Von der Inneren Mission zum Diakonischen Werk

Frankfurt a.M. (epd). Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) existiert in seiner heutigen Form erst seit 1975. Der Ursprung des evangelischen Wohlfahrtsverbandes geht jedoch auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück - und damit auf Johann Hinrich Wichern, der deshalb auch gern als "Vater der Diakonie" bezeichnet wird.

Historiker nennen als Geburtsstunde des diakonischen Verbandes den ersten Evangelischen Kirchentag am 21. und 22. September 1848 in Wittenberg. Auf dieser Versammlung begann die Geschichte der organisierten Diakonie. Der Theologe Wichern betrieb zu jener Zeit in Hamburg bereits ein "Rettungshaus" für Kinder und Jugendliche, das "Rauhe Haus". In Wittenberg regte er nun die Gründung eines Gremiums an, mit dem das Nebeneinander zahlreicher christlicher Initiativen und Vereine, die die materielle Armut und die "sittliche Verwahrlosung" großer Teile der Bevölkerung bekämpften, überwunden werden sollte.

Am 9. Januar 1849 konstituierte sich der "Central-Ausschuß der Inneren Mission der deutschen evangelischen Kirche". Diese zehnköpfige Stabsstelle diakonischer Arbeit sollte Kontakte zu Regierungen und Parlamenten pflegen - und wurde damit zum Vorgänger des heutigen Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die Gründer des Central-Ausschusses wollten die enormen sozialen Verwerfungen und die Verarmung großer Teile der Bevölkerung nicht tatenlos hinnehmen. Sie nahmen die "Verwaltung des Elends" in ihre Hände. Den eher vorsichtigen politischen Anfängen folgte 1884 die direkte Einmischung in die sozialpolitische Debatte in Deutschland. In einer Denkschrift wurden "die Aufgaben der Kirche und ihrer Inneren Mission gegenüber den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kämpfen der Gegenwart" dargelegt. Ein Ziel war dabei, die Sozialdemokratie "mit dem Sauerteig des Evangeliums zu durchdringen". Politische Forderungen zugunsten von sozial Schwachen gingen dabei Hand in Hand mit dem Bestreben einer religiös-sittlichen Erneuerung der Gesellschaft.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg, also sieben Jahrzehnte nach Gründung des Central-Ausschusses, entschlossen sich die Spitzen der Diakonie, die kleine Geschäftsstelle zu einem schlagkräftigen Verband weiterzuentwickeln. Dazu wurde zum 1. Januar 1921 der "Centralverband der Inneren Mission" ins Leben gerufen. Er trat in der Weimarer Republik als moderner Verband der freien Wohlfahrtspflege auf und betrieb intensive politische Lobbyarbeit. Die Diakonie strebte dabei stets eine enge Verbindung zur evangelischen Kirche an, legte aber auch großen Wert auf ihre Eigenständigkeit.

Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 wurde von den meisten Spitzenvertretern der Diakonie begrüßt, die Innere Mission übernahm das Führerprinzip. Während der NS-Herrschaft wurden vor allem Osteuropäerinnen zur Zwangsarbeit in diakonischen Einrichtungen herangezogen. Zehntausende Patienten wurden im Zuge des "Euthanasie"-Programms ermordet und zwangssterilisiert.

In der Bundesrepublik entstand nach dem Zweiten Weltkrieg das "Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland". Dadurch wurde die Innere Mission veranlasst, ihr Verhältnis zur verfassten Kirche neu zu überdenken. 1957 schlossen sich das Hilfswerk und der bis dahin noch immer existierende "Central-Ausschuß" zusammen. In der DDR gelang es der Diakonie trotz Behinderungen durch den Staat ihre soziale Arbeit fortzusetzen.

Mit der Gründung des "Diakonischen Werkes der EKD e.V." im Jahr 1975 wurde das Hilfswerk der EKD formal aufgelöst. Nach der deutschen Wiedervereinigung traten die diakonischen Landesverbände Ostdeutschlands dem Bundesverband der evangelischen Wohlfahrtspflege bei.

Heute sind in den 26.800 Einrichtungen der Diakonie mehr als 420.000 Mitarbeitern beschäftigt. Die Einrichtungen bieten eine Million Betreuungsplätze für Jugendliche, behinderte und alte Menschen sowie in Krankenhäusern. An der Spitze des Diakonischen Werkes der EKD steht seit 1. Februar 2007 Präsident Klaus-Dieter Kottnik.

16. April 2008

Diakonisches Werk der EKD