei Vorteil mit des Nächsten Nachteil in allerlei Händeln. Das ist nun gar ein weitläufiges, Gemeindes Laster, aber so wenig geachtet und wahrgenommen, dass es über die Maßen ist, also dass, wo man sie alle an Galgen hängen sollte, was Diebe sind und doch nicht heißen wollen, sollte die Welt bald wüst werden und beide, an Henkern und Galgen, gebrechen. Denn es soll (wie jetzt gesagt) nicht allein gestohlen heißen, dass man Kasten und Taschen räumt, sondern um sich greifen auf dem Markt, in allen Krämen, Scheren, Wein- und Bierkellern, Werkstätten und kürzlich, wo man hantiert, Geld um Ware oder Arbeit nimmt und gibt.

Zum Beispiel nämlich, dass wirs für den Gemeinden Haufen ein wenig grob ausstreichen, dass man doch sehe, wie fromm wir sind; wenn ein Knecht oder Magd im Haus nicht treulich dient und Schaden tut oder geschehen lässt, den sie wohl abwehren könnte, oder sonst ihr Gut verwahrlost und versäumt aus Faulheit, Unfleiß oder Bosheit, zu Trotz und Verdruss Herrn und Frauen, und wie solches mutwillig geschehen kann (denn ich rede nicht von dem, das versehen und ungern getan ist): da kannst du ein Jahr dreißig oder vierzig Gulden und mehr entwenden, welches, so ein anderer heimlich genommen oder enttragen hätte, müsste er am Strick erwürgen, aber hier darfst du noch trotzen und pochen, und darf dich niemand einen Dieb heißen. Desgleichen rede ich auch von Handwerksleuten, Arbeitern, Tagelöhnern, die ihren Mutwillen brauchen und nicht wissen, wie sie die Leute übersetzen sollen, und doch lässig und untreu in der Arbeit sind. Diese alle sind weit über die heimlichen Diebe, vor denen man Schloß und Riegel legen kann, oder wo man sie begreift, also mitfährt, dass sie es nicht mehr tun. Vor diesen aber kann sich niemand hüten, darf sie auch niemand sauer ansehen oder eines Diebstahls zeihen, dass einer zehnmal lieber aus dem Beutel verlieren sollte. Denn da sind meine Nachbarn, gute Freunde, mein eigenes Gesinde, dazu ich mich Gutes versehe, die mich am allerersten berücken.

Also auch fort auf dem Markt und Gemeinden Händeln geht es mit voller Macht und Gewalt, da einer den anderen öffentlich mit falscher Ware, Maß, Gewicht, Münze betrügt und mit Behendigkeit und seltsamen Finanzen oder geschwinden Fündlein übervorteilt, weiter mit dem Kauf übersetzt und nach seinem Mutwillen beschwert, schindet und plagt. Und wer kann solches alles erzählen oder erdenken? Summa, das ist das gemeinste Handwerk und die größte Zunft auf Erden. Und wenn man die Welt jetzt durch alle Stände ansieht, so ist sie nichts anders denn ein großer, weiter Stall voll großer Diebe. Darum heißen sie auch Stuhlräuber, Land- und Straßendiebe, nicht Kastenräuber noch Meucheldiebe, die aus der Barschaft zwacken, sondern die auf dem Stuhl sitzen und heißen große Junker und ehrsame, fromme Bürger, und mit gutem Schein rauben und stehlen. ja hier wäre noch zu schweigen von geringen einzelnen Dieben, wenn man die großen, gewaltigen Erzdiebe sollte angreifen, die nicht eine Stadt oder zwei, sondern ganz Deutschland täglich ausstehlen. Ja wo bliebe das Haupt und oberster Schutzherr aller Diebe, der heilige Stuhl zu Rom, mit all seiner Zugehör, welcher aller Welt Güter mit Dieberei zu sich gebracht und bis auf diesen Tag innehat? Kürzlich, so gehts in der Welt, dass, wer öffentlich stehlen und rauben kann, geht sicher und frei dahin, von jedermann ungestraft, und will dazu geehrt sein; dieweil müssen die kleinen heimlichen Diebe, so sich einmal vergriffen haben, die Schande und Strafe tragen, jene fromm und zu Ehren machen. Doch sollen sie wissen, dass sie vor Gott die größten Diebe sind, der sie auch, wie sie wert sind und verdienen, strafen wird.

Weil nun dies Gebot so weit um sich greift, wie jetzt angezeigt, ists Not, dem Pöbel wohl vorzuhalten und auszustreichen, dass man sie nicht so frei und sicher hingehen lasse, sondern immer Gottes Zorn vor Augen stelle und einbläue. Denn wir müssen solches nicht Christen, sondern allermeist Buben und Schälken predigen, welchen wohl billiger Richter, Stockmeister oder Meister Hans predigen sollte. Darum wisse ein jeglicher, dass er schuldig ist bei Gottes Ungnaden, nicht allein seinem Nächsten keinen Schaden zu tun noch seinen Vorteil zu entwenden noch im Kaufe oder irgendeinem Handel irgendwelche Untreue oder Tücke zu beweisen, sondern auch sein Gut treulich zu verwahren, seinen Nutzen zu verschaffen und fordern, sonderlich so er Geld, Lohn und Nahrung dafür nimmt.

Wer nun solches mutwillig verachtet, mag wohl hingehen und dem Henker entlaufen, wird aber Gottes Zorn und Strafe nicht entgehen, und wenn er seinen Trotz und Stolz lang treibt, doch ein Landläufer und Bettler bleiben, alle Plage und Unglück dazu haben. Jetzt gehst du hin, da du solltest deines Herrn oder Frau Gut bewahren, dafür du deinen Kropf und Bauch füllst, nimmst deinen Lohn als ein Dieb, lässt dich dazu feiern als ein Junker, wie ihrer viele sind, die Herrn und Frauen noch trotzen und ungern zu Lieb und Dienst täten, einen Schaden abzuwehren. Siehe aber zu, was du daran gewinnst, dass, wo du dein Eigenes überkommst und zu Haus sitzt, dazu Gott mit allem Unglück helfen wird, soll sichs wieder finden und heimkommen, dass, wo du einen Heller abgebrochen oder Schaden getan hast, dreißigfältig bezahlen müssest. Desgleichen soll es Handwerksleuten und Taglöhnern gehen, von welchen man jetzt unleidlichen Mutwillen hören und leiden muss, als wären sie Junker in fremdem Gut, und jedermann müsse ihnen wohl geben, wie viel sie wollen. Solche lasse nur getrost schinden, solange sie können; aber Gott wird seines Gebotes nicht vergessen und ihnen auch lohnen. wie sie gedient haben, und hängen, nicht an einen grünen, sondern dürren Galgen, dass sie ihr Leben lang nicht gedeihen noch etwas vor sich bringen. Und zwar wenn ein recht geordnetes Regiment in Landen wäre, könnte man solchen Mutwillen bald steuern und wehren, wie vorzeiten bei den Römern gewesen ist, da man solchen flugs auf die Hauben griff, dass sich andere daran stoßen mussten.

Also soll es allen andern gelingen, so aus dem offenen freien Markt nichts denn ein Schindleich und Raubhaus machen, da man täglich die Armen übersetzt, neue Beschwerung und Teuerung macht und jeglicher des Marktes braucht nach seinem Mutwillen, trotzt und stolzt dazu, als habe er gut Fug und Recht, das Seine so teuer zu geben als ihn gelüstet, und soll ihm niemand dreinreden. Denen wollen wir wartend zusehen, schinden, zwacken und geizen lassen, aber Gott vertrauen, der es doch ohne das tun wird, dass er, wenn du lange geschunden und geschreppelt hast, einen Segen darüber spreche, dass dir dein Korn auf dem Boden, dein Bier im Keller, dein Vieh im Stall verderbe; ja wo du jemand um einen Gulden täuschest und vervorteilst, soll dirs den ganzen Haufen wegrosten und fressen, dass du seiner nimmer froh werdest.

Solches sehen und erfahren wir zwar vor Augen täglich erfüllt werden, dass kein gestohlenes und fälschlich gewonnenes Gut gedeiht. Wieviel sind ihrer, so Tag und Nacht scharren und kratzen und doch keines Hellers reicher werden? Und ob sie viel sammeln, doch so viel Plage und Unglück müssen haben, dass sie es nicht mit Freuden genießen noch auf ihre Kinder erben können. Aber weil sich niemand daran kehrt und hingehen, als gings uns nichts an, muss er uns anders heimsuchen und Mores lehren, dass er eine Landschätzung über die andere über uns schicke oder einen Haufe Landsknechte zu Gast lade, die uns auf eine Stunde Kasten und Beutel räumen und nicht aufhören, solange wir einen Heller behalten, dazu zu Dank Haus und Hof verbrennen und verheeren, Weib und Kinder schänden und umbringen. Und Summa: Stiehlst du viel, so versiehe dich gewisslich, dass dir noch so viel gestohlen werde, und wer mit Gewalt und Unrecht raubt und gewinnt, einen andern leide, der ihm auch also mitspiele. Denn die Kunst kann Gott meisterlich, weil jedermann den andern beraubt und stiehlt, dass er einen Dieb mit dem andern straft; wo wollte man sonst Galgen und Stricke genug nehmen?

Wer sich nun will sagen lassen, der wisse, dass es Gottes Gebot ist und für keinen Scherz will gehalten sein. Denn ob du uns verachtest, betrügst, stiehlst und raubst, wollen wirs zwar noch zukommen und deinen Hochmut ausstehen, leiden und, dem Vaterunser nach, vergeben und erbarmen, denn die Frommen doch genug haben müssen, und du dir selbst mehr denn einem andern Schaden tust; aber da hüte dich vor, wenn die liebe Armut (welche jetzt viel ist) kommt, so um den täglichen Pfennig kaufen und zehren muss, und du zufährst, als müsste jedermann deiner Gnaden leben, schindest und schabst bis auf den Grat, dazu mit Stolz und Übermut abweist, dem du solltest geben und schenken. So geht es dahin, elend und betrübt, und weil es niemand klagen kann, schreit und ruft es gen Himmel. Da hüte dich (sage ich abermal) als vor dem Teufel selbst; denn solches Seufzen und Rufen wird nicht scherzen, sondern einen Nachdruck haben, der dir und aller Welt zu schwer werden wird. Denn es wird den treffen, der sich der armen, betrübten Herzen annimmt und nicht will ungerächt lassen. Verachtest du es aber und trotzest, so siehe, wen du auf dich geladen hast; wird dirs gelingen und wohlgehen, sollst du Gott und mich vor aller Welt Lügner schelten.

Wir haben genug vermahnt, gewarnt und gewehrt; wer es nicht achten noch glauben will, den lassen wir gehen, bis ers erfahre. Doch muss man dem jungen Volk solches einbilden, dass sie sich hüten und dem alten unbändigen Haufen nicht nachfolgen, sondern Gottes Gebot vor Augen halten, dass nicht Gottes Zorn und Strafe auch über sie gehe. Uns gebührt nicht weiter denn zu sagen und strafen mit Gottes Wort. Aber dass man solchem öffentlichen Mutwillen steuere, da gehören Fürsten und Obrigkeit zu, die selbst Augen und den Mut hätten, Ordnung zu stellen und halten in allerlei Händel und Kauf, auf dass die Armut nicht beschwert und unterdrückt würde, noch sie sich mit fremden Sünden beladen dürften.

Das sei genug davon gesagt, was stehlen heiße, dass mans nicht so enge spanne, sondern gehen lasse so weit, als wir mit dem Nächsten zu tun haben. Und kurz in eine Summa, wie in der vorigen, zu fassen, ist dadurch verboten: erstlich dem Nächsten Schaden und Unrecht zu tun (wie mancherlei Weise zu erdenken sind), Habe und Gut abzubrechen, verhindern und vorzuenthalten, auch solches nicht bewilligen noch gestatten, sondern wehren, zuvorkommend und wiederum geboten, sein Gut fördern, bessern und, wo er Not leidet, helfen, mitteilen, vorstrecken beiden, Freunden und Feinden.

Wer nun gute Werke sucht und begehrt, wird hier übrig genug finden, die Gott von Herzen angenehm und gefällig sind, dazu mit trefflichem Segen begnadet und überschüttet, dass es reichlich soll vergolten werden, was wir unserm Nächsten zu Nutz und Freundschaft tun; wie auch der König Salomo lehrt Sprichw. 19,17: Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem HERRN, der wird ihm wiedervergelten seinen Lohn. Da hast du einen reichen Herrn, der dir gewiß genug ist und nichts wird gebrechen noch mangeln lassen, so kannst du mit fröhlichem Gewissen hundertmal mehr genießen, denn du mit Untreu und Unrecht erschreppelst. Wer nun des Segens nicht mag, der wird Zorn und Unglück genug finden.

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Herausgeber: Gütersloher Verlagshaus aus „Unser Glaube"

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) hat eine Neubearbeitung der evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften unter dem Titel „Unser Glaube“ herausgegeben. Die neue Ausgabe der in 6., überarbeiteter und ergänzter Auflage vorliegenden Bekenntnisschriften orientiert sich am aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung; die Übersetzung der Texte ist um theologische Genauigkeit und Klarheit sowie um ein zeitgemäßes Deutsch bemüht.